17. - 27. November 2018
Whanganui - Palmerston North - Masterton - Wellington - Picton
Geradelte Strecke: 342 km (Insgesamt 1411 km)
Wanganui liegt an der Tasmansee in einer langen Bucht an der südöstlichen Küste der Nordinsel, die sich bis hinunter nach Wellington erstreckt. Die Stadt ist mit ihren knapp 40 000 Einwohnern gerade mal so groß wie Pirna, zählt aber in dem spärlich besiedelten Neuseeland zu den wenigen größeren Ortschaften. Whanganui bedeutet in der Maorisprache „großer Fluss“, und die Stadt heißt somit, wie auch der sehr treffend benannte gleichnamige Strom der Region, dem wir die Tage zuvor aus dem bergigen Innland bis hierher gefolgt sind.
Unser Hostel wird von einer deutschen Familie betrieben, die sich vor einigen Jahren hier niedergelassen hat. Auch hier tummeln sich Backpacker, aller Nationen, die in der großen Küche zusammentreffen und dann wird gekocht und gebraten, was die internationale Küche so zu bieten hat. Schon erstaunlich, was die Jugend da so für Kreativität zeigt. Als wir in dem Alter waren, haben wir uns unterwegs nur von Tütensuppen ernährt.
Wir machen uns paar faule Tage und entspannen, bevor es nun weiter in den Südzipfel der Nordinsel zur neuseeländischen Hauptstadt Wellington geht. Die kürzeste Verbindung auf dem Highway 1 ist keine 200 km weit. Doch diese wichtige und viel benutzte Verkehrsverbindung des Landes ist natürlich nichts für uns. Unser Weg über Nebenstraßen wird entschieden länger, aber hoffentlich auch ruhiger, sein.
Wir verlassen Wanganui, indem wir über den Durie Hill, einen über der Stadt liegenden Hügel fahren. Um die dort oben befindliche Siedlung von der Stadt her besser erreichen zu können, hat man vor 100 Jahren einen Aufzug direkt in den Hügel gebaut, zu dem ein langer Fußgängertunnel führt, dessen Eingang ein geschnitztes Maoritor bildet. Da der Aufzug auch Fahrräder transportiert, wollen wir uns den Spaß gönnen und uns um den ersten Anstieg des Tages mogeln. Doch daraus wird leider nichts: Wegen Wartungsarbeiten geschlossen! Also müssen wir doch mit eigener Muskelkraft hinauf. Von der Spitze des Hügels bietet sich dann noch mal ein herrlicher Rundblick auf Wanganui und den Fluss, wie er in einem Bogen aus dem bergigen Hinterland in die Tasmansee mündet.
Wir schaffen noch einige Kilometer an dem Tag und erreichen am Nachmittag Palmerston North, mal eine wirklich große Stadt hier im Land. Auf dem nahen Campingplatz sind wir gezwungen einen Stellplatz mit Stromanschluss zu beziehen, obwohl wir ganz offensichtlich mit unserem kleinen Zelt diesen Komfort überhaupt nicht in Anspruch nehmen können. Das ist in unseren Augen nicht sehr gastfreundlich, der blanke Wucher und eigentlich auch unüblich. Zudem ist der Platz auch sonst nicht zeltfreundlich. Ein ungeschütztes Fleckchen Wiese wird uns zugewiesen, sodass wir am Nachmittag zunächst in der herunterknallenden Sonne brüten und uns am Abend vor heftigen Regenschauern in die Küchenräume retten müssen. Dafür benutzen wir die warmen Duschen ausgiebiger, als nötig, denn schließlich haben wir ja viel Geld für Strom bezahlt.
Die in den vorherigen Tagen recht freundliche und vor allem beständige Wetterlage scheint vorbei. Nun hat uns das typische Neuseelandwetter wieder. Wenn man die verschiedenen Wettervorhersageseiten im Internet durchstöbert, bekommt man die unterschiedlichsten Ansagen gemacht, die sich krass unterscheiden können. So kommt es, dass die einen viele Stunden Sonne ansagen und die anderen eine dicke Wolkendecke und 90%ige Regenwahrscheinlichkeit - und das für ein und den selben Tag. Meteorologe in Neuseeland ist bestimmt ein sehr riskanter Job - wahrscheinlich können die nur mit Personenschutz aus dem Haus!? Aber eines muss man ihnen lassen: Zumindest einer von ihnen hat bestimmt recht - nur hilft uns das nicht weiter. Wir nehmen uns x-mal vor, nicht mehr nachzuschauen - tun es aber doch wieder.
Zunächst locken uns an den folgenden Tagen am Morgen noch zaghafte Sonnenstrahlen aus dem Zelt und wir starten ausgerüstet mit Lichtschutzfaktor 50 in den Tag, um wenig später im Regen zu stehen, jetzt mit Spaßfaktor 0. Von Tag zu Tag verschiebt sich die Tendenz immer mehr zu Letzterem und nicht nur das Wetter-, auch unser Stimmungsbarometer fällt immer mehr.
Auf unserer Weiterfahrt liegt der kleine Ort Eketahuna am Wegesrand. Auf dem Highway 2 donnern die Laster mitten hindurch. Nicht unbedingt idyllisch. Eine Information, dass es hier einen kleinen Campingplatz geben soll, lässt uns diesem Fleckchen Erde aber etwas mehr Beachtung schenken. Erstaunt stellen wir fest, dass man in dem kleinen Dorf scheinbar sehr engagiert ist, um auch einen kleinen Teil vom großen Touristenkuchen abzubekommen. Riesige und kleine Kiwistatuen weisen darauf hin, dass man sich hier im Real Kiwi Country - im echten Kiwiland - befindet. Es gibt Touristeninformationen und kleine Ausstellungen. Leider ist der einzige Lebensmittelladen nicht sehr ergiebig und wie die meisten ländlichen Läden auch sehr preisintensiv.
Wir fahren zu besagtem Campingplatz und sind angenehm überrascht: in einem kleinen Park gelegen, einfach, aber mit allen Annehmlichkeiten und noch dazu für wenig Geld. Das Idyll muss sich herumgesprochen haben, denn am Abend trudeln einige Reisende ein - natürlich alle motorisiert. Etwas trösten tut es uns dann schon, als beim abendlichen Erfahrungsaustausch mit den anderen Gästen spürbar wird, dass auch sie von dem Wetter hier genervt sind. Und dabei haben sie, im Unterschied zu uns, ja doch immer ein schützendes Autodach in der Nähe.
Es fällt uns nicht schwer, als wir am folgenden Morgen mal wieder vom Getröpfel aufs Zeltdach geweckt werden, einfach in den Schlafsäcken liegen zu bleiben, um einen weiteren Tag auf den Platz zu verbringen. Ein nettes Plätzchen, auch wenn es keine geflügelten Kiwis zu sehen gab.
Wir passieren Masterton, das Zentrum ist üppig mit Weihnachtsdeko geschmückt. Ach ja, das Weihnachtsfest rückt immer näher, könnte man sonst glatt bei dem Aprilwetter vergessen! Bei unseren Stopps werden wir oft angesprochen. Meist sind die Reaktionen sehr ehrfürchtig angesichts unserer Leistung hier mit dem Rad herumzureisen. Oft werden wir auch vor dem Verkehr gewarnt - als ob wir das nicht selber spüren würden. Aber dennoch: nett gemeint.
Natürlich kommt man auch immer wieder aufs Wetter zu sprechen. Doch die Einstellung der Neuseeländer dazu ist schon merkwürdig. Ist der Moment gerade mal herrlich sonnig und warm, also ganz nach unserem Geschmack, werden wir bedauert in dieser Hitze uns abmühen zu müssen und vertröstet, dass aber Regen angesagt ist und es dann wieder etwas angenehmer werden wird. - Na toll, genau das wollen wir nicht hören. Auch verwundert uns, dass man den Eindruck bekommt, das die Einheimischen scheinbar von Regenschauern immer wieder überrascht zu scheinen sein. Während wir mit Regenklamotten ausgerüstet unter dem Dach eines Supermarktes mal wieder einen Wolkenbruch abwarten, sieht man die übrigen Kunden in hochsommerlichen Outfits: kurzen Hosen, ärmellosen Shirts und Sandalen hektisch über den Parkplatz flüchten - so als wäre damit überhaupt nicht zu rechnen gewesen.
Nach einer Nacht auf einer weiteren hübsch angelegten ruhigen Campingmöglichkeit bei Featherston erwartet uns der nächste Fahrradtrail. Ein kleines Eisenbahnmuseum im Ort lässt schon vermuten, dass auch dieser wieder auf einer stillgelegten Bahntrasse verläuft. Und so ist es auch.
Es geht mitten durch das Rimutaka Gebirge, dem südlichsten der Nordinsel, über dessen Kamm man Ende des 19. Jahrhunderts eine Eisenbahnstrecke errichtet hat. Der spätere Bau eines Eisenbahntunnels hat jedoch zu dessen Stilllegung geführt und so ist der ehemalige Bahndamm heute eine beliebte Mountainbike-Strecke und der umgebende große Rimutaka Forest Park besonders für die Bevölkerung des nahen Wellingtons ein beliebtes Naherholungs- und Wandergebiet.
Der Rimutaka Trail ähnelt den bisher gefahrenen Trails sehr. Zunächst windet sich ein schmaler Pfad auf und ab durch dichten Busch. Dann stoßen wir auf den Bahndamm und folgen ihm entlang von Berghängen stetig hinauf. Es gibt wieder viele informative Schilder am Wegesrand. Drei Tunnel müssen durchfahren werden (der längste fast 600 m lang), kleine Brücken überspannen Flüsse und an einem weggespülten Bahndamm geht es dann auch mal steil hinunter an ein Flussbett und wieder hinauf.
Die Hügel um uns herum sind dicht bewaldet. Ein seltener Anblick, in dem so häufig weite gerodete Weideflächen das Bild dominieren. Auf einigen Schildern wird erwähnt, dass die kohlebetriebenen Loks jedoch viele verheerende Waldbrände in dem Gebiet ausgelöst haben. Nun scheint sich aber die Natur wieder zu erholen.
350 Meter höher haben wir den höchsten Punkt der Strecke erreicht, die Summityards (Gipfelhöfe). Die Station wurde benutzt, um die Züge neu anzuordnen, um nach dem Anstieg das folgende Gefälle besser bewältigen zu können.
Es gibt eine kleine Schutzhütte und einen weitläufigen Picknickplatz sowie die Überreste einiger Lokomotiven und der ehemaligen Drehscheibe zu sehen. Die Umgebung ist gleichzeitig mit dem Bau der Trasse weiträumig etwas eingeebnet worden, um der Anlage und den hier wohnenden Angestellten mehr Platz zu bieten. Somit findet sich auch für uns ein Plätzchen für das Nachtlager.
Am folgenden Tag rollen wir fast 10 km wieder ganz gemächlich bergab. Eine Fortsetzung des Radweges, der Hutt River Trail führt geradewegs an den Hafen von Wellington - wie praktisch, aber bis dahin sind es noch einige Kilometer. In der Nähe von Ortschaften geht es schon mal sehr komfortabel auf asphaltierten Wegen dahin, dann wieder auf engen Pfaden und auch mal auf dem Seitenstreifen eines Highways. Ein weiterer Regentag im Zelt bremst uns vor den Toren Wellingtons abermals aus. Es regnet ununterbrochen und zum ersten Mal bekommen wir auch den in der Region berüchtigten Wind zu spüren. Nicht umsonst hat Wellington den Beinamen: Windy Welly.
Da sich in Wellington keine passende Unterkunft im Internet findet und wir bei dem hiesigen Wetter auch null Bock auf Sightseeing haben, buchen wir stattdessen die Fährüberfahrt auf die Südinsel für den folgenden Tag.
Wir sind ja nun wirklich schon viel gewöhnt, doch was wir am kommenden Morgen für Wettereskapaden erdulden müssen, ist dann wirklich eine starke Zumutung: Da die Abfahrt 9:00 Uhr ist, sind wir gezwungen, mal zu ungewohnter Zeit aufzubrechen - nämlich schon 6:00 Uhr. Das ist zwar nicht wirklich schlimm, hell ist es um diese Zeit auch schon, allerdings ...
Wir müssen unser Lager im strömenden Regen zusammenpacken. Die folgenden 2 Stunden kämpfen wir uns 20 km durch heftigste Sturmböen. Den größten Teil der Strecke geht es entlang der Küste - zum Glück auf einem eigenen Radweg. Auf der einen Seite das düstere aufgewühlte Meer und auf der anderen der zur Morgenstunde reichlich befahrene Highway ins Stadtzentrum. Schon bald sind wir nass, bis auf die Haut. Der Regen peitscht uns entgegen und der Wind bauscht die Regencaps so auf, dass sie uns um die Ohren schlagen und ihren Zweck nicht mehr erfüllen. Nichtmal als Segel können sie dienen, denn natürlich pfeift der Wind von überallher, nur nicht von hinten.
Triefend vor Nässe und total geschafft erreichen wir den Hafen. Dort ist das Check-in in vollem Gange. Wie auf einem Flughafen, müssen alle Passagiere die zu Fuß auf die andere Insel übersetzen - und das sind nicht wenige - ihr Gepäck abgeben. Schon bald dürfen sie an Bord, während wir, wie nasse Lämmer auf der Weide, mit unseren Rädern an einem Nebenausgang auf unsere Abholung warten müssen. Und das dauert. Man beginnt schon das Terminal zu reinigen, ehe sich endlich auch für uns jemand findet. Doch das wichtige Gehabe ist eigentlich überflüssig, denn man zeigt uns eigentlich nur den Weg und dort wo auch die Autos auffahren sind wir dann uns selbst überlassen. Das hätten wir auch ohne Hilfe geschafft.
Auf dem Schiff stellt man sich auch bissel unklar an. Jeder schickt uns in eine andere Ecke des Fahrzeugdecks und letzten Endes kommen die Räder dann doch gleich neben dem Eingang an ein paar Fahrradständer. Man könnt denken, dass nur selten Radler mitfahren - kann ja aber nicht sein.
Schon bald legt das Schiff ab - nach 5 Wochen und 1400 km verlassen wir die Nordinsel. Bye, bye! Wir kommen ja noch mal wieder, aber erst nächstes Jahr auf unserer Rückfahrt nach Auckland - und erst wenn hier die Sonne wieder scheint!
An Deck ist alles voll, doch finden wir in einer Ecke noch zwei leere Sessel und hinterlassen, patschnass, wie wir sind, natürlich sofort Spuren.
Sogleich beginnt es zunehmend zu schaukeln. Kein Wunder, bei dem Sturm draußen. Es wird einem zunehmend unwohler und das eben erst eingenommene verspätete Frühstück will gern wieder nach draußen. Auch andere Passagiere werden blass um die Nase. Ein paar Betreuer gehen herum und erkundigen sich nach dem Befinden und verteilen diskret Tüten - nein, nicht mit Naschwerk, sondern leere. Mit gutem Zureden gelingt es uns unsere Mägen zu beruhigen und nach 2 Stunden ist auch endlich Land in Sicht. Doch es dauert noch eine weitere Stunde ehe sich das Schiff durch Buchten und Inseln zum Hafen in Picton durchgeschlängelt hat. Jedoch hat nun der Wind nicht mehr so viel Einfluss und die See wird ruhiger.
In Picton dürfen wir dann mit als eine der Ersten von Bord. Wie schön: Der Regen macht Mittagspause und wir erreichen ungeschoren den nahen Zeltplatz. Nach dem stressigen Tag haben wir kein Bock auf ein feuchtes Zelt und mieten stattdessen eine kleine Hütte. Wir müssen dem Angestellten einen bedürftigen Anblick bieten, denn er übergibt uns nach kurzem Überlegen einen Schlüssel für eine schöne große Hütte mit eigener kleinen Küche, obwohl wir die viel bescheidenere und günstigere Variante gewählt hatten.
Die Südinsel ist für ihr weniger freundliches Wetter bekannt, somit haben wir mit unserer Flucht von der Nordinsel auch wirklich nicht mit einer Verbesserung gerechnet - doch etwas Hoffnung hatten wir schon. Leider vergeblich: wir sitzen mal wieder einen Regentag fest, diesmal mit festem Dach über dem Kopf in unserer gemütlichen Hütte.
Weitere Erkundungen des Ortes fallen also aus. Der ist ohnehin sehr überschaubar, was wir schon bei der Ankunft feststellen konnten. Ohne seinen Fährhafen, der die wichtigste Verbindung zwischen den beiden neuseeländischen Hauptinseln ist, wäre er der Ort kaum erwähnenswert. Der gesamte Personenkraftverkehr und jeglicher Gütertransport, ob nun per Lastkraftwagen oder per Eisenbahn werden über die Fährverbindung zwischen Picton und Wellington abgewickelt. Im Ortszentrum gibt es die üblichen Touristenläden und jede Menge Unterkünfte.
Ringsherum hohe Berge - voller grauer Wolken.
Willkommen auf der Südinsel!