28. August - 10. September 2015
Avanos - Kayseri - Sivas - Trabzon - Batumi
Geradelte Strecke: 935 km (Insgesamt 7156 km)
Nach fünf schönen, erlebnisreichen, aber auch erholsamen Tagen in Avanos verabschieden wir uns von unserem Warmshowers-Gastgeber Ersin und verlassen das Gebiet von Kappadokien in Richtung türkische Schwarzmeerküste. Nach diesem landschaftlichen Türkei-Höhepunkt fahren wir wieder durch die öden Weiten Anatoliens. Eigentlich sollte unser nächstes Ziel das weltberühmte Heiligtum auf dem Berg Nemrut Dagi im Süden der Türkei sein. Das lassen wir aber, wegen der Nähe der unsicheren syrischen Grenze, bleiben. Auch auf einem Besuch des Van-Sees müssen wir verzichten, wegen des in den letzten Wochen wieder aufgeflammten Konflikts zwischen der Türkei und den Kurden. Da langsam in uns der Wunsch nach etwas Grün oder sogar Wald immer größer wird, steuern wir stattdessen auf die Schwarzmeerküste zu.
Gleich am ersten Tag erreichen wir die Millionenstadt Kayseri. Man kann sie schon von Weitem erkennen. Sie liegt auf über 1000 m und wird geprägt von dem sie überragenden erloschenem Vulkan Erciyes. Das soll also Türkei's größtes Wintersportgebiet sein. Bloß gut, dass jetzt Sommer ist. Hier haben wir in einem Pidesalon seit Wochen mal wieder eine gute Internetverbindung und können somit auch unsere letzten beiden Webseiten-Beiträge veröffentlichen. Doch es hält uns nicht in der Stadt und wir verlassen sie gleich wieder.
Die nächsten drei Tage macht uns ein ordentlicher Gegenwind zu schaffen. So schlimm war es auf unserer ganzen bisherigen Tour noch nicht und wehmütig denken wir an die Tage im April, als uns ein ordentlicher Rückenwind, entlang von Elbe und Donau, voran blies. Zumindest erfrischt uns der Wind etwas, so dass wir bei den Anstiegen, trotz strahlendem Sonnenschein, nicht so sehr ins Schwitzen kommen. Und in den Nächten sinken die Temperaturen zeitweilig sogar auf unter 10 °C. Ist da etwa schon der Herbst in Anmarsch?
In diesen Tagen weichen wir zum ersten Mal im großen Stil von unserer selbstgesetzten Maxime ab, möglichst immer kleine und verkehrsarme Nebenstraßen zu benutzen. Aber die gut ausgebauten türkischen Nationalstraßen verlocken zu sehr zum Kilometerfressen. Da wurde in den letzten Jahren extrem viel getan und ein meist breiter Randstreifen bietet viel Sicherheit. Vor 15 Jahren musste Mathias noch auf einspurigen Landstraßen mit den LKW's um Platz kämpfen und es war der pure Horror. Ein zweiter Vorteil ist der herrlich glatte Asphalt, auf dem man so herrlich rollen kann. Untergeordnete Straßen werden hier nur in einer Sparversion, mit wenig Teer und viel Split, gebaut. Das ergibt dann eine extrem raue und unebene Oberfläche und bedeutet einen deutlich höheren Kraftaufwand um vorwärts zu kommen.
Nach fünf Tagen haben wir das Bedürfnis nach einer Dusche. In dem kleinen unbedeutendem Ort Zara finden wir eine ordentliche Bleibe, so dass wir gleich zwei Nächte bleiben und endlich mal wieder in Ruhe das Internet beanspruchen können. In die kleine Stadt verschlägt es nicht viele Touristen und so ist man über unser Erscheinen sehr erstaunt. Um so mehr verwundert es uns, als wir nach unserer Weiterreise, beim Bezwingen eines 2000 m hohen Passes, eine junge Südkoreanerin treffen, welche im gleichen Ort übernachtet hat. Sie ist schon vier Jahre unterwegs und das erste Mal haben wir bei einem solchen Zusammentreffen nicht das Gefühl, zu viel mit uns herumzuschleppen. Ihr Fahrrad ist noch viel mehr beladen, als unsere.
Drei Tage geht es nun immer weiter hinein in das Pontus-Gebirge und ab und zu gibt es auch wieder Erfreuliches für das Auge. Am Ende führt uns ein scheinbar endloser Anstieg über den Egribel-Pass auf einer Höhe von 2200 m. Die Straße schlängelt sich um viele Kurven immer weiter hinauf und wir freuen uns schon auf die Pause oben. Als wir es endlich geschafft haben, können wir es gar nicht richtig fassen, wie schnell wir, in der einen Hand ein Teeglas und in der anderen Hand ein großes Käsebrot, mitten in einer türkischen Familie sitzen, welche sich am Pass zum Picknick niedergelassen hat. Ein Sohn der Familie aus Deutschland ist gerade auf Urlaub da und so können auch die Sprachbarrieren gut überwunden werden. Gut gestärkt rollen wir nun hinunter ins Tal. Es wird immer grüner und die Landschaft bietet herrliche Fotomotive. Das ist ein gerechter Lohn für die weniger schöne Strecke zuvor.
Bei Giresun erreichen wir das Schwarze Meer. Hier führt uns nun die Küstenstraße, über fast 350 km, geradewegs zum Grenzübergang nach Georgien. Die Berge reichen bis nah an das Meer heran und bieten kaum Platz. Doch die Straße verläuft fast eben, immer in der Nähe des Ufers. Strandfeeling kommt aber nicht auf, denn für Bademöglichkeiten ist nicht viel Platz und wenn, dann immer in Sicht- und Hörweite der vielspurigen Straße. Eine Stadt folgt nach der anderen und in jeder herrscht ein wahrer Bauboom. Viele Hochhäuser prägen das Bild. Die meisten nicht älter als 10 Jahre und viele weitere sind noch im Bau. Die Nächte verbringen wir im Zelt mit Meerblick. Eigentlich idyllisch, wenn da nicht der ständige Verkehrslärm wäre. Wie halten das die Bewohner der schicken neuen Wohnungen hier nur aus? Nichts verlockt uns länger zu bleiben und so radeln wir eifrig Kilometer um Kilometer. Dabei hatten wir geplant hier ein paar ruhige Tage Strandurlaub einzulegen um unsere müden Knochen zu pflegen. Doch wir hätten nur den Reiseführer intensiver lesen sollen, um darauf zu kommen, dass dieser lange Küstenabschnitt, dank der Fernstraße, für den Tourismus, wie wir ihn verstehen, verloren ist.
Auch eine Recherche nach Hotels im Internet brachte nicht viel. Unterkünfte in unserer Preisklasse haben hier meist vernichtende Beurteilungen. Ganz anders dagegen im nahen Georgien. Hier finden wir, gleich im Grenzort bei Batumi, ein nettes und preiswertes Guesthouse für ein paar Ruhetage. Unsere Unterkunft liegt hoch über dem Ort. Das war ein schweißtreibendes Unterfangen, die schweren Räder hier hinauf zu schieben. Aber der Ort unten ist nicht so toll. Sehr hektisch und verkehrsreich durch den Grenzübergang. Da haben wir es hier oben schon besser.