26. Mai - 5. Juni 2015
Ceahlau-Gebirge - Sighisoara - Sibiu
Geradelte Strecke: 433 km (Insgesamt 3113 km)
Schon bei unserer ersten Siebenbürgen-Radtour 2000 haben wir die Bicaz-Schlucht nur bei Regen erlebt. Und jetzt hat uns wieder schlechtes Wetter erwischt, ausgerechnet bei der Fahrt durch die Schlucht. Und wir wollten doch diesmal alles richtig machen. Doch beeindruckend ist sie auch so.
In dem nur aus Hotels und Pensionen bestehenden Örtchen Lacu Rosu bleibt uns dann nichts anderes übrig als ein Zimmer zu suchen. Im Dauerregen haben wir wenig Geduld und landen in einer etwas eigenartigen Unterkunft. Das Ganze hat etwas von Alpenhütten-Flair, im Vorraum warten unzählige Hausschuhe und überall liegen ebenso viele Bibeln zum sofortigen Nachschlagen bereit. Trotzdem fühlen wir uns für zwei Tage als einzige Gäste wohl.
Einen Radeltag später bleibt uns im nächsten Gebirge nur noch patschnass die Flucht ins Zelt übrig. Aber wenigstens können wir uns am Lagerfeuer etwas trocknen und aufwärmen. Nein, auf 7 Grad Tagestemperatur sind wir echt nicht mehr richtig eingestellt.
Nun lassen wir die Ostkarpaten hinter uns und alles wird wieder besser. Wir rollen in das Gebiet ein, das wir als das echte Siebenbürgen verstehen, wo in fast jedem zweiten Dorf eine Kirchenburg steht. Unser Ziel ist das Örtchen Viscri, oder Deutsch-Weisskirch, wo vor 15 Jahren unsere Radtour begann und endete. Damals hatten wir das logistische Problem, wie man mit den Rädern nach Rumänien kommt. Grenzüberschreitende Radmitnahme in den Zügen gab es noch nicht, also blieb nur das eigene Auto. Auf der Suche nach einer sicheren Parkmöglichkeit steuerten wir ein abgelegenes Dorf mit Deutschen an, nämlich Viscri. Denen konnte man besser klarmachen, was unser Anliegen ist. Und drei Wochen später konnten wir das Auto wohlbehalten, aber total verdreckt vom Hühnerhof wieder abholen.
Damals lernten wir auch Harald kennen, der mit seiner Familie nach der Wende aus Deutschland hierher gezogen war. Seitdem versuchte er die Leute im Ort zu unterstützen und so begann ein Projekt, bei dem die Frauen durch das Stricken von Schafwollsocken ihren Lebensunterhalt aufbessern können. Bei unserer Heimfahrt fuhren dann mehrere Säcke voll Socken mit, die in Deutschland ihre Abnehmer fanden. Die ganze Geschichte könnt ihr hier nachlesen.
Die Ernennung der Viscrier Kirchenburg zum UNESCO-Weltkulturerbe hat inzwischen Wirkung gezeigt. Der verschlafene Ort ist Vergangenheit und niemand nimmt Notiz von uns, als wir zwei, unter vielen weiteren Touristen ankommen. Bei unserem ersten Besuch wurde die Kirchenburg extra für uns aufgeschlossen, jetzt gibt es geregelte Öffnungszeiten. In dem nun dazugehörigen Museum kann man viel über das frühere Leben der deutschen Siedler erfahren.
Trotz des schönen Wochenendwetters sind wir von den vielen Radfahrern im Ort überrascht. Bei der Weiterfahrt erfahren wir den Grund. Wir wollen einen uralten Verbindungsweg zum Nachbardorf fahren, finden stattdessen aber eine neu angelegte MTB-Trasse vor, die die Möglichkeit einer Tagestour um Viscri herum, abseits vom Verkehr bietet. Und das hatte sich wahrscheinlich schon in halb Rumänien rumgesprochen. Wir gehören mit unseren schweren Rädern wahrscheinlich nicht der angedachten Zielgruppe an, kommen aber trotzdem gut auf der schmalen Piste voran. Das Schönste daran ist, wir bekommen endlich einmal eine Möglichkeit, die Landschaft im Hinterland abseits der Straßen kennenzulernen. Fast alle Straßen verlaufen hier im Grund der Täler, es folgt eine Ortschaft der anderen mit den dazugehörigen Feldern und die fernen Hügelkämme sind das Reich der Schafherden. Aber dort kommt man selten vorbei.
Nun können wir sehen, dass es dahinter noch eine weite, unbesiedelte Landschaft geben kann, wo man höchstens mal einem Schäfer begegnet. Und deren Hunde sind längst nicht so wild, wie oft geschildert wird. Wir finden einen herrlichen Platz zum Übernachten mit Blick bis hinüber zu den schneebedeckten 2000ern des Fagarasch.
In Sighisoara (Schässburg) wollen wir unbedingt vorbeischauen und machen deshalb nochmal einen kleinen Schlenker nach Norden. Das historische Zentrum mit der Burg ist ein netter Ort für einen Ruhetag. Während Rumänien bis jetzt noch im touristischen Winterschlaf lag, sind hier schon viele Gäste auf den Spuren Draculas unterwegs.
Bis Sibiu (Hermannstadt) wollen wir nun exakt der Route unserer ersten Rumänien-Radtour folgen. Damals war es, wegen unserer erst 12 jährigen Tochter, noch wichtiger, als heute dem Verkehr auszuweichen. Wir nutzten deshalb oft Stichstraßen zu abgelegenen Dörfern, von denen Feld- oder Waldwege zum nächsten Dorf im Tal nebenan führten, wo wir wieder auf einer fast autofreien Stichstraße weiterfahren konnten. Das klappte hervorragend und zwischendrin boten sich noch herrliche Lagerplätze an.
In diesem Jahr scheiterten schon mehrere derartige Versuche, meist weil wir die Wege nicht fanden und selbst Einheimische nichts davon wussten, oder wir nach ein paar Kilometern umkehren mussten, weil die Natur die unbenutzten Wege zurückerobert hatte. Diesmal treffen wir eine stark ausgefahrene Piste an und freuen uns auf einfaches Vorwärtskommen. Bei einer richtig altertümlichen Köhlerhütte endet jedoch die Freude, weil danach unsere Räder mehr und mehr im Schlamm versinken. Jahrhundertelang verkehrten hier nur Pferdefuhrwerke, heute schafft es ein moderner Traktor den Weg sofort zur Sau zu machen.
Glücklich wieder Asphalt erreicht zu haben, kommt ein anderer Rückschlag. Nach einer Laufleistung von nur 3000 Kilometer blockiert plötzlich bei Mathias´ Fahrrad der Freilauf. Er kann zwar noch bis Sibiu fahren, muss aber immer mittreten. Da kommen Erinnerungen hoch. Vor fünfzehn Jahren mussten wir unsere Tour unterbrechen und nach Sibiu zurückkehren, weil an Petras Rad der Freilauf auseinandergefallen war. Dann radeln wir all die Jahre und an die 100.000 km ohne solche Probleme und nun passiert ähnliches wieder am gleichen Ort. Vielleicht werden wir bald abergläubig.
Wir haben es jedenfalls zu der vorgebuchten Pension in Sibiu geschafft und werden morgen schauen, wie wir mit Hilfe der hiesigen Fahrradgeschäfte weiterkommen.