Neustart

Man könnte davon ausgehen, dass der Beginn einer neuen Reise für uns nun schon Routine sein müsste, aber weit gefehlt, denn wenn es mal wieder so weit ist, zeigen sich die immer gleichen typischen Symptome der Reisekrankheit.
Das große Kopfzerbrechen und Haareraufen beginnt: "Wo soll es als Nächstes hingehen?" - tja, wer die Wahl hat, hat die Qual! und "Wo auf der Welt finden wir das momentan passende Radelwetter?" - denn schließlich sind wir bekennende Schönwetterradler!
Wenn dann endlich eine Entscheidung getroffen wurde, der Flug gebucht ist und das Abreisedatum feststeht, ist schon mal das Wichtigste erledigt und wir machen uns an das schon vertraute Abarbeiten der To-do-Liste: Es werden Informationen über das Reiseziel recherchiert, die Räder wieder zum Rollen gebracht, die Ausrüstung überprüft usw.- usf. ..... Viel zu tun, aber das ist Jammern auf hohem Niveau, denn um unseren Traum leben zu können, nehmen wir solcherlei Unannehmlichkeiten natürlich gern in Kauf und es ist einfach nur schön, wieder einen neuen Plan zu haben.

Doch zuvor ist diesmal unser Sommeraufenthalt in der Heimat ganz anders verlaufen, als wir es uns bei unserer Ankunft im Mai, nach unserer Tour durch Neuseeland und Australien vorgestellt hatten. Wir hatten uns so auf den heimatlichen Sommer gefreut, doch gleich mehrere gesundheitliche Eskapaden, ließen große Unternehmungen weitgehend scheitern. Am Einschneidentesten war dabei ein plötzlicher und sehr akuter Bandscheibenvorfall, der Mathias glattweg von den Beinen geworfen hatte. Doch unsere schlimmsten Befürchtungen von einer sich unendlich hinziehenden Ausheilung wurden zum Glück nicht wahr, denn wie ein Wunder, und auch sehr zum Erstaunen von Arzt und Therapeut, ging Mathias rasch wieder aufrecht, wenn auch noch etwas holprig. Auch die Fitness hatte von dem vielen Herumgeliege natürlich das tiefste mögliche Level erreicht.
Bloß gut, dass wir in dieser Zeit die Vorzüge einer sicheren Bleibe genießen konnten, denn in Mathias Elternhaus waren wir in diesem Moment bestens aufgehoben, wo wir nun die meiste Zeit des herrlichen europäischen Sommers verbracht haben. Sehr zur Freude von Mathias´ Vati, der unseren langen Aufenthalt genossen hat, auch wenn er natürlich das Krankenlager im Haus nicht so gut fand, denn schließlich war er mit seinen 83 Jahren ja flotter unterwegs, als sein Sohn!

Mit der endgültigen Genesung vor Augen und neuem Mut machten wir uns dann Anfang September auf den Weg nach Berlin, um uns bei der dortigen amerikanischen Botschaft vorzustellen.
Den Westen Nordamerikas haben wir bereits auf drei "normalen" Urlaubstouren besucht und die einzigartige und so vielgesichtige Landschaft dort hat uns schnell in ihren Bann gezogen. Das Land ist riesig und es gibt noch so viel mehr zu sehen. Für uns stand schon lange fest, dass wir abermals dorthin fahren werden, aber mit viel Zeit. Da unsere Tochter momentan für einige Zeit in San Francisco lebt und arbeitet, scheint nun der richtige Moment für unser Vorhaben zu sein. Mit der üblichen erforderlichen elektronischen Reiseerlaubnis (ESTA) darf man sich maximal 90 Tage ununterbrochen in den USA aufhalten. Das reicht uns aber nicht - wenn schon, denn schon. Zudem prangen in unseren Pässen unübersehbar iranische Visa und somit kommen wir nicht drumherum ein aufwendiges Touristenvisum zu beantragen, mit welchem wir uns doppelt so lange (1/2 Jahr) im Land aufhalten dürfen und das zugleich 10 Jahre gültig ist. Die amerikanischen Einreisebehörden nehmen es jedoch sehr genau und schauen sich die um Einlass Begehrenden gründlich an. Somit gehört zum Visaprozedere, dass man sich persönlich in einem US Konsulat zu einem Interview einfinden muss, um dem entsprechenden Bearbeiter plausibel zu machen, dass man auch ganz gewiss nichts Schlimmes im Schilde führt und dass man sich auch nicht häuslich in Amerika niederlassen will. Das hat Ähnlichkeit mit einem Glücksspiel. Doch irgendwie ist es uns gelungen, einen passablen Eindruck zu hinterlassen und haben den Bearbeiter mit unseren Reiseplänen nicht nur überzeugen, sondern scheinbar auch etwas begeistern können. Mit der Zusage für die Visaerteilung verlassen wir erleichtert den Hochsicherheitstrakt des amerikanischen Botschaftsgebäudes in Berlin, wo wir von unserer Tochter, die gerade zu Besuch in Deutschland weilt, erwartet werden und welche sich nun auf unseren Besuch im fernen Amerika freuen kann. Ist doch schön, wenn die Eltern mal nach dem rechten gucken kommen!, oder?

Auf, in den Wilden Westen! - doch eine Hürde gibt es auf dem Weg dorthin, nämlich der bevorstehende Winter. Wie oben schon erwähnt, mögen wir angenehme Temperaturen, wenn wir auf unserem Fahrradsattel sitzen. Doch die finden wir dort erst im nächsten Frühjahr wieder vor. Was also bis dahin tun? Weiter warten und rumsitzen kommt nicht mehr in Frage, uns juckt es in den Waden. Dann eine Idee und schnell wird daraus der endgültig neue Reiseplan: Wir fliegen zunächst nach Mexiko, verbringen dort und evtl. in ein paar Nachbarländern den Winter, um im Frühjahr auf dem Landweg in die USA einzuradeln.

Endlich, endlich geht es wieder los. Noch ein paar kleine Übungsrunden zum schonenden Aufbau der verloren gegangenen Kraft und Kondition in heimatlichen Gefilden und am 14. November soll uns nun ein Flieger übers große Wasser in das Land der Mayas und Sombreros bringen.

Doch zuvor ist noch ein letzter Punkt auf unserer To-do-Liste abzuhaken, einer der unbeliebtesten: Das Abschiednehmen von den Zurückbleibenden.