6. Juni - 14. Juni 2015
Sibiu - Targu Jui - Baile Herculane
Geradelte Strecke: 328 km (Insgesamt 3442 km)
Es bedarf eines langen Fußmarsches bis an das andere Ende von Sibiu durch die von der Sonne aufgeheizten Straßen, ehe wir einen kompetenten Fahrradladen finden. Er verspricht uns, dass das benötigte Teil in 24 Stunden aus Bukarest da sein soll. Wir sind skeptisch. Doch als wir am darauffolgenden Tag den gleichen Weg abermals bewältigt haben, werden wir mit dem repariertem Hinterrad empfangen. Wer hätte das gedacht. Schnell sind sie, die Rumänen. Im Moment sind wir erst mal erleichtert, aber unser Vertrauen zu den Shimano XT Naben ist nun nicht mehr sehr hoch.
Bei unseren Fußmärschen können wir die kleine Stadt gleich mit erkunden. Man ist emsig bemüht, auch außerhalb der historischen Altstadt, die Häuser in Schuss zu halten. Auch die sozialistischen Plattenbauten haben zum Teil eine freundliche Behandlung erhalten. Am Stadtrand boomt der Wohnungsbau, allerdings dürften die Mietpreise hier eher überdurchschnittlich ausfallen.
Unsere Pension liegt auf einer kleinen Anhöhe, mit einem tollen Blick auf die Stadt und hier lässt es sich nach den anstrengenden Stadttouren prima entspannen. Immerhin sind in den zwei Tagen um die 40 km Laufleistung zusammengekommen. Von wegen Ruhetage.
Nach drei Tagen verlassen wir Sibiu, fast auf dem gleichen Weg, auf dem wir an den Tagen zuvor zu Fuß unterwegs waren. Nämlich quer durch, an das andere Ende der Stadt, hinein in die Bergwelt des Lotrugebirges, welches wir schon vom Balkon unserer Pension vor Augen hatten. Es ist Sonntag und entlang der Gebirgsflüsse sind viele Ausflügler zum Picknicken und Grillen angereist.
Bis wir auf eine Schotterpiste abbiegen - dann sind wir augenblicklich allein unterwegs. Die Piste ist aber auch eine von der ganz üblen Sorte. Fast 20 km geht es bergauf. An manchen Stellen so steil, dass man das Rad nur noch schiebend bewegen kann. Links und rechts dichter Wald. Nur ein paar Abenteuer-Jeepfahrer begegnen uns. Erst kurz vorm Pass finden wir einen Platz für die Nacht und werden beim Abendbrot von einem Heer von Fliegen, in allen Größen, attackiert. Nun, sowas wie uns bekommen die in der Gegend nicht so oft zu sehen. Zum Glück ist bei Sonnenuntergang der Spuk vorbei. Aber in den Wäldern soll es auch größere Tiere geben. So nutzt Mathias einen nahen Strommast, um unsere Lebensmittel außer deren Reichweite zu bringen. Doch in der Nacht schlafen wir nach den Anstrengungen des Tages tief und fest, wie die Bären im Winterschlaf.
Für die Abfahrt am nächsten Tag brauchen wir eine Ewigkeit. Die steilen Stellen sind total ausgefahren und die weniger steilen verschlammt. Wir kommen nur mit höchstens 5 km/h vorwärts und die Bremsen haben Höchstleistungen zu vollbringen. Ein kleiner Fluss muss auch noch durchquert werden. Er ist eiskalt und uns sterben fast die Zehen ab. Aber wenigstens sind die Füße mal wieder gründlich gewaschen.
Forststraße Sadu (Zoodt) - VoineasaWill man von Sibu (Hermannstadt) nach Obirsia Lotrului, dem Beginn der Transalpina, gelangen, bieten sich auf der Karte drei Möglichkeiten an. Die Straße durchs Olt-Tal und dann in Brezoi rechts abbiegen - kam für uns wegen des Verkehrsaufkommens nicht in Frage. Die Strecke von Sebes (Mühlbach) sind wir früher schon mal gefahren. Also wollten wir dieses Mal die dritte Alternative von Sadu aus versuchen. Einen Namen für den etwas über 1600 m hohen Pass haben wir nirgendwo gefunden. Also haben wir uns mit ein paar Koordinaten versorgt und sind bei schönstem Wetter losgefahren. Von Sadu geht es auf ruhiger, asphaltierter Talstraße gemächlich in die Berge hinein. Auf den Wiesen am Fluss bieten sich unzählige Möglichkeiten zum Übernachten. An schönen Wochenenden findet hier Massenpicknick statt. In Raul Sadului bietet sich eine letzte Möglichkeit für einen Einkauf oder ein kaltes Bier. Dann noch ein paar Kilometer und dort wo der Asphalt endet, beginnt links die Forststraße. Hinweisschilder gibt es auf der ganzen Strecke keine. Bald geht es steil bergauf. Im Mittelteil gibt es ein paar fast ebene Abschnitte zum Ausruhen, bevor man auf losem Schotter steil zur Passhöhe hochkommt. Bis auf den Abschnitt vor dem Pass, ist die Straße total von schweren Holztransportern zerfahren. Trotzdem lässt es sich noch halbwegs gut radeln, wenn schönes Wetter herrscht und die Piste abgetrocknet ist. Bei Regen geht man das Risiko einer schweren Schlammschlacht ein. Da die engen Täler kaum Platz für Straße und Bach bieten, gibt es keinerlei gescheite Möglichkeit zum Zelten. Erst auf dem Pass konnten wir endlich Feierabend machen. Auch schöne Aussichten auf die Bergwelt kann man wegen des dichten Waldes fast vergessen. Alles gilt ebenso für die andere Seite. Zuerst kaum befahren, steil mit losem Schotter oder total ausgewaschen, dann zerfahrene Holzlasterpiste und immer noch steil. Für eine Auffahrt mit schweren Rädern schien diese deutlich anstrengender zu sein. Während 24 Stunden haben wir auf der Piste nur zwei Geländewagen und eine Schafherde mit giftigen Hunden getroffen. Rückblickend können wir die Strecke für Radler mit Gepäck nicht empfehlen. Das geringe Landschaftserlebnis macht die Schinderei nicht wett. |
Am folgenden Tag sieht man uns schon wieder feste in die Pedale treten, denn der nächste Pass der Pasul Urdele (2145 m) wartet schon auf uns. Er ist der höchste Pass der Karpaten. Bis zu dessen Abzweig sind wir noch unschlüssig, ob wir uns schon wieder auf eine erneute holprige Pistenfahrt einlassen sollen, doch der Zustand der Straße entpuppt sich als picobello. Fast neu und kaum befahren windet sie sich in vielen Serpentinen in die Höhe. Wahrscheinlich weiß kaum Einer, dass es sie gibt. Selbst von den vielen Motorradfahrern im Tal kommen nur wenige hier hindurch. Doch die 20 Kilometer haben es auch in sich und sind an manchen Stellen richtig steil. Doch diesmal werden wir mit einer wirklich schönen Abfahrt belohnt.
Transalpina: Urdele-Pass (2145 m)Entgegen unseren Erwartungen wies die Transalpina über den Urdele-Pass auf der gesamten Strecke von Obirsia Lotrului bis Novaci eine nagelneue Asphaltdecke auf. Das hat sich in Mitteleuropa wahrscheinlich noch nicht herumgesprochen und wir konnten bei ganz wenig Verkehr in Ruhe radeln. Bei ungewissen Wetterverhältnissen (Gewitter) sollte man beachten, dass auf die Passhöhe nicht sofort die Abfahrt ins sichere Tal, sondern erst nur 200 Hm Downhill und Wiederanstieg auf einen ungeschützten Bergrücken erfolgt, bevor es endgültig hinunter geht. Super Hochgebirgsstrecke. Empfehlenswert! |
Zwei Tage brauchen wir nun, um wieder nach Herkulesbad zu kommen, in dem wir vor 5 Wochen unsere Rumänienrundfahrt begannen. Die letzten 20 Kilometer durch das Cerna-Tal, mit seinen tiefen Schluchten, sind natürlich ein landschaftlicher Leckerbissen.
In Herkulesbad scheint nun die Saison in vollem Gange. Die Yogafans, von vor 5 Wochen, sind zwar wieder abgezogen, doch haben sich jetzt viele weitere Ausflügler eingefunden. Es ist Wochenende und im Ort herrscht ein wahres Gewimmel. Zum Glück gibt es reichlich Unterkünfte und so können wir ein paar entspannte Tage hier genießen, ehe wir unseren Weg Richtung Süden weiter fortsetzten.
Ein neues Land wartet auf uns - Bulgarien wir kommen.
Radfahren in RumänienDa wir fast sechs Wochen in Rumänien herum geradelt sind, sollten wir auch mal ein paar allgemeine Erfahrungen für Radreisende weitergeben. Straßen und VerkehrUm es gleich vorweg zu nehmen, mit den rumänischen Autofahrern hatten wir nicht mehr Probleme als anderswo auch. Schon wegen der Straßenverhältnisse wird hier langsamer gefahren, als bei uns. Dazu kommt, dass noch andere Verkehrsteilnehmer mitmischen. Selbst auf den Nationalstraßen gehören Pferdefuhrwerke NOCH zum Alltag. Wir haben versucht diese Straßen zu meiden. Wer es aber doch machen will oder muss - es geht. Alle Abschnitte die wir befahren haben waren neu ausgebaut und mit einem schmalen Randstreifen versehen (ca. 0,5 m breit) auf dem es sich ganz gut fahren ließ. Nur bei Brücken und Ortsdurchfahrten fehlt dieser. Wesentlich schöner für uns sind jedoch die Nebenstraßen, je kleiner und abgelegener, desto besser. Dort sollte man sich und sein Rad auf ALLES vorbereiten. Nagelneuer Asphalt, Schlagloch- und Schotterpisten bis zu völlig zerfahrenen Schlammstrecken warten auf dich. Und natürlich kann die Straße auch mal unversehens enden oder sie wird immer weniger befahren und ist zugewachsen bis man nur noch mit einer Machete durchkommt. Keine Angst, bei normaler Routenplanung passiert das kaum. Da es aber viele Stichstraßen in abgelegene Täler gibt, versuchen wir oft eine weiterführende Verbindung zu finden und dann s.o.. UnterkunftMeistens haben wir wild gezeltet. Und das geht auf dem Lande wirklich problemlos. Zwar versuchen wir uns zu verstecken, aber oft wird man doch von einem Schäfer o.ä. entdeckt. Dann wird freundlich gegrüßt und er zieht mit seiner Herde weiter. Die Hunde hat man meistens etwas länger am Hals, aber erfahrungsgemäß sind die viel entspannter, wenn man schon vor ihnen dort war und nicht auf die Herde zufährt oder geht. An Campingplätzen sind wir nicht vorbeigekommen und haben es auch nicht probiert, da im Mai eh alle noch im Winterschlaf sind. Sehr positiv waren wir von Anzahl und Qualität der Pensionen überrascht. Im Schnitt zahlten wir ca. 20 € für ein Doppelzimmer. WiFi ist immer vorhanden, was für uns ein wichtiges Kriterium ist, und die Geschwindigkeit ist auf jeden Fall ausreichend für YouTube. Sehr nützlich fanden wir, dass es meistens eine Gemeinschaftsküche gibt. Das kann vom Wasserkocher bis zur voll ausgestatteten Küche mit Esszimmer reichen, hilft aber enorm wirtschaften, da man sich bequem selber verpflegen kann. VersorgungNein, in jedem Dörfchen gibt es kein Lädchen, das gibt es ja bei uns auch nicht. Aber als Radler ist man ja auf Achse und nach zwei, drei Dörfern kommt man auf jeden Fall an einem Geschäft vorbei. Planen, wo man seine letzten Einkäufe tätigt, muss man eigentlich nur, wenn man vor hat danach wild zu zelten. In den Städten gibt es oft mehrere verschiedene moderne Supermärkte und ganz positiv ist, es gibt kein Ladenschlussgesetz, man steht an keinem Sonn- oder Feiertag vor geschlossenen Türen. Die Ersatzteilversorgung für Fahrräder konnten wir selber testen, als man uns ein nicht alltägliches Teil (Freilaufkassette für Shimano XT) innerhalb von 24 Stunden aus Bukarest besorgen konnte. Im Lande scheint es eine wachsende MTB-Szene zu geben, die kompetente Fahrradgeschäfte voraussetzt, zumindest in den Großstädten. Wir sahen viele Rumänen mit neuen 29-Zoll-MTB, da muss es ja irgendwo auch die zugehörigen Teile geben. In Sibiu fanden wir auf der Calea Dumbravii, stadtauswärts Richtung Freilichtmuseum ASTRA, eine empfehlenswerte Werkstatt. SicherheitUns ist nichts passiert, wir können dazu also nicht viel sagen. Die einzige negative Begegnung war eine Gruppe handgreiflicher Jugendlicher, die uns bei der Einfahrt in ein Dorf stoppten und Sachen vom Gepäckträger mitnehmen wollten, weil wir auf ihr Betteln nicht reagierten. Diese Problemzonen an den Ortsrändern erkennt man aber schon von weiten an den dort wohnenden Menschenschlag und der fremden Wohnkultur. Ein nie endendes Radfahrerthema sind Hunde. Und davon gibt es auch in Rumänien genug. Das sollte aber kein Grund sein, nicht hierher zu fahren, denn so schlimm ist es gar nicht. In manchen Ländern Südamerikas haben wir bedeutend schlechtere Erfahrungen gemacht. Wenn wirklich einmal gefährlich aussehende Hunde auf uns zukommen ist es das Beste sofort anzuhalten und abzusteigen, denn dann haben die Viecher sofort mehr Respekt. Am besten noch das Rad zwischen sich und die Angreifer bringen und abwarten was passiert. Meist halten sie Abstand und kläffen bloß, dann kann man versuchen langsam weiterzuschieben, bis die das Interesse verlieren. Die Bewegung einen Stein aufzuheben und mit dem Arm auszuholen und zu schmeißen kennen alle Straßenhunde dieser Welt und hält Distanz, auch wenn man meist nicht trifft. Nur einmal im total einsamen Lotru-Gebirge kamen 5-6 Hirtenhunde so nah, dass uns mulmig wurde. Als ich aber den Mutigsten mit einem schweren Stein getroffen hatte und der humpelnd davon rannte, hatten auch die anderen keine Courage mehr und der Spuk war sofort vorbei. |