27. Juni - 14. Juli 2015
Sofia - Plovdiv - Edirne - Istanbul
Geradelte Strecke: 824 km (Insgesamt 4765 km)
Nach Sofia erreichen wir nur eine Tagesetappe weiter die kleine Stadt Samokov. Die Fahrt entlang des Iskar führt uns mal wieder durch schon bekanntes Gebiet. Hier radelten wir bereits auf unserer Radtour 2012 von Sofia in Richtung Albanien. Damals haben wir im Ort nur kurz Halt gemacht, doch diesmal legen wir gleich nochmal einen Ruhetag ein.
Der Zufall will es, dass an diesem Tag die Besitzer unserer Pension heiraten und wir dürfen an der orthodoxen Feier teilnehmen. Die Beiden sind etwas älter als wir und heiraten bereits das zweite Mal. Zur Mittagszeit machen wir uns auf den Weg zu der kleinen Kirche, die zu einem Nonnenkloster gehört. Während der Zeremonie wird keine Rede gehalten. Der Priester singt eher einen gleichförmigen Monolog . Das Brautpaar hält jeder eine brennende Kerze in der Hand und ihnen werden Kronen aufgesetzt. Sie bekommen ein Stück Brot zu essen und trinken gemeinsam aus einem Glas Wein. Nachdem sie dreimal um den Altar gelaufen sind und sich dabei an allen vier Seiten verneigt haben ist die feierliche Handlung nach etwa einer halben Stunde beendet. Es gibt zwei Trauzeugen und eine Handvoll Gäste. Doch während der ganzen Zeit herrscht in der kleinen Kirche ein reges Treiben. Besucher, die offenbar nichts mit der Feier zu tun haben, verteilen Kerzen und kleine Blumensträuße vor den Ikonen. Leider darf in der Kirche nicht fotografiert werden.
Am Abend findet im Garten der Pension eine kleine "Gassen"-Party statt, zu der wir eingeladen sind. Wir werden herzlich empfangen und dank des sehr gut deutschsprechenden Bräutigams können auch die Sprachbarrieren etwas überwunden werden. Es ist spät, als wir in unser Zimmer zurückkehren.
Der nächste Morgen ist bewölkt. Dennoch machen wir uns wieder auf den Weg, nachdem wir uns von den netten Wirtsleuten verabschiedet haben. Mit Glück kommen wir trocken durch die Berge des Rilagebirges, obwohl vor uns mehrere kräftige Regenfälle niedergehen, und als wir am nächsten Tag Plovdiv, die zweitgrößte Stadt Bulgariens erreichen, herrscht wieder schönstes Sommerwetter.
Plovdiv begeistert uns. In der Stadt gibt es viele Touristen, denn sie hat Einiges zu bieten. Das Stadtzentrum lädt zum Bummeln ein und von den sechs Hügeln hat man schöne Ausblicke. Auf drei der Hügel befindet sich die Altstadt. In dieser gibt es in kleinen verschlungenen Gassen viele alte guterhaltene Gebäude zu sehen. Zudem kann man auch archäologisch bedeutende Ausgrabungen besichtigen. Zum einen die Reste eines riesigen Stadions sowie ein Amphitheater, welches man heute wieder für Open Air Veranstaltungen nutzt. Wir nehmen an einer kleinen Stadtführung teil und genießen die milden Sommerabende in den gemütlichen Freiluftkneipen.
Nach so vielen Ruhetagen sind die Beine bei der Weiterfahrt etwas schwer. Doch schnell sind wir wieder in unserem Radlertrott zurück. Nach vier Tagen Fahrt durch die Rhodopen verlassen wir Bulgarien. Knapp drei Wochen waren wir in diesem Land unterwegs und haben die schönen Landschaften, durch die wir gekommen sind genossen. Wir sind netten Leuten begegnet, konnten für wenig Geld gute Unterkünfte und Essen finden. Die bulgarische Küche ist schmackhaft. Reichlich Käse stand auf dem Speiseplan - sogar Pommes schmecken uns damit.
Beim Grenzübertritt nach Griechenland wird unseren Ausweisen sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt und wir werden schon bissel unruhig. Doch letzten Endes werden wir freundlich hindurch gelassen. Der kleine Nordostzipfel Griechenlands ist nur reichlich 30 km breit, bis man die Grenze der Türkei erreicht hat. Schnell stehen wir also schon wieder an einem Grenzübergang. Dieser ist recht gut bewacht. Immerhin verlassen wir hier das Gebiet der EU. Diesmal verläuft die Kontrolle schneller und schon sind wir im zehnten Land unserer Reise. Die erste große Stadt liegt nur wenige Kilometer weiter. Die große Moschee von Edirne ist schon von weitem sichtbar und auf dem Weg in die Stadt überfahren wir zwei alte osmanische Brücken. In der Altstadt herrscht ein mächtiges Gewimmel. Am Straßenrand entdecken wir ein Reiserad und im Cafe daneben treffen wir Timo aus Belgien, den Besitzer des Rades. Natürlich kommen wir ins Gespräch. Dabei erzählt er uns, dass er die letzte Nacht noch in Griechenland einen schönen Lagerplatz gefunden hatte, zu dem er auch für die kommende Nacht zurückkehren wird. Da es schon spät ist, beschließen wir mitzukommen. Bevor wir uns auf den Weg machen, besichtigen die Männer noch die große Selimiye-Moschee. Dann geht es zurück zur Grenze.
Wer hätte das gedacht, dass wir so schnell nach Griechenland zurückkommen werden? Der Lagerplatz befindet sich am Flussufer nahe des Grenzortes Kastanies. Bei unserer Ankunft herrscht noch einiges Gewimmel. Die Bewohner der Umgebung genießen den schönen Abend. Später sind wir dann fast allein auf dem Platz. Hier treffen wir auch die Schweizerin Manuela und den Deutschgriechen Soto, die im Ort ein Haus haben. Es wird ein langer Abend, den wir gemeinsam mit ihnen verbringen. Abendbrot gibt es vom Grill und wir werden zum Kosten von griechischen Nationalgetränken verleitet und wir können noch viel über die Welt und besonders über Griechenland erfahren. Das Thema Griechenland und Geld versuchen wir dabei strikt zu vermeiden, denn erst vor zwei Tagen haben die Griechen ihr NEIN zu den Sparprogrammen gesprochen. Gegen zwei Uhr kriechen wir erst in unsere Schlafsäcke.
Dennoch sind wir am Morgen rechtzeitig wieder auf den Beinen. Gemeinsam mit Timo geht es wieder zurück in die Türkei. Die Randgebiete Edirnes offenbaren sich unerwartet sehr modern. Dann geht es vorbei an endlos erscheinenden Sonnenblumenfeldern. Wer braucht die nur alle? Die Menschen sind hier gleich viel aufgeschlossener. Wir werden oft gegrüßt und angesprochen. Es ist unglaublich heiß und wir verbringen die Mittagszeit im Schatten. Wenn man auf dem Fahrrad schnell ist, hat man etwas Abkühlung. Leider klappt das berghoch nicht so richtig. Da freut man sich sogar über Gegenwind, der das dann übernimmt. Alles was man oben in sich hineinschüttet verdunstet bevor es unten angekommen ist. Seit wir in der Türkei sind, ist nun auch Bier Mangelware. Zur Zeit ist auch noch Ramadan, doch zum Glück wird das in dieser Gegend hier nicht ganz so verbissen gesehen und wir lassen uns zur Stärkung zwischendurch lecker Döner schmecken.
Wir schaffen in dem doch recht hügeligem Gebiet einige Kilometer am Tag, so dass wir schon nach zwei Tagen, genau am 100. Tag unserer Reise, die türkische Schwarzmeerküste erreicht haben. Hier treffen wir auch Timo wieder - sind wir also doch noch nicht zu alt, um mit der Jugend mithalten zu können. Wir genießen einen Ruhetag in dem kleinen Nest an der Küste. Von unserem Minihotel hat man einen schönen Blick auf das Meer und den kleinen Fischerhafen. Zum Abendbrot gibt es natürlich fangfrischen Fisch und manches Lokal hat auch schönes kaltes, aber teures Bier vorrätig.
Es zieht uns weiter Richtung Istanbul. Wir haben keine Lust auf Hauptstraßen mit Verkehr und wählen aus der Karte eine kleine idyllische Piste in Küstennähe. Da die auch in einem Führer für Wohnmobile beschrieben ist, sollten keine Schwierigkeiten zu erwarten sein, denn oft kann man den Landkarten hier nicht vertrauen. Doch solltet Ihr jemals hierher kommen - fahrt nicht diese Straße!!! Es war schrecklich: voller Geröll, extremste Steigungen und oft völlig weggeschwemmt. Selbst bergab ging es dann nur schiebend. Mittendrin war eine Brücke völlig zerstört und wir mussten Räder und Gepäck alles einzeln hinunter und wieder hinauf schleppen. Zu unserer Verwunderung ergeht es einem einheimischen Ausflugsradler ebenso und dann kommt auch noch ein Motorradfahrer aus der Gegenrichtung. Der macht einen auf völlig geschafft und fragt nach Wasser. Wie würde er wohl aussehen, wenn er statt mit Motorkraft, wie wir hier unterwegs wäre. Nun Pech für ihn: der Arme muss wieder umkehren und 100 Kilometer Umweg in Kauf nehmen. Wir können es jedenfalls kaum glauben, als nach 20 km und fünf Stunden Schinderei in der hochsommerlichen Hitze wieder Asphalt unter unseren Rädern ist.
Wir geben sofort auf, als sich ein Campingplatz neben einem Badestrand im Nationalpark Cilingoz zum Übernachten anbietet. Es ist Wochenende und der Platz ziemlich bevölkert. Wir achten bei der Platzwahl für das Zelt sehr auf die Nachbarschaft, dennoch sind Störungen in der Nacht nicht zu vermeiden. Dafür haben wir in der nächsten Nacht einen Platz an der Steilküste direkt über dem Meer ganz für uns alleine.
Etwa 80 Kilometer vor Istanbul bleibt uns dann nichts weiter übrig, als wieder die Hauptstraße zu benutzen. Zunächst können wir unbeschwert auf einer zwei bis dreispurigen fast neuen Autobahn mit einem übergroßen Randstreifen dahin radeln, doch bald ist Schluss mit Lustig, denn der Verkehr nimmt immer mehr zu. Vor allem die unglaublich vielen Kipper, die in scheinbar allen möglichen Richtungen unterwegs sind, nerven. Wir haben das Gefühl in einem riesigen Kipperameisenhaufen zu stecken. Ganz schlimm wird es an den Baustellen. Sich nur eine Spur mit den Monstern zu teilen macht echt keinen Spaß . Die Fahrer scheinen zwar soweit es geht Rücksicht zu nehmen, aber eben nur soweit es geht. Wir sind total erleichtert, als wir auf eine etwas ruhigere Nebenstrecke abbiegen können. Und hier finden wir sogar noch einen perfekten Platz zum Übernachten direkt neben einem alten osmanischen Äquadukt aus dem 16. Jahrhundert, das heute noch Wasser befördert.
Nun werden wir Istanbul erreichen und einen großen Abschnitt unserer Reise vollenden: "Dresden - Istanbul 4800 km" klingt schon mal ganz gut. Mehr als drei Monate sind wir quer durch halb Europa geradelt und es hat fast immer richtig Spaß gemacht. Doch in nur einer Woche Türkei wurde uns gezeigt das Reiseradeln auch richtigen Stress bedeuten kann, körperlich und nervlich. Wir wussten das natürlich schon vorher, nur vergisst man es ganz schnell wieder.
Wir werden einige Zeit in Istanbul verbringen und sind gespannt auf diese interessante Stadt. Es wartet auch ein ganz spezielles Abenteuer auf uns. Aber dazu später mehr.