13. - 22. Juli 2016
Hamburg - Dresden
Geradelte Strecke: 771 km (Insgesamt 14124 km)
Eine Woche warten wir in der kirgisischen Hauptstadt auf unseren Heimflug. Das Wetter ist in Hochform. Jeden Tag strahlender Sonnenschein und hochsommerliche Temperaturen. Doch eigentlich kann uns das egal sein. Da Bischkek nichts Spannendes zu bieten hat, verlassen wir unsere gemütliche Unterkunft nur hin und wieder kurz, um uns die Beine zu vertreten oder um auf Nahrungssuche zu gehen.
Unser Abflug ist in den frühen Morgenstunden und so machen wir uns bereits am Vorabend auf den Weg zum etwa 30 km entfernten Flugplatz. Im Lichtschein des Flughafengebäudes bereiten wir dann in aller Ruhe Fahrräder und Gepäck für den Transport vor und haben noch etwas Zeit, um in einer kleinen Parkanlage ein kurzes Nickerchen zu machen. Pünktlich zum angegebenen Check-in Termin um 3:00 Uhr stehen wir in der Abfertigungshalle. Dort herrscht, trotz der frühen Morgenstunde, ein unglaubliches Gewimmel und alles wirkt etwas ungeordnet und chaotisch. Vor den Abfertigungsschaltern drängen sich Menschen und Gepäck, als würde es darum gehen, den letzten freien Sitz im Flugzeug ergattern zu müssen. Von typischen Flughafen-Zickzackschlangen keine Spur. Wir haben aber den richtigen Riecher und stehen, als unser Schalter geöffnet wird, genau an der richtigen Stelle und verteidigen die Poleposition heldenhaft. Doch mit unserem Ansinnen zwei Fahrräder einchecken zu wollen, bringen wir die Abfertigung auch sogleich ins Stocken und können den Missmut der anderen Reisenden förmlich spüren. Es wird beraten, gesucht, telefoniert, sortiert und notiert, ehe wir endlich die Räder und das Gepäck los und unsere Tickets in der Hand haben.
Dann wartet schon die nächste Hürde in Form eines schiebenden und drängenden Menschenhaufens vor der Pass- und Zollkontrolle. Die anschließende Flugsicherheitsprüfung bringt dann auch noch Ärger. Nachdem wir bei unserem letzten Flug vor einem Monat ausdrücklich darauf hingewiesen wurden, dass keine Batterien im Gepäck für den Frachtraum sein dürfen, wollten wir es nun ganz richtig machen und haben diese tatsächlich im Handgepäck untergebracht. Doch diesmal sieht der Kontrolleur es ganz anders und will diese nun konfiszieren. Eine aufgebrachte Diskussion zwischen Mathias und dem Beamten entbrennt, denn dann dürfte man ja auch keinerlei elektronisches Gerät, wie Laptop und Foto bei sich führen. Na das müsste man sich mal vorstellen - kein Handy ....! Doch plötzlich wird der Beamte dann doch einsichtiger und überlässt uns, mit dem Wunsch: Kirgisistan in guter Erinnerung zu behalten, zumindest die Akkus. Die normalen Batterien landen aber unweigerlich im Müll. Doch damit können wir leben, denn alle hat er ja doch nicht gefunden - ätsch! Die gesamte Prozedur dauert über zwei Stunden und so einen chaotischen Verlauf haben wir noch nie erlebt. Letztendlich fallen wir erschöpft und entnervt in unsere Flugzeugsitze. Den anderen Passagieren scheint es nicht anders zu gehen, denn nach dem Frühstück zieht umgehend eine totale Stille an Bord ein.
Nicht wissend, dass genau an diesem Tag Angela Merkel in Kirgisistan landet, verlassen wir das kleine zentralasiatische Land. 6 Stunden später genießen wir beim Umsteigen das geordnete Flughafenflair im Istanbuler Atatürk-Airport, um weitere 3 Stunden später im verregneten Hamburg zu landen. Der graue Himmel ist erstmal nicht förderlich für die Stimmung und diese wird auch nicht viel besser, als wir die Fahrräder mit einem total demolierten Sattel in Empfang nehmen. Mathias gelingt es ihn, mit roher Gewalt, unter Zuhilfenahme eines Steins und mit Klebeband wieder in einen provisorischen fahrtauglichen Zustand zu versetzen. Als dies gelungen ist, klart auch der Himmel auf und es gibt kleine Anzeichen von Sonne. Na also, warum denn nicht gleich so. Mehr als 30 km fahren wir durch die Stadt, um am Stadtrand einen Platz für die Nacht zu finden. Nach einer leckeren deutschen Brotmahlzeit mit Wurst, fallen uns schon die Augen zu, noch ehe wir in die Schlafsäcke gekrochen sind. Nach den nur sporadischen Nickerchen der letzten Nacht schlafen wir so tief und fest, dass wir es nicht gemerkt hätten, wenn man uns das Zelt geklaut hätte. Doch schließlich sind wir nun in einem sicheren Reiseland und am Morgen ist alles noch da - außer die Sonne.
In Wedel, am nördlichen Stadtrand von Hamburg, erreichen wir die Elbe. Hier liegt die Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft und wir kommen gerade rechtzeitig zur Begrüßung eines Schiffes. Über Lautsprecher wird jedes Schiff in Hamburg willkommen geheißen, bzw. verabschiedet. In der jeweiligen Landessprache und mit der entsprechenden Nationalhymne - ist das nicht nett! Auch für uns ein schöner Einstieg für die Fahrt durch Deutschland. Es geht hinein nach Hamburg, vorbei an schicken kleinen ehemaligen Fischerhäuschen und großen restaurierten historischen Lagerhäusern. Vorbei am Fischmarkt, an St. Pauli, dem Hafen und der Speicherstadt. Natürlich auf einem prima Radweg, denn wir sind in Deutschland und da ist selbst eine Fahrt durch eine Millionenstadt recht erträglich. Schneller, als gedacht, sind wir schon am südlichen Stadtrand und mitten unter den unzähligen Elberadwegradlern.
Eigentlich hatten wir gehofft, hier nun nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, doch fallen wir weiterhin mit unseren vollgepackten Rädern auf. Wer nimmt auch schon auf einer Radtour durch Deutschland Ersatzreifen mit. Wir fahren seit unserem Start vor 15 Monaten noch immer die schon damals sehr abgefahrenen alten Reifen und hätten nicht gedacht, dass sie so lange noch halten. Nur einen haben wir inzwischen wechseln müssen. Die drei anderen haben wir 14 000 Kilometer durch die Welt spazieren gefahren und bringen sie nun wieder mit nach Hause - welch ein Irrsinn!?
Die nächsten neun Tage geht es nun fast 800 km die Elbe entlang. Auch wenn die ersten Tage der Himmel sehr grau und trübe ist, bleiben wir nahezu trocken und die zweite Hälfte des Weges verwöhnt uns dann schönstes mitteleuropäisches Sommerwetter, so dass dringend ein paar Bierpausen nötig werden. Doch wenn man glaubt, dass es auf diesem Weg eigentlich keine Orientierungsprobleme geben dürfte, dann irrt man sich gewaltig, denn die Ausschilderung ist manchmal recht fragwürdig. Natürlich sind hier alle mit Kartenmaterial und Streckenbeschreibung unterwegs, doch wir nicht. Und so kommt es, dass wir hin und wieder auf Abwege geraten. Ohnehin gibt es zahlreiche Nebenrouten und auf einem großen Teil der Strecke ist der Weg sowohl rechts- als auch linkselbisch. Wir durchfahren sieben Bundesländer, besteigen in Mecklenburg-Vorpommern einen ehemaligen Grenzturm, um mal einen Blick in den Westen zu werfen. Fahren vorbei am baugeschichtlich bedeutsamen Backstein-Kloster von Jerichow, durch den Wörlitzer Park und durch die Lutherstadt Wittenberg. Als wir in Elster auf dem Gelände des dortigen Kanuvereins zelten, traut sich Mathias, wie viele andere übrigens auch, ein Bad in der Elbe zu nehmen. An unserem letzten Radeltag werden wir von Nils begleitet, der uns in Riesa entgegen kommt.
Je näher wir Dresden kommen, um so vertrauter wird alles. Unzählige Male haben wir auf unserer Reise von unserer Heimatstadt geschwärmt und ja, sie ist für uns die schönste Stadt auf der Welt. Wir haben Glück, solch ein wunderbares Zuhause zu haben.
Die Familie und die Freunde freuen sich, über das ungeplante Wiedersehen. Wir bekommen im Elternhaus von Mathias ein Obdach und gönnen uns und den Rädern nun einen Heimaturlaub. Jetzt hoffen wir, dass Mathias bald wieder fit ist und wir unseren Traum vom Reisen fortsetzen können.
Habt vielen Dank, dass Ihr uns bis jetzt auf unserer Tour begleitet habt und für die aufmunternden Worte in den letzten Tagen.
"Gegen das Fehlschlagen eines Plans gibt es keinen besseren Trost,
als auf der Stelle einen neuen zu machen."
(Jean Paul)
- und genau das werden wir jetzt tun. Wir werden Euch auf dem Laufenden halten.