24. Juni - 12. Juli 2016
Issyk-Kul-See - Bishkek
Geradelte Strecke: 426 km (Insgesamt 13353 km)
Nach unserem erlebnisreichen und kräftezehrenden Abstecher in den Bergen, geht es nun wieder gemächlich entlang des Issyk Kul Sees Richtung Westen weiter. Es ist sonnig und warm, aber dennoch verirren sich immer mal wieder ein paar Regenschauer aus den Bergen auch hierher. Die Straße ist in einem schlechten Zustand und sehr holprig. Doch der Verkehr ist friedlich.
Wir treffen Stephan und seine Freundin Juily, die auf dem Weg von Taiwan nach Deutschland sind. Da wir die gleiche Richtung haben, radeln wir ein paar Kilometer gemeinsam. Zwischen Tosor und Tong kommen wir am wahrscheinlich schönstem Abschnitt des Südufers vorbei. Die Felsen rücken hier sehr nah an das Ufer und leuchten in der Abendsonne in schönen Rottönen. In der Gegend gibt es auch viele Jurtencamps, in denen man übernachten oder einkehren kann. Ehe danach sich die Straße für eine Weile vom See entfernt, lockt uns ein schöner Platz, die Nacht noch am Ufer zu verbringen. Stephan und Juily haben aber etwas Zeitdruck und müssen noch ein paar Kilometer schaffen und so verabschieden wir uns wieder von den Beiden.
Am nächsten Tag nehmen wir uns in Bokonbayevo ein Zimmer und gönnen uns einen wohlverdienten Ruhetag. Die Kirgisen sind recht rührig, was den Tourismus betrifft. In lohnenden Orten bieten viele Familien in ihren Häusern ein/zwei Zimmer für Gäste an und kleine Informationsbüros vermitteln diese. Unser Zimmer ist einfach, aber ruhig und gemütlich und wir werden von Nurgul und ihrem Mann bestens umsorgt. Dennoch lässt es sich Mathias nicht nehmen, an seinem Geburtstag wieder aufs Fahrrad zu steigen. Erholt und mit neuen Kräften bezwingen wir auf der Weiterfahrt noch einen kleinen Pass, ehe wir wieder hinunter ans Seeufer rollen. Wir nähern uns dem Ende des Sees und das gegenüberliegende Ufer ist immer deutlicher zu erkennen. Es folgen nur Miniorte entlang der Straße und so fahren wir schnurstracks nach Balyktschy der kleinen Hafenstadt am Westufer, denn schließlich hat sich Mathias nach fast 100 Kilometern sein Geburtstagsbierchen redlich verdient. Wir finden aber erstmal nur eine Verkaufsbude mit einem kleinen Gastraum. Die Betreiberin ist aber von ihren seltsamen Gästen so begeistert, dass sie Mathias kurzerhand einen typischen kirgisischen Hut schenkt. Mit diesen seltsamen Gebilden sieht man hier tatsächlich viele, vor allem ältere Männer herumlaufen. Einen von ihnen diskret zu fotografieren, ist uns bis jetzt jedoch noch nicht gelungen und so muss Mathias nun dafür herhalten.
Als wir später im Ort nach einem Guesthouse fragen, lockt uns eine Familie zu sich ins Haus. Der Preis ist günstig und so geben wir nach. Doch es stellt sich schnell heraus, dass die Wahl nicht so optimal war, denn unser Nachtlager besteht aus ein paar Matten und wir teilen uns das Zimmer mit dem Opa. Eine Möglichkeit zum Duschen bietet sich auch nicht und zum Abendbrot gibt es Brot mit Marmelade. So kriechen wir etwas hungrig und verstaubt in unsere Schlafsäcke. Auch wenn die Familie nett und freundlich zu uns war, verlassen wir sie am nächsten Morgen schnell wieder. Vor unserer Abreise erfahren wir aber noch durch das Internet, dass die tadschikischen Behörden inzwischen offiziell bestätigt haben, dass das neu eingeführte e-Visa nun doch auch an den Landgrenzen Gültigkeit hat. Also können wir uns den Weg nach Bishkek sparen und geradewegs hinunter in den Süden nach Osh fahren. Dachten wir ...!
Bei der Ausfahrt aus dem Ort, finden wir, seit langer Zeit mal wieder, einen richtig guten Supermarkt und gehen erstmal "Shoppen". Die Nebenstraße, vorbei am etwa 50 km entfernten Orto-Tokoy Stausee, ist kaum befahren und führt geradewegs in ein paar Berge hinein, über denen ein Unwetter bedrohlich heran naht. Wir schaffen es nicht mehr rechtzeitig eine geeignete Stelle für das Zelt zu finden und werden zuvor so richtig schön eingeweicht. Doch der letztendlich gefundene Platz ist ganz nett und so bleiben wir auch den ganzen folgenden Tag dort versteckt hinter Büschen.
An diesem Tag treffen wir dann einen weittragenden Entschluss : Wir werden auf unserer Reise eine Notbremsung einleiten. Mathias hat schon eine Weile gesundheitliche Probleme und wir wollen nicht das Risiko eingehen, dass es in den, nun vor uns liegenden abgeschiedenen Gegenden, vielleicht ganz schlimm kommt, sondern wollen es in Deutschland erstmal ärztlich abklären lassen. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht, doch wenn es um die Gesundheit geht, ist es die einzige Richtige. Am nächsten Tag fahren wir in das nur wenige Kilometer entfernte Kochkor und buchen dort im Internet einen Heimflug. Die Stimmung ist im Keller.
Also geht es nun doch nach Bishkek. Bis zum Abflug haben wir aber noch etwa zwei Wochen Zeit, genug, um in Ruhe dort hin zu radeln. Der Juli beginnt und das Wetter sieht gut aus, strahlender Sonnenschein und wir trauen uns in die kurzen Hosen. Es geht zurück zum Stausee und dem Abzweig nach Bishkek. Auf einer tadellosen Straße, der besten auf unserer ganzen bisherigen Fahrt durch das Land, schlängelt sich die Strecke über 10 Kilometer ganz allmählich hinauf, auf einen mehr als 2000 m hohen Pass. Der See liegt immer weiter unter uns und es wäre eigentlich ganz entspannt zu fahren, wenn da oben nicht schon wieder eine dunkle Wolkenwand und Donnergrollen zu unserem Empfang bereit wären. So verweilen wir nicht lange und machen uns sogleich an die Abfahrt. Doch weit kommen wir nicht. Schon bald fallen erste Tropfen und schnell wird daraus heftigster Regen. Weit und breit keine Unterstellmöglichkeit. Er wird immer stärker, zwischendurch mit Hagelkörnern, der natürlich an den unbedeckten Beinen höllig weh tut. Der Wind peitscht enorme Wassermassen über uns und stellenweise ist die Straße so überflutet, dass man glaubt in einem Fluss zu fahren. Nach der etwa 15 Kilometer langen Höllenabfahrt, stoßen wir auf die 4-spurige Hauptpiste nach Bishkek. An der Kreuzung gibt es Tankstellen und ein paar Buden. Der Regen holt nochmal mit aller Kraft neuen Schwung und scheint alles hinweg fegen zu wollen, ehe er endlich etwas nachlässt und die Budenbetreiber mit aufräumen beginnen können.
Wir sind patschnass und schlottern vor Kälte. In einem kleinen "Kafe", so nennt man hier die Einkehrmöglichkeiten, bestellen wir uns eine Kanne heißen Tee und kommen langsam wieder zur Ruhe. Dabei beobachten wir, dass alle Autos in unsere Richtung, wieder zurück kommen und über die Gegenfahrbahn weiterfahren. Auf der Straße scheint es nicht weiterzugehen. Ein Wunder wäre es ja nicht, nach diesem heftigen Unwetter. Der Regen lässt zwar weiter nach, aber die Sonne will nicht so richtig hervor kommen. Als wir aufbrechen, sind unter dem Tisch zwei große Pfützen. Also müssen wir nun etwas weniger nass sein, auch wenn es sich so gar nicht danach anfühlt. Inzwischen ist unsere Straße nun abgesperrt. Wir folgen den anderen Fahrzeugen und setzen unseren Weg auf einer der Spuren auf der Gegenfahrbahn fort. Tatsächlich ist die andere Fahrbahnseite an mehreren Stellen durch Geröll und Schlamm blockiert, doch man ist schon mit ersten Aufräumarbeiten beschäftigt. Da die Verschmutzungen auch bis zur anderen Fahrbahn reichen, drecken wir nun auch noch richtig schön ein. Der Fluss, durch dessen Tal es weiter hinab geht, ist reißend und schlammig braun. Je tiefer wir kommen, umso wärmer wird es wieder und unsere Sachen können so nach und nach trocknen.
In den nächsten drei Tagen, geht es nun, immer parallel der Grenze zu Kasachstan, nach Bishkek. Es ist eben und landschaftlich wenig reizvoll. Die weiterhin meist vierspurige Straße lässt uns aber den langsam immer mehr zunehmenden Verkehr ganz gut ertragen. Das Wetter ist weiter unbeständig und die letzten 50 km bis Bishkek begleitet uns zum Abschluss noch ein schöner Dauerregen. Viele Einheimische berichten uns, dass das Wetter für die Jahreszeit nicht normal ist. Eigentlich hat man hier im Juli eher mit großer Hitze und Trockenheit zu rechnen. Na, das wird doch hoffentlich nicht an uns liegen!?
Bishkek hieß bis vor 25 Jahren noch Frunse und ist heute eine lebhafte Stadt mit vielen Geschäften, Restaurants und Cafés. Auch hier viele Wohnblocks in typisch sowjetischer Bauart neben den mächtigen öffentlichen Prunkgebäuden. Doch sind auch schon viele moderne Neubauten und Shoppingcenter entstanden. Historische Bauwerke sucht man vergebens. Viele bewässerte Bäume, verleihen dem ansonsten recht farblosen Stadtbild zumindest im Sommer einen angenehmeren Eindruck. Wir finden hier eine nette Unterkunft und werden bis zum Abflug bleiben. Wie zum Hohn, wird in diesen Tagen nun das schönste sonnige Sommerwetter herrschen, dass man sich wünschen kann.
Genau beim Erreichen der Hauptstadt endet auch der Ramadan. Kirgisien ist zwar sehr muslimisch geprägt, doch bekommt man das nur wenig zu spüren. Es gibt zwar ein paar Frauen mit Kopftüchern und viele kleine Moscheen, doch sonst scheint es sehr frei zuzugehen. Das Fest des Fastenbrechens ist dennoch ein wichtiger Feiertag.
In etwa einem Monat haben wir nur den Nordosten des Landes kennenlernen können, aber dennoch viele Eindrücke bekommen. Das ganze Land scheint ein einziges Gebirge zu sein und hat eine traumhafte Landschaft zu bieten. Ähnlich wie auch Georgien hat es ein großes Potenzial für den Tourismus und es scheint so, als würde man schon beginnen dies zu nutzen. Die Bevölkerung ist freundlich, aber auch sehr zurückhaltend. Bis auf die Kinder. Sie haben sich immer sehr über unsere Vorbeifahrt gefreut, gerufen und gewunken. Viele der von uns befahrenen Nebenstraßen waren in schlechtem Zustand, dafür hatten wir dort aber kaum Probleme mit dem Verkehr. Natürlich gibt es da immer mal wieder die Fahrzeuglenker, die, trotzdem genug Platz zum Überholen ist, ganz knapp an einem vorbei knattern müssen. Das kann schon nerven. Der Fahrzeugpark besteht zu einem großen Teil aus älterer sowjetischer Produktion und aus Gebrauchtwagen aus Westeuropa. Oft kann man noch an den deutschen Firmenaufschriften, die ehemaligen Besitzer erkennen. Auch viele rechts gelenkte japanische Fahrzeuge sind unterwegs und deren Überholmanöver sind auch für andere Verkehrsteilnehmer recht gefährlich.
Doch Kirgisien ist auch ein Reitervolk. Viele sind auf dem Pferderücken unterwegs. Kein Hirte ohne Pferd und selbst kleine Kinder sitzen schon alleine im Sattel und viele reiten auch ohne. Die Menschen leben, vor allem auf dem Lande, zum Teil unter noch sehr einfachen Bedingungen. Oft verfügen die Häuser in den Dörfern nicht mal über eine Wasserversorgung und beziehen ihr Wasser von der Dorfquelle oder von Pumpen entlang der Straße. Viele Nomaden ziehen in den warmen Monaten noch auf ihre Sommerweiden, die Viehzucht hat einen sehr großen Stellenwert. Auch der Speiseplan der Kirgisen ist sehr fleischlastig und nicht unbedingt unser Geschmack. Doch die Versorgungslage im Land ist recht gut. Auch kleine Orte verfügen über Tante-Emma-Läden, in denen man sich gut versorgen kann. In größeren findet man sogar gut bestückte kleine Supermärkte. Es gibt auch viele deutsche Produkte und die Preise sind niedrig. Vor allem in den kleinen Restaurants kann man für wenig Geld satt werden. Unser Favorit hier war Lagman, ein Nudelgericht, aus dicken spaghettiähnlichen Teigwaren.
Nun, Kirgisistan, vielleicht kommen wir ja wieder. Wir würden es uns so sehr wünschen.
Am 13. Juli geht unser Flug nach Hamburg und entlang der Elbe soll es dann nach Dresden gehen. Genau, wie die deutsche Fußballnationalmannschaft fahren wir noch vor dem Finale nach Hause, doch nicht als Verlierer. Auch wir haben gewonnen, nämlich eine unvergesslich schöne Zeit. Jetzt heißt es erstmal "Koffer" packen. Auch wenn wir mit so etwas immer gerechnet haben - schließlich sind wir ja auch nicht mehr die Jüngsten, ist es dann, wenn es soweit ist, doch ein besch... Gefühl. Wir treten die Heimfahrt an und in unserem Gepäck haben wir die große Hoffnung, schon bald unsere Reise fortsetzen zu können. Jetzt freuen wir uns aber erstmal auf das Wiedersehen mit der Familie und den Freunden, auch wenn dies so gar nicht geplant war.
"Wenn der Plan nicht funktioniert, dann ändere den Plan. Aber niemals das Ziel."