14. Januar - 1. Februar 2019
Sydney - Canberra - Adelaide - Perth
Wir hatten schon vor Wochen, als unser Australienabstecher beschlossene Sache war, bei "Warmshower"-Gastgebern in und um Christchurch Anfragen gestellt, ob wir während dieser Zeit unsere Räder unterstellen können, denn die sollten in Neuseeland auf uns warten. Gary und Vicki hatten uns dies damals sofort zugesagt und zugleich unsere Bedenken zerstreut, wie wir von ihrem abgelegenen Anwesen zum Flughafen gelangen könnten. "No worries" - mit diesen Worten werden hier in dieser Gegend der Welt so ziemlich alle Probleme vom Tisch gefegt.
Nun ist es so weit, dass wir sie kennenlernen sollen. Wir sind gespannt auf die beiden und auf ihr Leben auf dem Land. Sie wohnen etwa 40 km außerhalb der Stadt in Richtung der Berge, aus denen wir erst wenige Tage zuvor gekommen sind. Wir werden herzlich empfangen. Die beiden reisen zwar gern, allerdings nicht mit Rädern. Jedoch hat einer ihrer Söhne vor ein paar Jahren eine größere Tour unternommen und so sind sie auf die Idee gekommen radelnde Reisende zu beherbergen.
Vicki verwöhnt uns mit leckerem Essen und Gary stellt uns seine kleine Biofarm vor. Auf den angrenzenden Weiden stehen ein paar Schafe, unter ihnen Milchschafe und wir dürfen beim Melken nicht nur dabei sein, sondern auch selber Hand anlegen. Zum Glück geschieht das maschinell - ist also nicht gar zu kompliziert. Die Schafe warten schon erwartungsvoll vorm Melkstand, denn sie wissen, dass es dort lecker Futter gibt. Gary nennt es Müsli. Das scheint ihnen so zu schmecken, dass sie gar nicht vom Melkstand wieder herunter wollen. Manche sind auch auf eine Streicheleinheit erpicht.
Zum Hof gehören auch noch Hühner und ein Hund. Des Weiteren gibt es einen Gemüsegarten und viele Obstbäume und Beerensträucher. Petra hilft Vicki beim Pflücken von Schwarzen Johannisbeeren. Auch für Aprikosen ist gerade Erntezeit. Diese, wie auch weitere Erträge und vor allem Pflanzen und Tierfutter werden von Vicki in einem kleinen Landhandel auf dem Grundstück verkauft. Gary sprüht vor Begeisterung, wenn er von der Arbeit auf seiner eigenen Farm erzählt und er ist voll von Plänen und Träumen. Doch wird es noch ein weiter Weg bis zu deren Erfüllung sein - der Anfang ist jedoch schon mal gemacht und das ist doch das Wichtigste, wenn es um die Erfüllung von Träumen geht.
Wir dürfen den selbst gemachten Schafskäse und ebenfalls aus Schafsmilch hergestellte Eiscreme probieren. Yummy, yummy! Bis spät in die Nacht sitzen wir dann noch mit Gary zusammen und unterhalten uns über Gott und die Welt, dabei muss der Arme früh morgens schon wieder zeitig raus und zu seinem Job im 100 km entfernten Ashburton, während wir am kommenden Tag ganz in Ruhe unsere Sachen ordnen und uns entscheiden müssen, was mit nach Australien darf.
Wir bekommen von Vicki und Gary eine so große Herzlichkeit zu spüren, dass uns der Abschied schwerfällt, nachdem uns unsere neuen Freunde am Abend mit dem Auto auf den Flughafen in Christchurch gebracht haben. Aber wir sehen uns ja bald wieder - in 10 Wochen, und unsere treuen Drahtesel wissen wir während dieser Zeit gut aufgehoben.
Am nächsten Morgen erreichen wir nach 4 Stunden Flug etwas übernächtigt Sydney. Der Flieger dreht eine Ehrenrunde, um die größte Stadt Australiens eindrucksvoll zu präsentieren und wir haben Glück, zufällig auf der richtigen Seite des Fliegers zu sitzen. Da unten ist sie deutlich zu sehen: die bekannte Hafenbrücke - blöd nur, dass die Sonne fototechnisch so gar nicht günstig steht.
Die Passformalitäten sind schnell erledigt. Das nötige Visum hatten wir schon in Deutschland online beantragt. Australien macht das Prozedere wirklich einfach, innerhalb von Sekunden hatten wir die Bestätigung und noch dazu völlig kostenfrei. Der Zoll schickt nun noch einen Hund auf die Jagd nach verbotenen frischen Lebensmitteln im Gepäck. In unserem Falle erfolglos - hoffentlich bekommt der Arme doch noch irgendwann, was Leckeres zwischen die Zähne. Und dann stehen wir vorm Flughafen und eine, schon am frühen Vormittag sehr eindrucksvolle Hitzewelle bricht über uns herein. Willkommen im australischen Sommer!
Kurz darauf bekommt unsere erwartungsvolle Stimmung aber erst mal einen gewaltigen Dämpfer aufgedrückt. Irgendwo auf dem Weg vom Flughafen zur Mietwagenstation geht Mathias Portemonnaie verloren. Prall gefüllt mit eben erst erstandenen australischen Dollar. Wie ärgerlich. Da wird sich nun aber irgendeiner mächtig freuen - hoffentlich ist es ein Bedürftiger. Glück im Unglück: Weder Kreditkarte noch Ausweise waren darin.
Der Mietwagen entspricht nicht ganz unseren Erwartungen: Schon 120 000 km stehen auf dem Tacho - ungewöhnlich für einen Mietwagen, zumindest wo wir bisher welche hatten. Und das ist ihm auch etwas anzusehen. Hat aber den Vorteil, dass ein paar Schrammen mehr somit nicht so auffallen dürften und fahren tut er einwandfrei - das ist erst mal das Wichtigste.
Dank Routenplaner auf dem Handy gelingt es uns sicher durch das Verkehrsgewusel auf den verzweigten und mehrspurigen Straßen durch das Zentrum der riesigen Stadt zu kommen, auch wenn Petra noch ein paar kleine Umwege einbaut - die Interpretation des Angegebenen muss eben erst mal etwas geübt werden. Bisher hat das ja Mathias übernommen, aber der hat nun keine Hand mehr frei. Na ja, und den Linksverkehr sind wir ja inzwischen reichlich gewöhnt.
Nach einigen Misserfolgen finden wir dann für die Nacht im "Bents Bassin State Recreation Area", einem kleinen Ausflugsgebiet westlich von Sydney, endlich einen Campingplatz, wo wir nach einer umständlichen und nicht billigen Onlinebuchung uns von den unerwartet aufregenden ersten Stunden in Down Under erholen können.
Doch auch am folgenden Tag können wir noch nicht ganz unbeschwert unseren Reisealltag beginnen. Zunächst verunsichert uns eine im Auto erscheinende Warnung, dass in 1000 km eine Wartung fällig ist. Was soll denn das nun wieder? Wir buchen die Karre für 10 Wochen und die geben uns ein werkstattreifes Exemplar. Dachten die, wir fahren nicht mehr als 1000 Kilometer. Also entscheiden wir noch mal zurück zur Mietwagenfirma am Airport zu fahren. Das bedeutet wieder 50 Kilometer quer durch halb Sydney, aber zumindest die Strecke kennen wir ja nun schon. Doch alles umsonst, denn dort meint man nach kurzem Überlegen freundlich und bestimmt: No worries! - Typisch! Wir hätten es uns eigentlich denken können.
Nun machen wir aber erst mal paar Großeinkäufe: Ein Autoladegerät für unsere elektronischen Kleingeräte muss her, um unabhängig von Campingplatzsteckdosen zu sein. Auch eine kleine Kühlbox und zwei bequeme Campingstühle finden den Weg in unseren Kofferraum, der sich zudem mit Unmengen an Lebensmittelvorräten füllt. Die Vorteile, die so eine große Ladekapazität hat, sind nicht von der Hand zu weisen und absolut kein Vergleich zu unseren sonst geringen Bevorratungsmöglichkeiten auf den Fahrrädern. Jedoch Anbetracht der hier im Land teils riesigen Entfernungen von einem richtigen Supermarkt zum nächsten von enormen Wert. Wir genießen diesen Luxus und kommen mit vollen Tüten aus den Läden. Leider verdirbt uns die mangelhafte Kühlmöglichkeit etwas den Spaß. Doch letztendlich würden unsere gehamsterten Vorräte ausreichen, um eine ganze Expeditionstruppe versorgen zu können. Kann nun endlich unsere Australientour starten?
Die Richtung für die ersten von vielen Tausenden australischen Kilometer steht schon mal fest, zunächst soll es durch den Süden zur Westküste gehen. Nach drei Tagen heftigem Schwitzen pausiert aber erst mal das Hitzewetter und wir können etwas aufatmen, auch wenn uns der fiese Nieselregen nicht ganz so behagt. Hoffentlich bleibt das nicht so, Regen hatten wir in Neuseeland schon genug.
Es wird endlich Zeit, sich nun mal etwas genauer im Land umzuschauen. Wir passieren das Moss Valley und statten dem Fitzroy Fall, einem der meistbesuchten Highlights des Bundesstaates New South Wales, einen Besuch ab. Vom Visitorcenter und dem Parkplatz braucht man höchstens zwei Minuten bis zur Aussichtsplattform über dem Wasserfall. Unter uns liegt ein urwüchsiges Tal mit fast einhundert Meter hohen, senkrechten Sandsteinfelsen als Begrenzung. Eigentlich eine super Gegend für weiterführende Erkundungen. Doch es gibt nur zwei Pfade über ein paar wenige Kilometer zu bewandern, einer am westlichen und einer am östlichen Canyonrand, zudem hängen die Berge und Täler voller Wolken. Als wir ankommen, können wir noch einen Blick über das gesamte Tal und die Felswände erhaschen. Nach wenigen Minuten ist alles zu und wir können nur noch einen undurchdringlichen grauen Schleier bestaunen. Trotzdem laufen wir einen Teil der beiden Wanderwege ab, jedoch ohne einen weiteren Blick zu bekommen. Alles voller Nebel, nichts mehr zu sehen, nur zu hören ist der Wasserfall noch und der Nieselregen macht es noch ungemütlicher. Es ist Sonntag und einige Ausflügler sind im Gelände unterwegs. Ob wir wüssten, wo der Wasserfall ist? - werden wir gefragt. Klar, immer dem Geräusch nach, dort mitten im Nebel.
Am nächsten Tag geht es durch das Capital Territory, in dem Canberra, die kleine, unscheinbare Hauptstadt Australiens liegt. Sofort nach den letzten Häusern der Stadt fahren wir auf einer kleinen Straße in die Berge und durchfahren den Namadgi Nationalpark. Von Verkehr kann man kaum noch sprechen. Nach einigen Kilometern war aber auch Schluss mit der Asphaltstraße und eine teilweise holprige Schotterpiste nahm ihren Anfang. Nun fahren wir auf einer Piste durch eine Landschaft, was so ziemlich dem Klischee entspricht, wie man sich Australien so vorstellt. Und wir befürchteten zuvor schon, wir wären im falschen Land unterwegs.
Bald erreichen wir den Kosciuszko Nationalpark, dessen schwieriger Name hatte es schon vor einiger Zeit in Mathias Gedächtnis geschafft. Warum? Vielleicht, weil hier der höchste Berg Australiens steht. Über 2000 m hoch mit demselben unaussprechlichem Namen, wie der Park, oder auch, weil dies, die am wenigsten typische australische Region ist - nämlich ein Wintersportgebiet?
An der nun sehr gut ausgebauten, doch wenig befahrenen Straße stehen ständig Schilder mit dem Hinweis auf eine Schneekettenpflicht. Kann man sich im Moment aber kaum vorstellen, dass hier mal richtig Schnee liegen soll. Doch auch die farbigen Markierungsstangen am Straßenrand deuten echt darauf hin und immerhin sind wir hier ein ganzes Stück über tausend Meter hoch.
Nun geht es auf einer kleinen und kurvigen Straße geradewegs durch den Nationalpark. Wir fahren stundenlang durch das dicht bewaldete Berggebiet. Stellenweise raken kahle verkohlte Baumskelette aus grünen Büschen heraus. Hier dürfte wohl ein Waldbrand gewütet haben. Doch das muss schon lange her sein, denn der Erdboden ist schon wieder dicht bewachsen. Es ist kaum Verkehr auf der Straße, eine schöne Strecke, doch leider kommt wieder keine Gelegenheit, um länger zu verweilen und vielleicht etwas herumzulaufen.
Auf unserem Lagerplatz am Abend, einem netten Wiesenfleckchen unter Eukalyptusbäumen, bekommen wir dann endlich das erste Känguru zu sehen (na gut, das zweite, denn eins lag vorher schon am Straßenrand). Es hoppelt einfach so am Zelt vorbei, hält kurz an, bestaunt seinerseits uns und springt weiter seiner Wege. Ja, wir sind tatsächlich in Australien - jetzt glauben wir es wirklich!
Als wir den Nationalpark verlassen, sind wir gleich wieder tausend Meter tiefer und es ist deutlich wärmer. Auch die Sonne ist nun wieder voll präsent. Tagelang folgen wir nun der B 400 und rollen durch eine unglaublich flache und triste Ebene, die meist von endlos großen Feldern beherrscht wird. Dass parallel der Murray River, der größte Fluss Australiens, fließt, bekommt man nur beim Blick auf die Karte mit.
Recht schnell haben wir bemerkt, dass wir für das Aufspüren von geeigneten Campingmöglichkeiten, genau so wie in Neuseeland, auch in Australien die Hilfe einer einschlägigen App brauchen. "CamperMate" hat uns in den letzten Monaten schon viel geholfen und mit neuen Daten funktioniert die auch in Australien bestens. Mit ihrer Hilfe findet man alles, was ein Camperherz begehrt. Nicht nur Übernachtungsplätze, auch Stellen zum Trinkwasser abfüllen, öffentliche Duschen und vieles mehr. Die App wird für uns unentbehrlich. So findet sich nun Abend für Abend, ohne große Sucherei immer wieder das Passende für ein Nachtlager. Mal nahe der Straße auf einem Rastplatz, mal etwas abgelegen und idyllisch an einer Stelle von irgendwelchem Interesse. Somit können wir auch vermeiden, auf, zwar komfortablen, aber teuren und vollen Campingplätzen zwischen Wohnmobilen zu landen und sparen zudem noch eine Menge Geld, denn es gibt im Land unzählige kostenlose Plätze, auch wenn die zwar meist nur ein Toilettenhäuschen und evtl. paar Picknicktische zu bieten haben. Zum Duschen geht es dann eben tagsüber in eine der öffentlichen Duschen, an Raststellen, Touristeninformationen oder Picknickplätzen in Orten. Australien macht uns diesbezüglich das Reisen wirklich leicht. Wildzelten ist kaum nötig und zudem mit Auto auch um vieles komplizierter, als mit Rad. Denn nun können wir nicht einfach mal schnell irgendwo im Gelände verschwinden.
Dennoch tun wir uns anfangs schwer mit dem neuen Reisealltag. Schnell ist so ein Tag um, wir steigen am Abend aus dem Auto und haben das Gefühl, den ganzen Tag nichts gemacht zu haben. Viel zu schnell rast das Land an uns vorbei und Tausende schöne Ausblicke und Fotomotive bleiben uns nur als kurze Wahrnehmung. Schnell wünscht man sich dann, wie mit dem Fahrrad, mal eben kurz zur Seite fahren zu können und anzuhalten. Doch dann kommt auch der Moment: wenn es eine Ewigkeit durch triste Landschaft geht, die Sonne unbarmherzig auf die Straße knallt und ein böiger Wind Sand aufwirbelt, dass wir froh sind, nun Motorkraft und eine Klimaanlage zur Verfügung zu haben.
Auf unserem Weg nach Adelaide, biegen wir zum Murray-Sunset Nationalpark ab, weil es dort neben einer Campmöglichkeit auch zwei Seen geben soll. Irgendwie hatten wir vor unserem inneren Auge da zwei blaue Flecken mit frischem Wasser inmitten der verdörrten Gegend. Doch in Wirklichkeit erwarten uns nur zwei große weiße ausgetrocknete Salzflächen. Wir fahren eine kurze Runde durch den zu dieser Jahreszeit verwaisten Park. Bis in die 80-ziger Jahre wurde hier Salz abgebaut und nun gibt es noch ein paar liegen gebliebene Arbeitsgeräte zu bestaunen und Berge mit Hunderten von Tonnen aus purem Salz. Zwischen den Büschen springen immer mal wieder erschrocken Kängurus hervor - es kommen momentan nur wenige Besucher in ihr Revier. Sieht irgendwie unbeholfen aus, wie sie da so herumhoppeln.
Wir suchen vor der sengenden Hitze Schutz an einer überdachten Bank auf der großen Picknickanlage. Doch darauf hatte die große australische Plage nur gewartet, erstmals fallen Tausende Fliegen über uns her und wir haben kaum eine Chance zur Abwehr. In dichten Schwärmen belagern sie uns und versuchen penetrant in Augen, Ohren, Nase oder Mund zu gelangen. Wir sind fast am Verzweifeln und beschließen: so schnell, wie möglich Fliegennetze zu besorgen. Wenigstens halten die Biester einen geregelten Nachtschlaf, denn bei Sonnenuntergang ist der Spuk, wie auf Knopfdruck, vorbei. Nun haben wir wenigstens noch kurz Muse, um die in der Abenddämmerung rosa gefärbten Salzflächen zu begutachten - daher also der Name: Pink Lake.
Nach einer viel zu warmen und wenig erholsamen Nacht weichen wir am nächsten Morgen der neuen Angriffswelle der offensichtlich viel ausgeruhteren Fliegen feige aus und flüchten zum Frühstück in den nächsten Ort. Fast jedes Örtchen hat hier eine kleine Parkanlage mit Grillmöglichkeiten, Trinkwasserspendern und Toiletten. Für uns gute Möglichkeiten, um in Ruhe Pausen zu machen, denn in die Ortschaften trauen sich erstaunlicherweise die Fliegen kaum hinein. Ab und zu gibt es dort auch noch Duschmöglichkeiten, was natürlich solchen Outdoornomaden, wie uns, total entgegenkommt.
Mit Adelaide erreichen wir die letzte wirklich große Stadt vor der großen Ödnis in Südaustralien, der Nullarbor Plain. Bei einem letzten Großeinkauf gelangt dann noch einen Vorrat an Bier in unser Auto. Bier ist hier im Land, obwohl sehr beliebt, nicht unbedingt günstig. Doch in Großpackungen mit bis zu 30 Büchsen ist der Preis von unter 50 $ (ca. 1,50 €/halben Liter) noch erträglich.
Eine erste Kostprobe des dank unserer Eisbox gut gekühlten Biers am Abend wird abermals von einer Fliegeninvasion gestört, denn es ist uns noch nicht gelungen, ein paar rettende Netze zu erstehen.
Es wird von Tag zu Tag heißer und nach der ersten Woche in Australien erreichen die Temperaturen Rekordwerte, die es sogar in die deutsche Tagesschau schaffen. 50 °C! - im Schatten! Nein, wir wollen nicht schon wieder über das Wetter jammern - wir haben es ja gerne etwas wärmer - aber das ist nun wirklich etwas zu viel. Obwohl: ob nun 45 oder 50 °C - da ist eigentlich kaum noch ein Unterschied zu spüren - es ist einfach nur irre heiß.
In dem kleinen Hafenort Port Pirie finden wir eine Badebucht, in der schon am frühen Morgen einige Anwohner vorbei kommen, um baden zu gehen. Selbst Kinder lässt man hier im Wasser herumtollen, also trauen auch wir uns und holen uns eine Abkühlung in dem allerdings nicht wirklich kühlen Wasser. Ansonsten haben wir ja eigentlich einen Heidenrespekt vor dem Unbill, das hier im Wasser lauern könnte - und dabei sieht es von Weitem so verlockend und unschuldig aus.
Doch erst mal ist die größere für uns sichtbare Gefahr in der Luft zu finden und so sind wir unendlich erleichtert, als wir dann endlich die zwei so heiß ersehnten Fliegennetze zwischen die Finger bekommen. Sie liegen in einem kleinen Outdoorladen gleich neben der Kasse bereit. Die Verkäuferin lacht, als wir uns über das Angebotene so sehr freuen, und macht uns vor, wie die typische Handbewegung eines Australiers aussieht, indem sie mit der Hand vor dem Gesicht herumwedelt. Gibt es eigentlich eine vergleichende Statistik über den Verschleiß der Handgelenke der australischen Bevölkerung im Gegensatz zu anderen Ländern?
Am Ende dieses besonders heißen Tages suchen wir uns einen Lagerplatz direkt an der Küste des Spencer Gulf, einer großen Bucht. Bis zur Fitzgerald Bay ist es zwar eine 25 Kilometer lange Anfahrt (mit Fahrrad hätten wir das nie auf uns genommen), aber egal, wir hoffen auf eine erfrischende Seebrise für die Nacht. Als bei der Ankunft die erste Fliegenattacke heranstürmt, stülpen wir uns stolz und überlegen unsere neu erworbenen Netze über und grinsen die Fliegen hämisch durch die Gaze an. Gewonnen! Doch das scheint die Viecher nicht sehr zu beeindrucken, denn sie geben nicht auf uns weiter zu belagern und hin und wieder schafft es doch eine sich hineinzumogeln. Dennoch sind wir erleichtert, auch wenn die Nahrungsaufnahme nunmehr etwas erschwert ist.
Der Strandbereich ist ungewohnt gut besucht, hatten wir doch bisher die meisten Plätze für uns allein, doch kommt man sich nicht sehr ins Gehege. Nur das laufende Aggregat eines Nachbarn mit Wohnmobil stört etwas. Ja, wir hätten ja auch gern ein schön gekühltes Zelt, vor allem in der Nacht macht uns die Hitze zu schaffen. Der Erdboden hat sich am Tag so sehr erwärmt, dass er im Zelt wie eine Bodenheizung fungiert. Eigentlich eine schöne Sache die natürlichen Energieressourcen so auszuschöpfen, allerdings bei dieser Wetterlage äußerst unangebracht und reine Schikane. Dummerweise waren die Konstrukteure unseres Zeltes auch noch der Meinung, etwas an der inneren Fliegengaze zu sparen und das wenige, was verarbeitet wurde, hat man auch noch ausgerechnet im oberen Bereich angebracht und unten nur dichtes Gewebe verwendet, sodass es einem am Boden Liegenden nicht wirklich nützt und im Sitzen zu schlafen auch nicht wirklich eine Alternative ist.
Wir sind auf diese Tour mit einem nagelneuen Modell der Firma VauDe gestartet - schon das Dritte von dieser Marke. Da die Vorgänger allesamt an beiden Eingängen schöne durchgehende Fliegennetze hatten, haben wir beim Neukauf mit dieser unsinnigen Veränderung einfach nicht gerechnet. Und so liegen wir nun schlaflos und schweißtropfend auf unseren Matten, ohne dass uns ein erleichternter Lufthauch erreicht. Die Eingänge offen lassen ist auch schlecht möglich, wurden wir doch erst in der Abenddämmerung, als nur wenig entfernt von unseren Füßen sich eine recht beeindruckende Schlange vorbeibewegte, massive daran erinnert, was hier alles so, evtl. auch giftiges, herumkreuchen und -fleuchen kann. Ab und zu reißen wir dann aber doch entnervt und nach Frischluft lechzend die Reißverschlüsse auf und werden dann aber schon bald von herumkrabbelten Kleingetier eines besseren belehrt. Was wollen die nur hier drin, wir würden nicht freiwillig die Nacht in so einer Sauna verbringen wollen. Später in der Nacht wird dann der für uns so nutzlose Wind auch noch so stark, dass wir noch mal komplett mit Auto und Zelt hinter schützende Büsche umziehen müssen, um nicht wegzufliegen. Von "Gute Nacht" kann da wirklich nicht die Rede sein. Doch es ist Abkühlung angekündigt.
Der neue Tag ist dann tatsächlich viel kühler als die vorhergegangenen. Nur noch bis 35 °C!
Weiter geht es auf dem Eyre Highway Richtung Westen, vorbei an Iron Knob, einer großen Eisenerzmine. Ansonsten prägen endlos erscheinende riesige Felder die Gegend. Die Ernte ist vorbei, nur noch gelbe vertrocknete Stoppeln sind übrig zwischen denen hier und da paar Tiere weiden. Die winzigen Nester zwischendurch werden meist durch große hässliche Silotürme für das Getreide angekündigt.
Der kleine Ort Kimba verkündet, dass man nunmehr die Hälfte der Strecke zwischen Ost- und Westküste erreicht hat. Na, das ist ja schon mal was.
Am Abend finden wir dann etwas abseits des Highways einen ganz besonders schönen Übernachtungsplatz. Erst kurz davor sehen wir einen Felsen aus der flachen Landschaft aufragen. Der Pildappa Rock bei Minnipa ist ein sogenannter "Wave Rock". Was das bedeutet wird uns schon auf den ersten Blick klar. Witterung und Erosion hatten hier die Seite eines Granitfelsens so abgeschliffen, dass der Eindruck einer riesengroßen, kurz vorm Umschlagen stehenden Welle entsteht. Etwas weiter drüben im Westen soll es einen gleichartigen größeren und berühmteren Felsen geben. Doch diesen abgelegenen schönen Fleck hier haben wir fast ganz für uns allein. Man kann mühelos den Felsen besteigen, auch wenn der Ausblick auf das endlose flache Farmland nicht so bewegend ist. Inmitten dessen hat man rund um den Felsen jedoch die originale Buschvegetation belassen, in der gepicknickt und übernachtet werden darf. Ein echt schöner Platz und da die Temperaturen auch mal wieder sehr erträglich sind, können wir den Abend voll genießen.
Am nächsten Tag erreichen wir den letzten wirklich nennenswerten Ort vor Beginn der Nullabor Wüste. Bei Ceduna findet sich unerwartet sogar noch eine Tankstelle mit wahnsinnig günstigen Preisen. So stopfen wir unseren Tank noch mal randvoll, denn in der großen Einsamkeit wird es mit Tankstellen nicht mehr so gut bestückt sein und die wenigen lassen sich ihre Einzigartigkeit dann sicher auch gut bezahlen. Ein letzter Stopp in einem größeren Supermarkt und dann geht es ab ins Outback.
Doch erst mal ändert sich nicht viel. Erst allmählich werden die Felder weniger und es macht sich typisches Buschland breit. Statt der erwarteten Ebene folgen immer wieder kleine Anstiege. Ein Schild kündigt den Beginn der Nullarbor Plain an. Fast schlagartig verschwinden alle Büsche und Bäume. Bis zum Horizont nur noch irgendwelche niedrige Pflanzen.
Mitten in diesem Nichts befindet sich die Grenze zwischen den Territorien von Süd- und Westaustralien. Deren Bedeutung haben wir jedoch unwissend nicht genug Beachtung geschenkt, dabei hätten wir es ahnen können, denn schon beim Überfahren der Grenze von New South Wales nach Südaustralien gab es eine Quarantänekontrolle. Es ist scheinbar in Australien streng verboten frische landwirtschaftliche Produkte und Ähnliches von einem Bundesstaat in den nächsten mitzunehmen. Diese erste Kontrolle war aber damals sehr oberflächlich und gegen unsere Möhrchen hatte man nichts einzuwenden. Irgendwie haben wir aber diesmal schon vorher das Gefühl, nicht so ungeschoren davon zu kommen. Gehören eigentlich Eier, Käse und Honig auch zum Unerwünschten? Tatsächlich geraten wir an eine sehr diensteifrige junge Frau, die es mit der Kontrolle sehr genau nimmt. Auf die erste Frage zeigen wir gleich brav unsere Möhren und Kartoffeln. Möhren sind o. k., der große Sack Kartoffeln aber nicht. Das soll einer verstehen, ist doch alles in australischer Erde gewachsen. Etwas anderes aber wird beanstandet, an das wir nie gedacht hätten: Man bemängelt unsere Bananenkisten, die uns zur etwas geordneten Aufbewahrung im Kofferraum dienen. Wohlgemerkt, es handelt sich hierbei um Verpackungen von australischen Bananen! Uns fährt ein kleiner Schreck durch die Glieder: Wohin nur mit dem ganzen Gerassel. Doch wir werden netterweise sofort mit Ersatzkisten versorgt, und während wir etwas abseits der Kontrolle alles neu verladen, kochen wir gleich noch die Kartoffeln, denn so darf man sie mitführen. Während des Umladens rutscht dann unabsichtlich unser verbotener Honig hinter die Rückbank - upps. So kommen wir nach der weiteren akribischen Kontrolle mit dem Verlust eines halben Sacks Kartoffeln dann endlich durch. So ein Stress unter der heißen Wüstensonne aber auch.
Insgesamt 5 Tage geht es nun immer parallel zur Südküste durch eine einsame Landschaft. Hin und wieder biegen ein paar Abstecher zu Aussichtspunkten an die Küste ab. Da steht man dann fast 100 m über dem Meer und sieht von Ost nach West eine unendliche Steilküste an dessen Fuß das Meer braust. Beeindruckend. Es gibt einige offizielle und gut markierte Zugänge, die dann auch sorgfältig abgesperrt sind, damit auch ja niemand herunter fallen kann. Zwischendurch befinden sich aber auch unzählige weitere Pisten, die zur Abbruchkante führen, wo man oft auch übernachten könnte. Bei dem heftigen Wind, der hier weht jedoch nicht für uns geeignet. Zudem würde sich auch keinerlei Schatten finden und ohne dem ist es einfach nicht lange auszuhalten.
So suchen wir uns für die Nächte etwas geschütztere Orte aus, wo wir viele schöne Sonnenuntergänge und sternenübersäte Nachthimmel bestaunen können.
Auf dem Highway ist nicht viel los. Ein paar der berühmten Road Trains, die überlangen Lastwagen, kommen uns entgegen, doch die richtig langen sind noch nicht dabei. Einem Radfahrer begegnen wir in dieser Einöde. Der Armen, in dieser Hitze und noch dazu der ständige Wind. Wir möchten nicht tauschen. Gern hätten wir gestoppt und ihn vielleicht mit etwas Flüssigem versorgt, aber das Zusammentreffen geschieht in der unmittelbaren Nähe einer Raststelle.
Die einzige Abwechslung in der nur von trockenen Büschen bestandenen Gegend ist ein leichtes Auf und Ab und die regelmäßig aufgestellten Schilder am Straßenrand, die nicht nur vor allerlei Getier warnen, sondern auch raten: Nicht übermüdet zu fahren!, Die Fahrt zu überleben!, Mal eine Pause zu machen!
Etwa alle 200 km folgt zur Abwechslung ein Roadhouse. Diese Anlagen gibt es im Land regelmäßig und gut verteilt, überall dort, wo ansonsten keinerlei richtige Siedlungen sind. Man kann tanken, auf einem Stellplatz oder in einem Motel übernachten, einkehren und auch Waschräume und Duschen benutzen. Das Angebot an Lebensmitteln ist aber meist sehr karg und beschränkt sich eher auf Snacks u. Ä. Wir haben ja zum Glück ein gutes Warenlager an Bord dabei. Müssen also nur das Auto füttern und für Trinkwassernachschub sorgen. Manche der Roadhouses sind recht frequentiert, andere wirken eher sehr verwaist und mit Wüstenfeeling und die Abgeschiedenheit hat natürlich seinen Preis. So kostet hier das Benzin fast 60 % mehr, als normalerweise.
Am Cocklebiddy Roadhouse verkündet man, dass in dessen Umkreis 8 Menschen leben, 25 Wellensittiche (in einer Voliere), 7 Wachteln, 1 Hund und 1 234 567 ! Kängurus. Die letztere Zahl könnte in etwa hinkommen, dürfte aber stark schwanken. Hoppeln sehen zwar wir nicht eines, allerdings ist zeitweise die Straße gesäumt von extrem zahlreichen Unfallopfern ihrer Art.
Das Caiguna Roadhouse liegt am Beginn der längsten schnurgeraden Straße Australiens. Mathias hat es überprüft: Über 145 Kilometer gibt es nicht die kleinste Abweichung. Das wäre, wie eine Fahrt von Dresden nach Prag - immer Schnurgeradeaus - ohne dass eine Lenkbewegung nötig wäre. Der erste folgende kleine Schlenker wird dann aber auch vorsichtshalber und enthusiastisch wieder mit einem Schild angekündigt.
Es ist nur noch ein Katzen-, oder besser: Kängurusprung und wir erreichen in Norseman das westliche Ende der Nullarbor Plain und seit Tagen wieder mal ein richtiger Ort. Nun haben wir also unsere erste australische Outback Erfahrung hinter uns - 1200 km - mit dem Auto ja nun nicht wirklich eine starke Herausforderung - und auch die vielen gekochten Kartoffeln sind nun endlich aufgegessen.
Der erste Anlaufpunkt in den größeren Orten ist schon seit Beginn der Down Under Tour stets die Touristeninformationsstelle, denn da wir hier ohne viel Vorbereitung, geschweige denn einem Reiseführer unterwegs sind, sind wir auf alle möglichen verfügbaren Informationen angewiesen. Die Zentren sind dann meistens auch gut bestückt und wir verlassen sie stets mit den Händen voll neuer Broschüren und Karten über die jeweilige Region - was für eine Papierverschwendung - lässt sich aber nun mal nicht ändern.
Nachdem alles weitere Nötige erledigt und auch die Eisbox wieder gut gefüllt ist, liegt ein neuer Reiseabschnitt vor uns. Der direkte Weg Richtung Perth führt nur über eine Naturpiste. Will man auf Asphalt bleiben muss man ein ganzes Stück nach Süden oder Norden ausweichen. Für uns ist Piste aber total o. k., denn die Road ist als Touriroute hergerichtet. An dem 300 Kilometer langen "Granite and Woodland Track" sind einige Points of Interest eingerichtet, um es uns Touris interessanter zu machen.
So geht es quer durch einen See - einem trockenen Salzsee, und dann weiter durch das riesengroße Gebiet der Woodlands. Dieser Wald besteht hauptsächlich aus Eukalyptusbäumen, ein totaler Kontrast zur Vegetation der vorherigen Tage. Es gibt große Felsblöcke zwischendurch, die besondere Attraktionen darstellen, wie auch den Disappointment Rock. Hier verbringen wir die Nacht, ehe wir am folgenden noch etwas kühleren Morgen auf Entdeckungstour gehen und einem etwa zwei Kilometer langen Lehrpfad zu folgen. Nichts Aufregendes, doch die kleinen Schilder machen einen auf viele kleine Besonderheiten des Gesteins oder der Natur aufmerksam, die man sonst übersehen hätte und vom Gipfel hat man eine schöne Aussicht. Eine nette Abwechslung nach den vielen Stunden im Auto. Beim McDermid Rock laufen wir noch mal einen ähnlichen Lehrpfad ab und passieren einen weiteren Salzsee. Gegen Mittag machen wir Pause bei den "The Breakaways". Hier hatte sich in der flachen Landschaft eine hübsche rötliche Felswand gebildet, was eine schöne Kulisse für ein Camp abgibt und dieser Einladung können wir natürlich nicht widerstehen.
Der Ort Hyden markiert das Ende des Tracks und ab nun ist man wieder auf Asphalt unterwegs. Hier gibt es die echte touristische Wave Rock zu bestaunen. 300 km von Perth entfernt, wird sie in Prospekten, als Tagesausflug angepriesen - verrückt die Australier. Wir verzichten auf den Touristenrummel, haben wir doch unsere eigene idyllische Steinwelle schon vor ein paar Tagen genießen können.
Am ersten Februartag erreichen wir Perth, die größte Stadt an der Westküste und haben nach etwa 5000 Kilometer den ersten Abschnitt unserer Australien-Rundreise abgeschlossen.