16. März - 4. April 2016
Baku - Astara - Qazvin - Isfahan
Geradelte Strecke: 1206 km (Insgesamt 9923 km)
Ja, mit dem Internet im Iran ist es nicht einfach. Internetcafés suchten wir bisher vergeblich und wenn wir bei einer Einladung mal die Möglichkeit hatten, war die Verbindung so was von schwach, dass sich nicht viel damit anfangen ließ. Inzwischen sind wir nun schon mehr als 2 Wochen im Land unterwegs und haben so viel erlebt, dass es schwer fällt, sich auf das Wichtigste zu beschränken. Hier also unser erster, hoffentlich nicht zu langer Bericht aus dem wirklich total interessantem und spannendem Iran:
Unser letzter Tag in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ist ein besonderer, es ist der Vorabend des letzten Mittwochs vorm Frühlingsanfang und an diesem Abend werden viele kleine Feuer angezündet und es ist ein Brauch, über diese zu springen. Das soll im neuen Jahr Glück bringen. Wir geben uns richtig Mühe und springen, wie verrückt - mindestens dreimal ist ein Muss. Nun dürfte also nichts mehr schief gehen.
Für das Wetter scheint der Brauch scheinbar nicht zu gelten, denn als wir am nächsten Tag starten, ist der Himmel, wie auch die Tage zuvor, wolkenverhangen und es rieseln sogar ein paar Schneeflöckchen auf die Räder. Doch um so wärmer und herzlicher ist der Abschied von unseren Warmshower-Gastgebern. Unglaublich, mit wie viel Vertrauen und Selbstverständlichkeit wir von Debbie, Eric und ihren beiden Jungen im Haus aufgenommen worden sind.
Unsere Weiterfahrt geht entlang der Küste zur iranischen Grenze. Die einzigen Unebenheiten auf der Strecke sind die Löcher im Asphalt des Randstreifens, auf den uns der dichte Verkehr verdrängt. Obwohl keine Anstiege im Weg sind, kommen wir wegen scheusslichem Gegenwind nur langsam vorwärts. Die Landschaft bietet auch keinerlei Abwechslung. Es gibt ein paar kleine Erdölfelder und hin und wieder einen Ort. In denen sorgen wir natürlich immer schnell für Aufsehen. Die Aserbaidschaner sind im Allgemeinen doch etwas aufgeschlossener und vor allem neugieriger, als die georgischen Nachbarn.
Am 5. Tag erreichen wir den Grenzort, der auf beiden Seiten Astara heißt. Obwohl es noch nicht ganz Mittag ist, gönnt sich Mathi schnell noch ein "richtiges" Bier, während Petra sich in eine brave islamische Frau verwandelt. Den eigentlichen Grenzübergang zu finden, ist etwas verwirrend, denn es gibt keine Hinweisschilder und wirklich hinüber ins sagenumwobene Iran will ohnehin kaum jemand. Doch dann stehen wir vor den gesuchten Beamten. Die aserbaidschanischen sind, wie schon bei der Einreise, sehr gründlich. Die iranischen wirken dagegen eher nur neugierig. Nachdem zwei Taschen geröntgt wurden und wir dem Zollbeamten versprochen haben, schön vorsichtig auf der Straße zu sein und im Notfall 110 anzurufen, werden wir ins Land gelassen.
Und - irgendwie haben wir uns ja vorgestellt in ein ganz spezielles Land zu Reisen, aber nichts Besonderes ist zu sehen. Wir könnten in jedem anderen islamischen Land stehen. Gleich in der ersten Wechselstube versorgen wir uns mit iranischen Rials und sind schlagartig Millionäre - so schnell kann es gehen. Dann rollen wir ins Land und es ist, als hätte man einen roten Teppich für uns ausgerollt. Es wird gewunken, gehupt und gegrüßt: "Hello", "Welcome in Iran". Noch am Stadtausgang werden wir zum Lunch eingeladen und damit wir auch nicht verloren gehen, zuckelt man im Auto 5 km vor uns her, bis zum Restaurant. So schnell können wir gar nicht gucken, wie wir Hühnchen und Reis vor uns stehen haben.
Genau an unserem ersten Tag im Iran beginnt das zwei Wochen andauernde Novruz-Fest. Mit dem kalendarischem Frühlingsanfang, beginnt zugleich auch das neue islamische Jahr. Es sind Schulferien und auch Behörden und Ämter bleiben einige Tage geschlossen. Das halbe Land ist unterwegs zu Ausflügen und Familienbesuchen.
Am Abend wollen wir uns am Meer einen Platz für das Zelt suchen. Das ist hier am Kaspischen Meer etwas schwierig, weil der fruchtbare Küstenstreifen komplett besiedelt ist. Doch ein Autofahrer bringt uns im nahen Ort zu einem Haus, dessen Besitzer über Warmshowers und Couchsurfing regelmäßig Reisende beherbergt. Man bedauert zunächst sehr, dass man auf Grund der Feiertage schon Gäste im Haus hat und kein Platz wäre, aber man will uns dennoch nicht gehen lassen, denn am Himmel nähert sich ein Unwetter. So räumt kurzer Hand ein Sohn sein Zimmer für uns und wir haben eine erste bequeme, ruhige und trockene Nacht im Land. Diese große Gastfreundschaft ist für das Land sehr typisch. Ständig werden wir aufgefordert zu bleiben, um Tee zu trinken oder zum Picknick. Würden wir alle Einladungen annehmen, kämen wir kaum vom Fleck. Es ist unglaublich, mit welcher Offenheit und Freundlichkeit uns begegnet wird. Ständig posieren wir für Fotos und wundern uns, was um alle Welt, die Leute mit diesen Bildern machen wollen. Dieses Land ist an Gastfreundlichkeit wahrscheinlich kaum zu übertreffen.
Vom Land selber sind wir erstmal wenig beeindruckt. Entlang der Küste ist es eher eintönig. Die Straße ist, sicher auch auf Grund der Ferien, sehr befahren und das Wetter ist alles andere, als frühlingshaft. Die Sonne lässt sich nur selten blicken. Doch das hält die Iraner nicht von ihren beliebten Picknickausflügen ab - oft gleich am Rand einer dichtbefahrenen Strasse, die haben echt die Ruhe weg und lassen sich nicht stören. Ganz im Gegensatz zu uns, denen der ständige Verkehrslärm ziemlich auf den Geist geht.
Hier kommt noch ein Bild, aber man hat uns geraten, das erst zu veröffentlichen, wenn wir aus dem Land sind. Nichts Schlimmes, nur Frauen ohne Kopftuch. Oder doch schlimm?
Aber jetzt sind wir ja raus und können es zeigen.
Nach drei Tagen biegen wir von der Küstenstraße ab und fahren in das Landesinnere. Jetzt prägen Berge die Landschaft und es gibt auch wieder Anstiege. Hier hat die Sonne mehr Chancen, aber dafür quält uns teils heftiger Gegenwind. In Manjil werden wir von der Straße weg ins Haus gebeten. Sadegh hat einige Jahre in Deutschland gearbeitet und spricht fließend deutsch. Er ist glücklich über die deutschen Gäste und so lässt er uns nicht so schnell wieder ziehen. Gemeinsam mit seinem englisch sprechendem Sohn bekommen wir den Ort gezeigt und dürfen an einer kleinen Geburtstagsfeier teilnehmen. Alles ist unheimlich interessant.
Die Vegetation wird, je weiter wir ins Landesinnere kommen, immer dürftiger. Jetzt, so kurz nach dem Winter, ist es zwar hier und da etwas grün, aber es gibt nur noch wenig Bäume. Nun ist es auch verständlich, wieso im Norden an der Küste sich alle euphorisch vor kleinen Wäldern, die sich mit ersten grünen Blättern schmücken, haben fotografieren lassen. Das wird es im Land nur selten zu sehen geben.
Nach zweieinhalb Tagen haben wir uns vom Meereshöhe auf über 1500 Meter hinauf gestrampelt. Qazvin, eine größere Stadt soll unser nächstes Ziel sein und wir hoffen auf ein Hotelzimmer mit Dusche. Doch nur wenige Kilometer zuvor werden wir in dem kleinen Ort Mamoud Abad von Ismail mit dem Auto abgefangen und er bittet uns, mit zu ihm zu kommen, damit wir etwas essen und uns ausruhen können. Er lässt es sich absolut nicht ausreden und so geben wir nach. Noch wissen wir nicht, dass wir völlig ungeplant drei Nächte im Ort verbringen werden. Denn zunächst lässt uns Ismail´s Familie nicht gleich wieder ziehen und überredet uns mit Erfolg über Nacht zu bleiben. Wir werden fürstlich bewirtet und umsorgt. Dürfen die Dusche benutzen und unsere Klamotten verschwinden in der Waschmaschine. Ein Sohn Ismail´s fährt mit uns und einer Tochter nach Qazvin und wir bekommen die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu sehen. Das Wetter wird immer schlechter, es regnet und so sind wir froh, die Einladung angenommen zu haben. Am Abend wird für uns auf der Terrasse Safranhühnchen gegrillt.
Am nächsten Morgen regnet es noch immer heftig, aber es ist uns zu peinlich die Gastfreundschaft von Ismail weiter anzunehmen und so beladen wir zunächst die Räder. Dann kommt aber ein weiterer Bekannter aus dem Ort hinzu und bitte mehrfach, bei diesem Wetter nicht zu fahren, sondern mit zu seiner Familie zu kommen. Wir sind hin und her gerissen, doch würden wir ja sowieso heute nicht weit kommen und so geben wir nach. Auch Hamid´s Familie - seine Eltern und Geschwister, nehmen uns sehr herzlich auf. Überhaupt erweckt es den Eindruck, dass iranische Familien regelrecht auf Gäste warten. Sofort stehen Knabbereien, Obst und Tee bereit. Andere Familienangehörige kommen vorbei um die seltsamen Gäste zu bestaunen. Hamid hat eine Leidenschaft für Deutschland und lernt seit kurzem deutsch. Das erleichtert ein bisschen die Verständigung. Einige Familienmitglieder verstehen auch etwas Englisch. Später wird dann noch der Teppich gedeckt und man ist ständig darum besorgt, ob wir auch genug essen. Man sorgt sich sehr um Mathias, dem es nicht leicht fällt auf dem Boden sitzend auszuharren. Es ist schon erstaunlich, wie flink sich auch ältere Leute in diese Sitzposition begeben und wieder aufstehen können. Knie- oder Hüftprobleme scheinen hier ein Fremdwort.
Auch für den kommenden Tag ist Regen angesagt. Dieses Wetter scheint nicht gewöhnlich für das Land zu sein, denn im Fernsehen wird in den Nachrichten davon berichtet und Bilder von regennassen Straßen gezeigt. Im Norden gab es sogar heftige Schneefälle mit den entsprechenden Verkehrsproblemen, denn Winterreifen kennt hier niemend. Jedenfalls fällt es uns nicht schwer, noch einen Tag bei der Familie zu bleiben und einen weiteren geselligen Abend bei der Familie von Hamid´s Bruder zu verbringen.
Bei sonnigen, aber kaltem, Wetter rollen wir dann über eine weite windige Hochebene. In der Ferne sieht man kahle Berge. Höhere Gipfel zieren sich noch mit Schneekappen. Links und rechts endloses Nichts mit ein paar stacheligen Büscheln. Kleine Orte wirken manchmal, wie grüne Oasen. In größeren Orten finden wir alles Nötige, manchmal auch einen Stadtpark, in dem wir in der Nacht unser Zelt aufbauen. Das ist im Iran nämlich problemlos möglich. Am Tag sind diese von Familien beim Picknick bevölkert, doch in den, in diesen Höhen noch immer eiskalten Nächten, sind wir allein. Wir testen ein erstes alkoholfreies iranisches Bier und sind erstmal enttäuscht. Ähnlichkeit mit dem uns vertrautem Geschmack finden wir kaum. Später werden wir dann feststellen, wir hatten nur die falsche Sorte gekauft. Wenn man Durst hat, lässt es sich durchaus trinken. So schmeckt das Bier mit einer Zitrone wie unser Radler - logisch. Aber es gibt u.a. auch Ananas- oder Tropische Früchte-Bier.
Nach drei Tagen Sonnenschein und Gegenwind folgt wieder Regen mit etwas Schnee und das genau am 1. April. So verschieben wir den Start in unser zweites Reisejahr zunächst und harren einen Tag in unserem Zelt aus. Zum Glück haben wir am Vorabend ein geschütztes Fleckchen gefunden und bleiben, obwohl wir direkt in einem Ort lagern, unentdeckt hinter einem Schuppen versteckt.
Nun enden die 14-tägigen Neujahrsfeiertage und wir radeln weiter nach Isfahan, unserem ersten touristischem Highlight im Lande. Dabei erreichen wir mit über 2200 m den höchsten Punkt, ohne uns jedoch zu sehr anstrengen zu müssen, denn die Anstiege sind sehr mäßig. Aber die Berge sind weit entfernt und wir stehen weiter mitten in einen trostlosen Ebene. Für die letzten 25 km benutzen wir die Autobahn. Zwar stehen an den Auffahrten oft Verbotsschilder, die auch Fahrräder betreffen, doch hat man uns mehrmals versichert, dass die nichts zu bedeuten haben.
Nachdem wir durch den Verkehr der 2 Millionenstadt bis ins Zentrum vorgedrungen sind, richten wir uns in einem kleinen Hotel ein. Das erste Mal, dass wir im Iran für unsere Unterkunft bezahlen. Doch braucht man bei aller Gastfreundschaft auch mal ein paar Tage seine Ruhe und Privatsphäre. Nun sind wir natürlich gespannt auf diese geschichtsträchtige Stadt.