19. Dezember 2018 - 15. Januar 2019
Wanaka - Alexandra - Ranfurly - Omarama - Twizel - Geraldine - Christchurch
Geradelte Strecke: 899 km (Insgesamt 3303 km)
Wir fühlen uns wohl in unserer kleinen Hütte auf dem Campingplatz in Wanaka und können so ein paar Regentage in Ruhe aussitzen. Während einer sonnigen Pause wandern wir auf einen der umliegenden Hügel hinauf, von dem man einen weiten Blick über die Umgebung hat: Auf der einen Seite ist das Ganze zwar eher langweilig, eben und karg, doch Wanaka selbst präsentiert sich mit einem hübschen Panorama aus See und Bergen, inklusive einiger schneebedeckter Gipfel - wenn diese nicht gerade in dunklen Regenwolken stecken.
Ansonsten beschränken sich unsere körperlichen Aktivitäten auf den Besuch des nahen Supermarktes, in dem wahrscheinlich, die Mehrheit der Kunden Touristen sind. Kein Wunder, denn Neuseeland hat jährlich fast so viele Urlauber, wie Einwohner (etwa 4 Millionen) und wenn dann ein so kleiner Ort, wie Wanaka an einem der Touristenwege liegt und gerade die weihnachtliche Hochsaison beginnt...
Deutschland stellt dabei, trotz der immens weiten Anreise, nach Australien, China, den USA, Großbritannien und Japan, die sechstgrößte Besuchergruppe. Der Besucheransturm erweckt bei den Kiwis nicht nur Freude. Wir bekommen mehrere Artikel in den Medien zu sehen, in denen gejammert wird: verdreckte Wanderwege, wild parkende Wohnmobile, unfähige Autofahrer, die mit dem Linksverkehr nicht klarkommen. Unser Eindruck: Es ist sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die hohe Zahl an Gästen einige Unannehmlichkeiten mit sich bringt, doch ganz augenfällig ist, dass das Tourismusgeschäft ein riesiger Wirtschaftsfaktor hier im Land ist. Neben der Viehzucht, sicher mit der größte und damit unentbehrlich.
Es wird natürlich, nicht nur auf den Weiden, sondern auch unter den Herumreisenden schwarze Schafe geben, doch, die meisten, denen wir begegnen, halten sich erstaunlich brav an die vielen Vorschriften und suchen zum Beispiel Abend für Abend einen der Campingplätze auf, trotz des Komforts, ein autarkes Wohnmobil zu benutzen. Viele der vermüllten Stellen im Wald, die wir beim (unerlaubten) Wildzelten auffinden, liegen abseits der von Touristen aufgesuchten Plätze und sind eindeutig hausgemacht. Doch dabei ist Neuseeland keineswegs unordentlicher, als andere von uns besuchte entwickelten Länder. Auffällig ist das viele Leergut entlang der Straßen. Wer auch immer sich dessen entledigt hat? - in Neuseeland gibt es kein Pfandsystem, dass diesem vielleicht Einhalt gebieten könnte.
Ein Problem für uns ist auch das Fehlen von Müllbehältern. Selbst an großen Parkplätzen entlang der Straßen gibt es meist keine, dafür stets Hinweisschilder: seinen Müll doch bitte mitzunehmen. Mit dem Auto sicher kein Problem, doch als Wanderer oder Radfahrer dann doch oft etwas umständlich. Versteht uns bitte nicht falsch: für uns ist es selbstverständlich, keinen Abfall in der Natur zu hinterlassen und wir erwarten auch nicht auf abgelegenen Wanderwegen eine Müllentsorgung, doch wenn man auf einem kleinen Campingplatz an der Straße eine Gebühr entrichten muss, könnte doch neben dem allgegenwärtigen Toilettenhäusel eigentlich auch eine Mülltonne stehen!?
Nun ja, und dann sind da noch die unfähigen Autofahrer: Den Verkehr bekommen wir auf den Hauptstraßen ja selber, im wahrsten Sinne des Wortes, hautnah zu spüren und es ist kein hohes Verkehrsaufkommen, das uns stört - denn Platz ist auf den Straßen eigentlich genug, sondern der forsche Fahrstil und der ist womöglich auch Ursache der vielen Unfälle, von denen berichtet wird. Hier im Land hat es scheinbar jeder eilig und keiner ist offenbar bereit sein modernes und flottes Auto zügeln zu wollen. Dabei würden wir keine der hier herumfahrenden Nationen ausschließen, auch nicht die Kiwis. Und wenn einer, der Pkws an uns vorbei donnert, mit einem Hänger, auf dessen Ladefläche ein wuchtiges Motorboot zum nächsten Einsatzort geschaukelt wird, handelt es sich höchstwahrscheinlich eher nicht um Touristen.
Mit der Weihnachtszeit beginnen in Neuseeland zugleich die großen Sommerferien und somit erwarten wir in der Folgezeit noch mehr, der rasanten Autofahrer auf den Straßen. Zumindest der Wetterbericht verspricht Besserung, wir glauben daran und schwingen uns nach den ausgiebigen Ruhetagen in Wanaka wieder auf die Räder. Ein Radweg führt uns durch ein schönes Flusstal. Das Wasser ist leuchtend blau und jede Art von Booten, ob nun mit Muskel- oder Motorkraft gesteuert, schippern durch die Stromschnellen. Auf den Wiesen ringsum blühen Wildblumen in allen Farben und die Sonne fährt zur Hochform auf. Es scheint fast, als ob es nun doch richtiger Sommer wird.
Unser erstes Tagesziel ist Cromwell im Inneren der Südinsel. Als wir uns nähern, prägen viele Obstplantagen und Weingüter das Umland. Es ist Erntezeit für Nektarinen, Pfirsiche und Kirschen. Die Bäume sind überwiegend unter riesigen Netzen verborgen - tja, bei der zahlreichen Vogelwelt hier, würde wahrscheinlich sonst kaum eine Frucht unbeschadet die Ernte erleben. Die Preise der frisch geernteten Ware schrecken uns jedoch ab und naschen am Wegesrand ist schlichtweg unmöglich - schade! Der Campingplatz in Cromwell ist belagert von vielen Langzeitgästen, die als Saisonarbeiter auf den Feldern ringsum arbeiten. Ganze Familien sind dazu von den Philippinen hergekommen, doch auch einige internationale Work- and Traveller scheinen auf den Feldern in Lohn und Brot zu stehen und leben währenddessen in ihren Autos oder Baumarktzelten auf dem Platz. Als wir am nächsten Morgen Cromwell wieder verlassen, erfahren wir noch ganz zufällig auf einer Infotafel an einem Aussichtspunkt, dass Cromwell, die in Neuseeland am weitesten von der Küste entfernte Stadt ist. Wahnsinn: ganze 120 km bis zum nächsten Ufer! Das ist im Land die größtmögliche Entfernung zum Meer. Ja, Neuseeland ist klein!
Den nun folgenden Weihnachtsabend verbringen wir zwischen Dauercampern auf einem Zeltplatz in Alexandra. Der Tag endet ruhig, denn, wie in vielen Ländern, wird das Fest hier, erst am folgenden Morgen gestartet. Ein paar bunte Lichter blinkern in der Nacht an einigen der Wohnwagen. Leuchtende Weihnachtsdeko und Kerzenschein sind ansonsten in diesen Breiten wirkungslos. Denn die Weihnachtszeit, soweit im Süden, ist zugleich die Jahreszeit, an der die Tage am Längsten hell sind. Sonnenuntergang ist erst gegen 21:30 Uhr und richtig dunkel wird es erst nach 22:00 Uhr, wenn die Meisten eh die Augen schon zu haben.
Am nächsten Morgen, dem ersten Weihnachtstag, sehen dann auf dem Platz alle irgendwie glücklich aus. Man grüßt freundlich und wünscht sich gegenseitig ein schönes Weihnachtsfest. Die Kinder der sesshafteren Urlauberfamilien probieren ihre Geschenke aus und werden dabei gefilmt und fotografiert, während sich die durchreisenden internationalen Gäste um die Steckdosen in Küche und Aufenthaltsbereich hocken und daheim mit der Familie telefonieren. Wir haben dies bereits ausgiebig in der Nacht gemacht und schicken nun nur noch ein paar kurze Grüße in die kalte Heimat, in der nun erst der Weihnachtsabend in vollem Gange ist. Ist schon ein komisches Gefühl, wenn man zu dieser Zeit so fern von zu Hause ist ..., aber es ist ja nicht das erste Mal.
In Alexandra haben wir nun den südlichsten Punkt unserer Neuseelandtour erreicht. Es gäbe zwar noch ein paar lohnendere Ziele weiter südlich, doch dafür fehlt uns die Zeit, denn wir müssen uns nun wieder mehr nordwärts wenden, um pünktlich zu unserem gebuchten Flug nach Australien Mitte Januar nach Christchurch zu gelangen.
Zur Feier des Tages bescheren wir uns am 1. Weihnachtstag etwas Besonderes und folgen nun dem Otago Central Rail Trail, einem schönen, ruhigen und gemütlichen Radweg, der auf einer stillgelegten Bahnstrecke in einem großen Bogen durch das Innenland führt. Zunächst zieren ein paar nette Felsen den Wegesrand, dann müssen aber wieder einige der im Land unvermeidbaren langweiligen Weideflächen passiert werden. Hin und wieder hat man die Trasse durch im Weg stehende Hügel geschlagen und dann ragen zu beiden Seiten hohe Böschungen auf. Es herrscht bestes Feiertagswetter: Die Sonne strahlt noch immer von einem strahlend blauen Himmel herab. Das so was in Neuseeland möglich ist, wer hätte das gedacht - da musste eben erst Weihnachten werden.
Einige Feiertagsausflügler begegnen uns und dann schallt ein vielstimmiges "Merry Christmas" durch die Landschaft. Immer wieder stehen am Wegesrand Schilder mit Erklärungen zum Beispiel zu den jeweiligen Orten, Bahnhöfe und u. a. zu einem ehemaligen Lager der Bahntrassenbauer. Hin und wieder findet man eine Box mit einem Stempel, den man sich in seinen käuflich zu erwerbenden Trailpass setzen könnte. In den überwiegend kleinen Orten entlang der Strecke hat man sich auf die radelnden Gäste eingestellt und man lockt mit Unterkünften und Cafés. Der Verleih von Rädern, inklusive Gepäcktransport scheint ein lohnendes Geschäft. Auch ein paar geführte Truppen sind unterwegs.
Am Nachmittag wird es einsamer, nun folgt die Trasse einem Flusstal mit felsigem Ufer. Alte Bahnbrücken überspannen Täler und dunkle Tunnel müssen durchfahren werden. Hier irgendwo wollen wir die Nacht verbringen, doch weit und breit ist kaum ein schattiges Plätzchen zu finden. Das ist heute aber echt nötig und es wird noch eine ganze Weile dauern, ehe die Sonne hinter den Bergen verschwindet. Doch dann findet sich ein geeignetes Plätzchen neben einem in der Einsamkeit stehenden Toilettenhäusel am Wegesrand. Und was müssen wir da feststellen: Kein Toilettenpapier da! Undenkbar, so was in Neuseeland. Doch vielleicht sind wir unbemerkt inzwischen in einem anderen Land unterwegs, denn auch keine einzige Sandfliege weit und breit - und dann noch dieses ungewohnt schöne Wetter ...!?
Uns bleibt aber nicht viel Zeit, um weiter darüber zu grübeln, denn in der kommenden Nacht haben wir alle Hände voll damit zu tun, das Zelt, in dem inzwischen aufgekommenen heftigen Windböen, vorm Davonfliegen zu hindern. Das sieht dann so aus, dass Mathi schwere Steine heranschleppt, um die Zeltleinen zu verankern, da Heringe nicht in den felsigen Boden gehen, während Petra als Ballast das Zelt von innen her sichert. Das ist eine schon eingespielte Methode und klappt ganz gut. Doch der Wind hat einige düster aussehende Wolken herangeweht, die am Morgen in den Bergen herumschwabbeln. Einige kleine blaue Flecken darin machen jedoch Hoffnung und so ist es dann auch - es wird wieder ein schöner Tag.
Auf den letzten Kilometern, des von uns befahren Trailabschnitts erreichen wir den höchsten Punkt des Radweges in über 600 m Höhe und dann rollt es langsam und ganz gemütlich wieder hinab. In Rainfurly verlassen wir den Trail, da er sich nun zu sehr südwärts wendet. Uns zieht es zum nächsten Highlight der Südinsel: dem Seengebiet am Fuße des Mount Cook.
Zunächst können wir noch auf ruhigen Straßen radeln. Im, etwas abseits der Hauptstraße, in einem herrlich grünen Waldgebiet liegendem Naseby verbringen wir die Nacht auf einem kleinen rammelvollen Campingplatz.
Es scheint so, dass die Neuseeländer begeisterte Campingfreunde sind und sich somit nun während der großen Sommerferien viele Familien allerorts auf den Plätzen niederlassen und häuslich einrichten. Stattliche Hauszelte werden errichtet und daneben gruppieren sich diverse andere Zelte: Zelte für die Kinder, Zelte für die Erwachsenen, Zelte zum Grillen und Kochen, Zelte für die eigenen Campingtoiletten und dazu überdachte Sitzbereiche nebst Hundehütte. Wahre Zeltburgen entstehen, hier und da mit einem Wohnwagen ergänzt. Da man in Neuseeland ja, wie bereits berichtet, meist pro Gast bezahlt, sind dem Interieur kaum Grenzen gesetzt.
Doch eines muss man sagen, dass nur selten lautstarke Musik über den Platz erschallt und zur Schlafenszeit herrscht auch verhältnismäßig ziemliche Ruhe. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass viele der Stellplätze keinen Stromanschluss haben und es ist schon erstaunlich, dass man so selbstverständlich auf diesen Komfort zu verzichten scheint. Das hat jedoch auch zur Folge, dass die wenigen Steckdosen in Küchen und Aufenthaltsbereichen heiß begehrt und umlagert sind, denn zumindest Handys und Spielekonsolen müssen ja am Laufen gehalten werden. Überhaupt werden wir in diesen Tagen die Campingplätze in Neuseeland, mit dem schlechtesten Zustand erleben. Die Küchen und Sanitärbereiche sind oft in einem ungewohnt veralteten und abgenutzten Zustand. Kein Wunder bei dem hohen sommerlichen Ansturm. Manche der Plätze dürften in der jetzigen Hochsaison mehr Bewohner haben, als ein durchschnittlicher Ort hier im Land.
Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie klein und unwohl wir uns in diesem Getümmel fühlen. So suchen wir diese Plätze nach Möglichkeit nur noch auf, wenn mal wieder eine Dusche und saubere Wäsche dringend nötig ist, oder unsere Akkus nach Strom schreien - nicht unsere körpereigenen, die sind eigentlich fast konstant gut geladen, sondern die, unserer elektronischen Kleingeräte. Wir verkriechen uns nun um so lieber ungesehen irgendwo in der Natur. Natürlich stets mit dem Bemühen, ja kein Aufsehen oder Ärger zu verursachen, um den hiesigen Unwillen gegenüber den Touristen nicht noch mehr zu schüren. Als am Abend neben dem abgelegenen Danseys Pass plötzlich eine Drohne über uns kreist, sind wir schon recht beunruhigt: Hat hier ein Farmer aufgerüstet um seine Schäfchen zu zählen, oder ist ein Abenteurer dabei seine Unternehmungen zu filmen? Wir werden es nicht erfahren - ist auch besser so.
In Duntron stoßen wir auf den Highway 83 über den, oder oft nebenher, der Alps to Ocean Trail führt. Der längste ununterbrochene und wahrscheinlich auch bekannteste Radweg Neuseelands führt vom Fuße des höchsten Berges des Landes, dem Mount Cook am Lake Pukaki, bis zur Ostküste, also von den neuseeländischen Alpen bis zum Pazifischen Ozean.
Wir fahren den Trail in entgegengesetzter Richtung und es scheint fast so, als ob wir eine Vorliebe für derlei Extravaganzen haben, denn es ist nicht das erste Mal, dass wir uns entgegen dem Normalen vorwärts bewegen. Noch ziemlich gut in Erinnerung sind uns die vielen "Buen camino"-Grüße auf dem Jakobsweg in Spanien, auf dem wir buchstäblich gegen den Strom geradelt sind. Doch ganz so schlimm ist es hier nicht.
Die meisten Radler sind ohnehin nur auf Tagesausflügen unterwegs. Sicher auch, weil nur die abseits der Hauptstraßen befindlichen Abschnitte wirklich zum Radeln attraktiv sind. Und leider sind es einige Kilometer auf öffentlichen Straßen, mit nicht wenig Verkehr, die dieser Radweg beinhaltet. "Durchgehender Radweg" bedeutet in Neuseeland nicht: dass man stets einen extra Weg hat - nein, falsch gedacht: Es gibt extra für die Radler geschotterte!!! Nebenpisten und zwischendurch ist man ein ganz normaler Verkehrsteilnehmer auf Straßen, die nicht mal einen richtigen Seitenstreifen haben. Dass man hier auf einem Radweg ist, bemerkt man dann allenfalls daran, dass hin und wieder Verkehrsschilder stehen, die zur gegenseitigen Rücksichtnahme auffordern, was aber leider viele der Autofahrer nicht auf sich beziehen.
Abseits der ungemütlichen Abschnitte, die man mit dem Verkehr teilen muss, bietet der A2O, wie der Trail in der Kurzform benannt ist, jedoch auch wirklich landschaftlich schöne und ruhige Ecken. 6 Tage werden wir nun dem Trail folgen:
In Duntroon müssen wir die Hauptstraße nur kurz queren, dann geht es ein Stück über Holzwege durch eine Art Feuchtgebiet und weiter über einen holprigen Pfad entlang des sehr verzweigten Waitaki Rivers. Dann wird es richtig unwegsam - sind wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg? Doch da: das entsprechende Schild - jedoch zuvor ist ein steiniges Flussbett zu durchqueren, mit ziemlich starker Strömung. Verrückt! Tief ist es auch noch. Bloß gut, dass die Radtaschen einigermaßen dicht sind, denn sie tauchen, beim mühsamen Hindurchbugsieren, ein Stück ins Wasser. Auch auf den weiteren Kilometer gibt es noch einige kleinere Flussläufe zu queren. Doch die Umgebung ist herrlich einsam - das muss genutzt werden und wir campieren erst mal am Wegesrand, in einem lichten, mit hohen Nadelbäumen bestandenem Wäldchen. Riesige Tannenzapfen hängen an den Ästen, hoffentlich kracht uns keiner davon auf den Kopf!
Auch auf den restlichen Kilometern bis Kurow, dem nächsten Ort, holen wir uns noch mehrmals nasse Füße. Kurow ist von vielen Weinfeldern umgeben. Der weitere Radweg scheint noch nicht vollendet (oder man hat den weiteren Ausbau aufgegeben), denn wir wechseln mehrmals zwischen Hauptstraße und parallel verlaufender Offroad Piste.
Ab dem Damm des Aviemore Sees können wir aber auf einer schönen ruhigen Nebenstraße den Stausee umrunden. Am Ufer reiht sich ein Campingplatz an den anderen (- oder ist es ein und derselbe, der sich so weit dahinzieht?), auf denen ein buntes Zeltgewimmel herrscht und auf dem See ist emsiger Bootsverkehr. Man angelt, fährt Wasserski oder knattert einfach aus Spaß rasant durch die Wellen - Ferienzeit in Neuseeland.
Wir können dem Trubel nicht ganz entkommen, denn zu unserem abgelegenen Plätzchen oberhalb des folgenden Benmore Staudammes dringt noch bis Einbruch der Dunkelheit das Knattern der nahen Motorcrossstrecke zu uns hinauf!
Den etwa 12 km langen Hauptstraßenabschnitt ab Otemata gehen wir lieber am Morgen an, um etwas mehr Ruhe zu haben. Dabei muss zudem ein recht langer Anstieg bezwungen werden und zu allem Übel bläst auch noch so ein heftiger Gegenwind, dass man das Gefühl hat, man käme nicht vom Fleck. Wenigstens können wir bei der folgenden Abfahrt die Bremsen schonen, denn deren Arbeit übernimmt der Wind.
Es folgt sogleich der nächste Stausee - hier wimmelt es ja richtig davon - nun ja, Strom braucht das Land! An einem Rastplatz am Ufer des Lake Benmore herrscht reges Treiben. Man rüstet sich für den Tag: Boote werden zu Wasser gelassen oder Räder von den Autos geladen. Wir treffen eine australische Radlertruppe, die uns berichtet, dass zurzeit in Australien eine große Hitzewelle herrscht, mit Temperaturen von um die 50! °C. Na, davon muss ja scheinbar auch etwas nach Neuseeland rübergeschwappt sein, daher also dieses schöne ausdauernde Sommerwetter.
Es geht schön ruhig und einigermaßen geschützt weiter entlang des Sees, über dessen Wasserfläche es weiterhin heftig stürmt. Als wir wieder ungeschützteres Gebiet erreichen, bekommen auch wir den Wind wieder mehr zu spüren und verstehen nicht, wie uns die Entgegenkommenden nur so entspannt anlächeln können - haben die überhaupt eine Ahnung, was sie für eine tatkräftige Unterstützung von hinten haben!?
In Omarama, einem etwas größeren Ort geben wir auf und verziehen uns mit einem Sixpack Bier auf den großen kostenlosen DOC-Campingplatz am Ortsrand. Zumindest sorgt der Wind nun dafür, dass man den Verkehr der nahen Straße nicht so sehr hört. Ein paar Ausflügler kommen zu einem kleinen Picknick am nahen Flussufer vorbei, doch viele nutzen den Platz zum Übernachten und er füllt sich am Abend zunehmend. Dabei fällt uns ein übergroßes Wohnmobil auf, das auf einem Hänger noch einen Pkw samt Fahrrädern nach sich zieht. Den haben wir seit gestern doch nun schon mehrmals unterwegs gesehen? Kann aber eigentlich nicht sein, kommt er doch viel schneller, als wir vorwärts! Vielleicht gibt es ja doch mehrere davon? Aber nein, schon bald radelt der Besitzer zu uns heran: Er habe uns nun schon mehrmals auf der Straße gesehen und möchte doch gern wissen, woher wir kommen. Offensichtlich fallen also auch wir auf! Diese Neuseeländer scheinen jedenfalls in ihrem Wohnmobilkoloss zu leben und im Land kreuz und quer herumzupendeln.
Dann bricht der letzte Tag des Jahres an. Beim Verlassen des Campingplatzes winkt der XXL-Womo Fahrer noch hinter uns her, doch nun dürften wir uns erst mal nicht so schnell wieder über den Weg fahren, denn es wird nun eine Weile etwas abgelegener vom großen Straßenrummel dahin gehen.
Wir steuern den Lake Ohau an. Ein längerer, recht holpriger, aber noch einigermaßen befahrbarer Pfad führt uns in Serpentinen hinauf zu einem in 900 m Höhe gelegenen Aussichtspunkt, mit einem tollen Blick über die zuvor durchfahrene Ebene und den von Bergen umgebenen fantastisch blauen See. Schon bald darauf taucht der Weg in ein baumbestandenes Gebiet am Hang und ein kleiner Rastplatz mit Bank und herrlichem Ausblick lässt uns für eine Pause stoppen. Doch schon bald steht es für uns fest: Hier werden wir das alte Jahr ausklingen lassen. Das ist der mit Abstand schönste Übernachtungsplatz auf dieser Tour.
Am Nachmittag sind noch ein paar Mountainbiker und Wanderer unterwegs, dann zieht Ruhe ein. Von unserem Logenplatz aus, beobachten wir den letzten Sonnenuntergang des Jahres, genießen ein paar Becherchen, etwas säuerlichen, neuseeländischen Wein, den wir aber geschmacklich zu lieblichen Glühwein veredeln, und lauschen den letzten Zeilen des Harry Potter Hörbuches (das nun schon seit Monaten unsere gemeinsame Abendlektüre ist). Mitternacht schallen von der Ferne ein paar vereinzelte Böller zu uns, sonst ist alles ganz unspektakulär: nur ein sternenübersäter Nachthimmel über uns, der See tief darunter und die dunkle Bergsilhouette ringsherum - und wir - schön!
2018 endet für uns ganze 12 Stunden eher, als in der Heimat, und wir haben somit allerhand Zeit eingebüßt. Doch mal sehen, ob sich das in diesem Jahr wieder zurückholen lässt! Wir sind schon gespannt, was es uns bringt und hoffen, dass es ebenso schön und erlebnisreich wie das letzte wird.
Am Neujahrsmorgen hängen zunächst ein paar Nebelfetzen über dem See. Doch was leuchtet da kurz über die Berghänge in der Morgensonne - ist da etwa der Gipfel des Mount Cook zu sehen?
Schnell gelangen wir über einen steinigen Pfad hinunter zu dem kleinen Sträßchen am Seeufer. Die ersten Radler kommen uns entgegen. Man grüßt: Happy New Year! Dann schlängelt sich ein schmaler Weg durch das wild bewachsene Ufer entlang des Ohau See und man muss höllig aufpassen, nicht mit einem plötzlich um ein hohes Büschel herum- und entgegenkommenden Radler zu kollidieren. Danach rollt es einige Kilometer schnurrgerade auf einem asphaltierten Kanalweg und wir erreichen Twizel.
Das kleine Städtchen wird aufgrund seiner Nähe zum Mount Cook und der vielen umliegenden Seen von vielen Reisenden aufgesucht. Im Ortszentrum geht es dementsprechend lebhaft zu. Wir wollen mal wieder einen Campingplatz mit Duschen aufsuchen, doch wir müssen an der Pforte des nahen Holiday Parks unverrichteter Dinge wieder umdrehen: Der Platz ist voll belegt! So versorgen wir uns noch schnell im Supermarkt und fahren einen weiteren, aber etwas außerhalb gelegenen Platz an. Der ist uns absolut unsympathisch schon auf den ersten Blick und auch nach dem zweiten wird er nicht netter: Er ist riesig, ungeordnet und voll. Wir dürfen bleiben, sind aber froh, am nächsten Tag weiter ziehen zu können. Allerdings scheint allgemein Aufbruchsstimmung zu herrschen. Vielleicht wird es ja nun nach den Feiertagen wieder etwas ruhiger auf den Plätzen?
Nachdem wir Twizel hinter uns gelassen haben, geht es 10 km durch eine weite trockene Graslandschaft, die Pukaki Flats, und urplötzlich stehen wir am Südende des Pukaki Sees. Auf einem großen Parkplatz mit Besucherzentrum werden Busladungen mit Touristen ausgeschüttet, die gemeinsam mit vielen weiteren Individualreisenden sich am steinigen Ufer zum Fotografieren postieren. Dumm nur, dass das begehrte Motiv, des über dem See aufragenden Mount Cook sich in dichte Wolken hüllt. Doch der See selber ist auch sehr sehenswert mit seinem gletscherblauen Wasser. Eine Weile können wir ihm noch auf einer kleinen Straße entlang des Ufers folgen und den Ausblick genießen, aber der 3700 m hohe Gipfel, des höchsten Bergs Neuseeland bleibt uns weiterhin verborgen. Nun dann eben nicht. Vielleicht haben wir ja doch einen kleinen Blick am Neujahrsmorgen auf ihn erhaschen können!? - Egal, die Berge sehen sich ja eh alle irgendwie ähnlich!
Der richtige Startpunkt des Trails befindet sich in der nun noch etwa 30 km entfernten Mount Cook Village am Nordende des Sees, wohin man nach einem umständlichen und nicht billigen Helikopterflug über den Tasman River gelangt. Wir hingegen biegen jetzt aber ab, Richtung Lake Tekapo, dem dritten großen Gletschersee der Region und dem alternativen Startort des A2O Trails.
Ein Großteil der folgenden 30 km geht es entlang der Tekapo Canal Road. Und wie der Name schon sagt, geht es an einem zur Energiegewinnung geschaffenen Kanal entlang. Zunächst vorbei an einer großen Lachsfarm mitten im Kanal und ein paar hoffnungsvollen Anglern am Rand - es könnte ja einem der Käfiginsassen die Flucht gelungen sein. Dann ist die Strecke für Autos gesperrt und verläuft schnurrgerade und eben dahin, allerdings weht teilweise ein so heftiger Seitenwind, dass es uns fast vom Rad fegt.
Am Lake Tekapo endet nicht nur der Alps to Ocean Radweg, es gibt nun erst mal auch keinerlei Ausweichmöglichkeiten, um dem Verkehr der Hauptstraße weiter Richtung Ostküste zu entgehen. Wir aber nicht dumm: setzen uns in aller Herrgottsfrühe auf die Räder, werfen noch einen kurzen Blick auf den ebenfalls recht schönen türkisfarbenen Lake Tekapo, geben Gas und brausen auf der noch herrlich ruhigen Straße, vorbei am Burknes Pass, der zum Glück kein wirklich richtiger Pass ist, ins 50 km entfernte und 400 Höhenmeter tiefer gelegene Fairlie. Dort beginnt gerade erst das Tagesgeschäft, als wir eintreffen.
Wir gönnen uns eine ausgiebige Pause und liebäugeln mit der Übernachtung auf dem ortsnahen Campingplatz, der seit langem mal wieder einer der netteren öffentlichen Plätze zu sein scheint. Doch es ist noch zeitig am Tag und so wollen wir noch ein paar Kilometer fahren. Bereuen diesen Entschluss aber schon bald, denn die nächsten Kilometer hinaus aus dem Ort und noch dazu bergauf, sind verkehrstechnisch die Hölle. Man kann machen, was man will: Entweder man fährt dicht am Straßenrand, was jedoch bei den Autofahrern keinerlei Bemühen zum angemessenen Ausweichen beim Überholen animiert, oder man macht sich so richtig breit und man wird ebenso knapp, wie zuvor, mit einem Minimum an Lenkbewegung passiert. Und ganz egal, ob Gegenverkehr ist oder nicht - abgebremst wird auf keinen Fall. Unsere vielen wütenden Ausrufe verhallen ungehört, im Gegenteil, viele der Fahrzeuginsassen winken uns freudig zu, was unseren Gemütszustand auch nicht verbessert.
Auf Umwegen und ruhigeren Straßen, mit einem Zwischenstopp im Pioneer Park im Raincliff Forest, wo es viele riesige exotische Bäumen zu sehen gibt, gelangen wir zwei Tage später nach Geraldine. Es herrschen 30 °C im Schatten, die Leute in ihren klimatisierten Autos bedauern uns. Müssen sie aber nicht: Es gibt doch nichts Schöneres, als an so einem Radeltag, im Schatten mit einem kühlen Bierchen zu entspannen. Das gibt es in nahezu jedem Lebensmittelladen, gut gekühlt, manchmal sogar in eigenen Kühlräumen, in denen man sich aber bei der Auswahl beeilen muss, um in Sommerbekleidung nicht zu erfrieren. Auf dem recht netten Campingplatz im Ort haben wir einen Hamburger Radfahrer als Zeltnachbarn. Er ist schon auf seiner dritten Neuseelandtour und das mit Mitte 70 - Hut ab!
Nach 14 Tagen endet nun aber das recht beständige Sommerwetter. Es wird wieder kühler und unbeständiger. Nach einem totalen Regentag wird es aber wieder etwas trockener. Wir liegen gut im Zeitplan und können uns Zeit lassen.
Nach kurzen Tagesetappen vorbei am Mount Somers und Mount Hutt begrüßt uns 4 Tage später Christchurch mit Sonnenschein. Die drittgrößte Stadt Neuseelands (nach Auckland und Wellington auf der Nordinsel) hat gerade mal reichlich halb so viele Einwohner, wie Dresden. Dennoch wirkt das quirlige Stadtleben erst mal ungewohnt auf uns, nach den vielen eher dörflichen Orten, die wir in den letzten Wochen passiert haben. Zumindest gibt es aber viele extra Radspuren entlang der Straßen - das ist doch mal was Nettes für unsereins. Wir beziehen ein Zimmer in einem der typischen kleinen Holzhäuser und leben für ein paar Tage in einer sehr internationalen 5-Zimmer-WG. Unter ihnen ein indischer Student und ein Äthiopier.
Zu Christchurch haben wir schon im Voraus eine besondere Beziehung, denn Anfang 2011 hat unsere Tochter hier, auf ihrer Work- and Traveltour recht lange gelebt. Während dieser Zeit wurde die Stadt gerade von einem verheerenden Erdbeben erschüttert und wir haben das damalige Geschehen somit natürlich etwas genauer verfolgt. Glücklicherweise ist ihr, außer einem gehörigen Schreck, nichts weiter passiert. Die Erinnerungen an die Zeit sind jedoch noch sehr präsent.
Auch heute, fast genau 8 Jahre später, kann man im Zentrum noch einige Spuren der zerstörerischen Katastrophe von damals sehen. Am Markantesten ist natürlich die Ruine der Christchurch Kathedrale, die eingezäunt und massiv abgestützt, auf ihr weiteres Schicksal wartet. Ein Wiederaufbau scheint umstritten. Auch weitere, vor allem alte Kolonialgebäude sind noch mit Balken abgesichert. Es wird auch viel gebaut. Dazwischen jedoch herrscht ein buntes Treiben. Viele Touristen bummeln durch die Straßen und alte Straßenbahnen bimmeln auf Stadtrundfahrten um die Kurven, des ansonsten sehr überschaubaren Zentrums.
Wir machen uns nun aber eifrig daran, unseren nun unmittelbar bevorstehenden Australienabstecher vorzubereiten, der ja zu Beginn der Tour, so gar nicht geplant war. Da wir dort mit einem Mietwagen unterwegs sein wollen, muss das Gepäck sortiert werden, denn Räder und den dazugehörigen Kram wollen wir ja nicht mitnehmen. Zudem muss auch noch einiges recherchiert werden, damit wir nicht ganz ohne Informationen den Kängurus gegenüber stehen werden.
Das nächste Mal melden wir uns aus Down Under!