28. November - 18. Dezember 2018
Picton - Nelson - Murchison - Reefton - Greymouth - Franz Josef - Haast - Wanaka
Geradelte Strecke: 993 km (Insgesamt 2404 km)
Nach über 5 Wochen auf der Nordinsel beginnt nun ein weiterer Abschnitt unserer Neuseelandtour - die Südinsel will erkundet werden. Sie soll ja die Interessantere der beiden Hauptinseln sein, aber auch die mit dem schlechteren Wetter.
Zwei Tage Regenwetter zum Empfang liegen schon mal hinter uns. Doch nun sieht der Himmel mal wieder etwas netter und heller aus. So verlassen wir nach einem Wartetag in dem kleinen Hafenort Picton unser gemütliches Hüttchen auf dem dortigen Campingplatz und schwingen uns wieder auf die Räder. Es geht zunächst entlang der Nordküste Richtung Westen. Zuerst führt uns ein kleines idyllisches Sträßchen, Queen Charlotte Drive genannt, hinauf auf die Hänge entlang der Küste und wir können einen letzten Blick zurück auf Picton und seinen Fährhafen werfen. Auch viele kleine und große Yachten dümpeln da unten herum. Es folgen ein paar Aussichtspunkte und die vielen Buchten und Inseln erinnern uns ein bisschen an Norwegen.
Doch dann stoßen wir auf den Highway 6 und es ist Schluss mit geruhsamen Radeln. Er ist eine wichtige Verkehrsverbindung hinunter in den Süden und verläuft im westlichen Teil der Insel. Ein Highway in Neuseeland ist nach deutschem Maßstab hier eine gewöhnliche Landstraße mit klitzekleinem oder gar keinem Randstreifen und reichlich Verkehrsaufkommen, vor allem um größere Städte herum. Logisch - Spaß macht das nicht und so sind wir froh, als uns das Navi nach einigen Kilometern eine Alternativstrecke zum Radeln empfiehlt. Der Maungatapu Track führt durch die Berge im Hinterland nach Nelson, eine der größeren Städte an der Nordküste.
Zunächst geht es auf der einsamen Schotterstrecke noch ganz gemütlich durch ein weites Flusstal mit Weideflächen. Hier und da eine Farm. Keiner da, der sich an unserem Lagerplatz unmittelbar neben der Piste unter einem Strommast stören könnte. Ein Mast bietet naturgemäß allerdings so gut wie keinen Schatten und gerade jetzt legt sich die Sonne so richtig ins Zeug und knallt uns volle Kanne auf die Birne. Doch sie scheint sich zu verausgaben, denn der nächste Morgen ist grau, aber wenigstens noch trocken.
Nun beginnt unser Aufstieg über den Pass. 650 Höhenmeter erwarten uns. Am Abzweig zu ihm ein riesiges Verbotsschild: Danger, Track closed! (Gefahr, Weg geschlossen!) Doch ganz klein hat jemand per Hand dazu geschrieben: Only Vehicles (nur für Fahrzeuge). Also los gehts! Schnell wird uns klar, warum hier niemand mit Auto hochgelassen wird und eigentlich müssten auch Radler vor der Befahrung gewarnt werden. - Na ja, wir hätten uns wahrscheinlich ohnehin nicht abschrecken lassen. Hinterher ist man eben immer schlauer.
Die Piste ist eine Zumutung. Es geht richtig steil zur Sache und der Weg ist voll losem Schotter. Im ersten Drittel kann man noch bissel fahren, später geht es nur noch schiebend vorwärts und das überwiegend auch nur zu zweit mit vereinten Kräften. Wir schinden uns 3 Stunden die 8 km hinauf. Nichts, als dicht bewaldete Hügel um uns herum. Totale Erleichterung, als wir es endlich geschafft haben. Doch die Abfahrt ist auch nicht sehr angenehm. Genauso steil, können wir sie streckenweise auch nur schiebend bewältigen. Die Bremsen qualmen. Auf dem Weg kommen uns zwei Mountainbiker entgegen. Wir können es kaum glauben, wie sie hinaufstürmen. Uns klappt die Kinnlade herunter. Doch schnell stellt sich heraus, dass sie mit Motorunterstützung unterwegs sind und noch dazu ohne Gepäck - das ist ja Schmuh! Jedoch, aufgrund des unwegsamen Geländes, dennoch verblüffend. Die müssen Wunderräder haben!
Jenseits des Passes lagern wir am Flussufer. Ab nun werden wir sehr anhängliche Reisegefährten haben. Sie sind zahlreich, nerven entsetzlich und lassen sich nicht abschütteln. Sandflies (Sandfliegen) tragen ihren Namen eigentlich zu unrecht. Man könnte annehmen, sie gäbe es nur an sandigen Stellen, doch weit gefehlt: die lungern überall herum und scheinbar besonders dort, wo wir auftauchen. Auf der Nordinsel sind wir nur ein paar Vereinzelten begegnet, doch hier wimmelt es von ihnen. Natürlich hat man schon in dem einen oder anderen Reisebericht davon gelesen oder gehört, doch das es so schimm ist, hätten wir uns im Traum nicht vorgestellt. Diese kleinen Biester kennen keine Gnade und beißen, was das Zeug hält. Bald sind wir übersät von kleinen Pusteln, die schlimm jucken. Gott sei Dank, kommen sie nicht durch Kleidung hindurch (auch nicht durch dünne), da sie ja im Gegensatz zu Mücken keinen Stachel haben. Auch auf dem Rad bleibt man überwiegend verschont - wahrscheinlich können sie nicht so schnell fliegen, wie wir fahren - ätsch. Wir entwickeln so nach und nach eine Strategie. Sobald wir längere Zeit anhalten, lange Sachen anziehen und Hände und Gesicht einsprühen. Hierbei bewirkt unser noch aus Deutschland mitgebrachter Mückenschutz Erstaunliches. Nach dem Abendbrot geht es schnell ins Zelt und dann wird Jagd nach den unerwünschten Untermietern gemacht, die da schon in großer Anzahl erwartungsvoll auf uns warten. Es dauert zwar eine Weile, doch lassen sie sich recht leicht liquidieren. Das Zelt ist danach von den Opfern übersät. Sind Tierschützer unter Euch? - Bitte habt Verständnis dafür, doch bei lebendigen Leib lässt niemand sich gerne auffressen. Den Rest der Nacht hat man so seine Ruhe, doch wehe jemand muss noch mal raus, denn zwischen Innen- und Außenzelt wartet nämlich unüberhörbar schon der Nachschub und im Dunklen ist die Jagd schon komplizierter. Die Sandfliegen summen zwar nicht (zumindest nicht für uns hörbar), aber das Geflatter gegen die Zeltwand ähnelt sehr dem Getröpfel von Regen, sodass wir in der Nacht nun kaum noch informiert sind, wie genau das Wetter draußen ist. Außer, wenn es richtig schüttet, das ist dann nicht mehr zu überhören. So, wie auch am folgenden Morgen.
Es ist der 1. Dezember und als wir unser "Türchen" öffnen, regnet es dahinter. Wir flüchten uns die wenigen Kilometer nach Nelson, wo wir uns die folgenden Tage in einem Hostel verstecken. Nelson gilt als sonnigste Stadt Neuseelands. Tatsächlich erleben wir zwischen den regelmäßigen oft stürmischen Schauern ein paar seltene sonnige Stunden, während die Berge ringsherum beständig in tiefdunklen Wolken hängen.
Der Wetterbericht verkündet auch weiterhin alles Mögliche. Wir glauben den positiveren Ansagen und trauen uns nach drei Tagen wieder auf die Räder. Wir schaffen es aber nur bis ins 15 km entfernte Richmond, dem nächsten Ort an der Küste. Abermals im Regen stehend, geben wir auf und verkriechen uns frustiert in die Küchenräume eines Zeltplatzes.
Im ganzen Land verteilt gibt es die staatlichen Holiday Parks. Meist in Städten und in manchen gleich mehrere. Diese großen Campingplätze bieten allen möglichen Komfort. Dazu gehören immer Küchenräume mit Aufenthaltsbereichen, die mal mehr und mal weniger gut ausgestattet sind, doch immer Möglichkeiten zum Kochen bieten und auch alle möglichen Geräte bereithalten, wie Microwellen, Toaster, Wasserkocher, Kühlschränke und ähnliches. Neben den Sanitäranlagen findet man auch immer Waschmaschinen und Trockner. Einige der Plätze sind echt nett angelegt und sehr gepflegt, andere eher etwas ungemütlicher. Die Holiday Parks sind die teurere Variante des Campens. In Neuseeland werden meist pro Gast die selben Gebühren erhoben, egal ob man motorisiert, mit großem Wohnmobil, oder mit Zelt und Rucksack oder, wie wir, mit Rad daher kommt. Da müssen manchmal schon weit mehr als 10 € pro Nase berappt werden. Das finden wir nicht so ganz gerecht, denn wir können weder einen Stromanschluss noch eine Abwasserstation ausgiebig nutzen. Es gibt auch einige wenige Campingplätze, die von einem Ortsverein oder von Privat betrieben werden. Häufig sind dies aber nur Wohnmobilstellplätze, also nichts für uns. Günstiger kann man es auf den vielen DOC Campingplätzen haben. Die Naturschutzorganisation hat vor allem außerhalb von Orten und in Wandergebieten Plätze zum Übernachten eingerichtet. Da kommt man auch schon ab 4-5 € pro Gast unter. Einige wenige stehen auch zur freien Benutzung offen. Die Plätze im unteren Preisniveau haben dann aber auch nur allerhöchsten ein Toilettenhäuschen zu bieten.
Wenn es um die Anzahl von öffentlichen Toiletten gehen würde, wäre Neuseeland wahrscheinlich Weltrekordmeister. Die Häusel stehen überall: auf den Parkplätzen am Straßenrand, auf Rastplätzen an Wegen im Wald und in jedem Ort sowieso. Je nach Gegebenheit mal als Plumsklo, mal mit Wasserspülung. Allesamt umsonst und immer mit Toilettenpapier - wirklich i m m e r. Und fast immer sauber. Einige sind übermodern: Da wirst du von einer sympatischen Männerstimme empfangen, die dir erzählt, wo du überall drauf pushen (drücken) musst, dann untermalt eine dezente Hintergrundmusik das Geschäft und abschließend wirst du freundlich wieder verabschiedet. Ist das ein Service!?
Wir bevorzugen aber weiterhin das Übernachten irgendwo an der Strecke, dort wo es uns gerade passt und möglich ist. Auf der Südinsel scheint diesbezüglich etwas mehr Platz zwischen den vielen Weidezäunen zu sein. So handhaben wir es auch einen Tag später, als wir an einem abgelegenen Radtrail vor einer versperrten Tunneldurchfahrt stehen. Ausgerechnet an diesem Tag (wie auch an den beiden vorherigen) hat man wegen irgendwelcher nicht näher benannten Arbeiten den Tunnel gesperrt. Wir haben aber auch ein Pech! Zahlreiche wichtig aussehende Absperrbänder verhindern die Einfahrt. Die sind zwar nicht unüberwindbar, aber Mathias geht erstmal gucken: Am anderen Tunnelausgang steht ein kleines Gerüst, man käme mühelos vorbei, doch Arbeiter sind in der Nähe. Wir wollen keinen Ärger, haben aber auch keine Lust auf den Umweg über die Hauptstraße, sodass wir, obwohl es gerade erst Mittag ist, einfach auf einem zwar recht steinigem aber ebenen Platz neben dem Tunnel unser Zelt aufschlagen und brav auf den nächsten Tag warten, an dem die Sperrung enden soll. Am nächsten Morgen hat sich zwar noch nichts geändert, doch nun gibt es für uns kein Halten mehr und wir fummeln die Räder durch die Absperrung. Die "wichtigen" Arbeiten scheinen tatsächlich beendet und die Arbeiter sind auf dem Rückzug. Der Spooners Rail Tunnel soll der längste stillgelegene Eisenbahntunnel Neuseelands sein: Er ist 1350 m lang und ist Ende des 19. Jahrhunderts mühsam in den Fels gepickert wurden. Na wenigstens kann er, wie so viele andere seiner Art, noch heute von dankbaren Radlern genutzt werden, - wenn er nicht gerade gesperrt ist.
Nach 19 Tagen, an denen es regelmäßig, mal mehr und mal weniger geregnet hat, folgen nun ganze 4! trockene und sonnige Tage. Wir genießen es und die Stimmung wird zunehmend besser.
Auf meist ruhigen Sträßchen und abgelegenen Pisten setzen wir unseren Weg Richtung Süden fort und passieren den Rotoroa Lake. Ihr denkt jetzt vielleicht: He, dort waren die doch schon! Aber nein, der See in der Umgebung dampfender Geysire auf der Nordinsel hieß Rotorua! Ja, hier haben die Ortsbezeichnungen maorischer Abstammung oft große Ähnlichkeiten, häufig zeigt nur ein einziger Buchstabe den Unterschied, da muss man beim Buchen von Unterkünften schon höllisch aufpassen, dass man auch dort bucht, wo man hin will.
Unser Weg führt uns vorbei an Murchison und über einige weitere Pässe (den Maruia Saddle und den Rahu Summit). Doch sind die diesmal fahrradtauglicher, auch wenn ein paar kleinere Flüsse durchfahren werden müssen und man aufpassen muss, keine nassen Füße zu bekommen. Dumm nur, dass bei einem der Anstiege uns ein Plattfuß an Mathias' Rad ausbremst. Der Erste nach mehr als 7 Wochen hier im Land - eigentlich ein Wunder, bei dem dornigen Gestrüpp abseits der Straßen.
Unseren langen Aufenthalt an der Nordküste in Nelson hatten wir genutzt, um im Internet nach weiteren Warmshowers-Mitgliedern Ausschau zu halten, die für uns als Gastgeber in Frage kämen. Wir sendeten zwei Anfragen ab und bekamen umgehend auf beide eine Zusage. Das sind wirklich sehr engagierte Mitglieder hier im Land, wir sind überwältigt. Da die Gastgeber zwei Radeltage entfernt voneinander leben, nehmen wir beide Einladungen dankbar an.
Zunächst werden wir nun von Don und Robyn in ihrem kleinen Haus in Reefton empfangen. Auch Snifter, ihr Hund, freut sich über den Besuch. Schon über hundert radfahrende Gäste haben sie beherbergt. Davon zeugt auch ein dickes Gästebuch. Sie selbst haben auch schon einige große Touren absolviert. Eine richtig lange Reise führte sie von London (Don stammt aus England) bis nach Singapur. Nun planen sie neue Touren und lassen sich von ihren vielen Gästen inspirieren. Die Beiden sind etwa in unserem Alter. Robyn hat am folgenden Tag Geburtstag und wird schon im Voraus ein bissel beschenkt und gefeiert. Reefton, die Stadt des Lichts: so verkündet ein Schild am Ortseingang. Wir erfahren, dass dies die erste Stadt Neuseelands war, die elektrisches Licht hatte. Wir fühlen uns jedenfalls pudelwohl bei Don und Robyn und der Abschied am nächsten Morgen fällt schwer.
Nun steuern wir zielgerichtet die Westküste an und kommen durch alte Goldgräbergebiete, in denen auch heute noch vereinzelt geschürft wird. Es gibt wieder viele Infotafeln und alte verostete Überbleibsel hat man dekorativ aufgestellt. Das macht nicht viel Arbeit und man spart sich die Entsorgung. Dies scheint allgemein sehr verbreitet, so gibt es schon mal auf einer Farm einen gekonnt in Szene gesetzten ausgedienten Traktor zu sehen oder irgendwelche rostigen Eisenteile schmücken die Pfähle der Zäune.
In Greymouth erreichen wir dann die Westküste. Hier beginnt der West Coast Wilderness Trail - ein Muss für jeden Neuseelandradler. Und so bleibt es nicht aus, dass wir schon bald den ersten begegnen. Zwei alte Bekannte. Wir sind dem Thüringer Pärchen schon auf der Nordinsel begegnet, als wir uns damals auf dem beschwerlichen Stück einer Piste gegenseitig weitergeholfen haben. Wenn man sich zweimal begegnet, gibt es häufig auch noch ein drittes Mal!? Unsere Wege trennen sich aber schon kurz darauf wieder, da wir auf dem Weg zu unseren nächsten Warmshower-Gastgebern ein Stück abkürzen.
In Hokitika einem Touristenort an der Küste erwartet uns Claudia in ihrem großen Haus am Stadtrand. Ihr Mann ist leider nicht da, nur einer ihrer drei Söhne. Ein weiterer ist gerade auf Reisen und hat die Familie dazu inspiriert andere Reisende zu beherbergen. Claudia stammt aus Deutschland und ist vor vielen Jahren zu ihrem Mann nach Neuseeland ausgewandert. Das macht die Verständigung natürlich einfach. Der anwesende Sohn ist begeisterter Bogenschütze. Dabei zielt er nicht nur auf Scheiben, nein er geht richtig auf Jagd. Schon ein paar Trophäen sind sein eigen und zum Abendbrot bekommen wir eine Kostprobe vom selbst erlegten Hirsch.
Die Jagdbedingungen in Neuseeland sind sehr großzügig. Ursprünglich lebten ja in Neuseeland nur Vögel. Viele von ihnen haben aufgrund der fehlenden Gefahren am Boden ihre Flugfähigkeit aufgegeben, wie auch der bekannte Kiwi. Das einzige einheimische Säugetier hingegen ist allerdings kurioserweise flugfähig, nämlich die Fledermaus. Während der Besiedlung in der Kolonialzeit gelangten neben Haustieren allerdings auch Wildtiere auf die Insel. Manche gewünscht, wie zum Beispiel das Rotwild, andere aus Versehen, wie die Ratten. Die optimalen Lebensbedingungen hier, führten dazu, dass sie sich alle sehr vermehrt haben und so zu einer Gefahr für die heimische Vogelwelt und die Natur wurden. Daher ist man nunmehr wieder an einer allgemeinen Dezimierung interessiert und die Jagd ist erwünscht und sehr verbreitet. Viele der kleineren unerwünschten Geschöpfe, wie Marder, Hasen und Opossum enden auch unübersehbar auf den Straßen - vielleicht ja auch eine Art des Jagens.
Auch das Angeln bedarf kaum größerer Genehmigungen. Manchmal sind am See- oder Flussufer ein paar Reglementierungen, was die Anzahl der zu fangenden Fische pro Tag oder die erlaubten Zeiten betrifft, aber das wars auch schon. Leider besitzen wir keine Angel und zudem dürfte die dazu nötige Geduld und unser Hunger am Abend nicht miteinander zu vereinbaren sein. Wie dem auch sei, wir verbringen abermals einen schönen und interessanten Abend bei großzügigen Gastgebern ehe wir unseren Weg fortsetzen.
Der West Coast Wilderness Trail führt über mehr als hundert Kilometer parallel zur Küste. Anfangs noch recht nahe der Dünen am Meer, später geht es dann auch etwas mehr durchs Ladesinnere, auf Pfaden durch Wälder, über kleine Straßen, ein Stück mal wieder auf einer stillgelegten Eisenbahntrasse, über schmale Hängebrücken oder auf Holzwegen über unwegsames Gelände. Zunehmend tauchen immer öfter schneebedeckte Gipfel über den ansonsten grünen Berghängen auf. Wir nähern uns den Südalpen. Es geht vorbei an Ross, einem weiteren Goldgräberort, der die vorbeikommenden Touristen an Goldwaschstellen lockt. Leider beginnt es gerade mal wieder zu regnen und wir fahren unverrichteter Dinge weiter. Wir hätten ja eh nicht genug Platz in unseren Taschen für das ganze Gold.
Bald darauf endet der Radweg und verläuft nun ausnahmslos auf dem hier überwiegend von Touristen stark frequentierten Highway 6. Außer ein paar kleinen abgehenden Stichstraßen, gibt es in dieser Region keine anderen Verkehrswege. Hier erwischt uns ein heftiger Regenschauer mitten auf einer Strecke, wo weit und breit kein Unterschlupf ist. In großer Hast erreichen wir dann endlich einen Rastplatz an der Straße, der sogar einen überdachten Sitzbereich hat. Patschnass schlüpfen wir unter und wenig später wird uns aus einem der parkenden Wohnmobile zwei Tassen mit heißem Tee gebracht werden. Bei so viel spürbarer Nächstenliebe schaut die Welt doch gleich wieder ein bisschen heller aus. Der Rastplatz ist zugleich ein DOC Übernachtungsplatz an einem Seeufer und so verbingen wir auch gleich die Nacht hier.
Weiter geht es auf der Hauptstraße dahin. Viele Wohnmobile und Campervans sind unterwegs, doch zum Glück kaum ein Laster oder dergleichen. Es geht recht eben dahin und wir können Kilometer machen. Nur ab und zu bringt uns, in der hier herrschenden hohen Luftfeuchtigkeit, ein Anstieg zum Schwitzen. Rechts ist hin und wieder das Meer zu sehen, links ragen die hohen Berge der Südalpen auf - und hinter uns naht eine bedrohlich aussehende dunkle Wolkenwand.
Wir schaffen es noch unbehelligt bis nach Franz Josef, so heißt der kleine Ort dessen nahegelegener gleichnamige Gletscher viele Touristen anlockt. Doch die Touristenattraktion hüllt sich in Wolken. Helikoptergeräusche erschallen, die meisten Läden hier bieten Rundflüge an - ja sehen die da oben denn überhaupt was, bei dem Wetter. Und schon ergießt sich abermals ein heftiger Schauer über das Land und wir verharren geduldig am überdachten Toilettenbereich. Unterkünfte gibt es im Ort reichlich, doch entsprechen die allesamt nicht unserem Budget. Der Campingplatz im Ort bietet nur Wohnmobilstellplätze, also tanken wir Wasser und suchen uns am Ortsrand, nahe des zu Tal stürzenden Gletscherflusses, ein ruhiges Plätzchen. Die Sonne kommt noch mal hervor und Regenbögen zieren das Bergpanorama. Schön! Aber das finden auch die Sandfliegen und erfreuen sich mal wieder prächtig an unserer Anwesenheit.
Am nächsten Morgen werden wir von Helikoptergeräuschen geweckt. Man ist schon wieder feste dabei zahlenden Kunden ein Blick auf die Bergwelt von oben zu verschaffen. Erstmal sieht es erfolgsversprechender als gestern aus und die Sonne lockt auch uns aus dem Zelt - das haben wir auf dieser Tour bisher kaum erlebt. Doch nach einem kurzen sonnigen Ausblick, hüllt sich schon bald alles wieder in dichtem Morgennebel.
Nur 20 Kilometer weiter wartet der nächste Gletscherort an der Strecke. Doch drei längere Anstiege lassen uns erst nach 2 Stunden Fox erreichen. Etwas kleiner und beschaulicher als das vorherige Franz Josef, doch ihm sehr ähnlich. Auch hier wirbt man überall mit Gletschertouren.
Inzwischen erreichen uns von zu Hause echte Winterfotos und wir müssen zugeben, dass uns die Temperaturen hier doch weitaus angenehmer sind, denn selbst an Regentagen wird es nicht wirklich richtig kalt. Meist bewegen sie sich am Tag so um die 20 Gradmarke und in der Sonne kann es sogar richtig heiß werden.
Ab der Bruce Bay kommen wir der Küste noch ein paarmal ganz nah. Auf einzelnen Steinen, die sich zu einem großen Haufen türmen, haben sich viele Vorbeikommende verewigt. Nun liegt auch ein Stein von uns dort. Hin und wieder locken weitere Aussichtspunkte zum Anhalten. Ein paar Felsen ragen vor der Küste aus dem Wasser und wie wir uns das Panorama so betrachten, springen tatsächlich ein paar Delfine übers Wasser. Aber nur für einen kurzen Moment, dann ist der Spuk schon wieder vorbei. Etwas später bietet ein Aussichtsturm den Blick auf den Strand und Holzwege führen durch die Dünen. Ein Pinguinrevier, doch zu sehen gibt es keine. Kein Wunder, bei den vielen neugierigen Besuchern.
Bei Haast verlässt endgültig die Straße die Westküste. In einem großen Infogebäude, mit einer sehr aufwendigen Freiflächengestaltung, finden sich in einer unscheinbaren Ecke ein paar interessante Angaben über die landesweiten regionalen Regenfälle. So hat das Gebiet um Haast eine drei- bis vierfach höhere Niederschlagsmenge als Auckland und Wellington auf der Nordinsel. Da hatten wir ja in den letzten Tagen fast ein bissel Glück mit dem Wetter, denn so viel schlimmer empfanden wir es gar nicht. Dass das angestrebte Christchurch an der Ostküste nun sogar nur halb soviel wie die Nordinselstädte haben soll, macht uns Mut, auch wenn das immer noch doppelt soviel, wie in Hamburg ist.
Im Ortszentrum von Haast tummeln sich viele Touristen. Es ist Mittagszeit und viele machen ebenso, wie wir, einen Stop und genehmigen sich eine Portion Fish und Chips. Noch ist die Küste nah und es gibt einige Möwen, die geduldig und sehr geschickt auf Rester warten.
Nun geht es endgültig ins Landesinnere. Wir folgen dem Haast River, dessen breites Flusstal sich zunächst noch recht eben durch ein Tal zieht. Einige Wasserfälle gibt es zu bestaunen, doch nichts wirklich Gigantisches. Einen Tag später gehen wir den Anstieg über den Haastpass an. Anfangs mühen wir uns sehr auf der recht steilen Straße, doch dann wird es etwas flacher und schon ist der 560 m höhere Pass erreicht.
Doch es geht nicht lange wieder hinab. Schnell weitet sich die Umgebung wieder und der folgende Wanaka Lake liegt auch noch fast 300 m hoch. Für die folgenden Tage ist mal wieder eine Wetterverschlechterung angesagt und ein freundlicher Rückenwind motiviert uns, den Tag voll auszunutzen. Nach einem weiteren Anstieg über die Berge am See, gelangen wir zum benachbarten Lake Hawea, der uns unserem Etappenort Wanaka immer näher bringt, doch kurz vorm Tagesziel, dem Campingplatz am Südende des Sees, hat man noch ein paar brutale Anstiege entlang des Seeufers eingebaut. Muss das denn sein, so kurz vorm Feierabend? Wir sind froh, den Campingplatz zu erreichen, auch wenn er nicht zur Kategorie unserer beliebtesten Übernachtungsplätze zählen wird.
In der Nacht stürmt es auf dem See unüberhörbar und der folgende Tag ist tatsächlich regnerisch. Na so was, hat der Wetterbericht doch manchmal recht. Auf unserem Weg ins nahe Wanaka haben wir, als wir das Ende des Sees kreuzen, zunächst noch große Mühe dem heftigen nun seitlich wehendem Wind Herr zu werden, der uns nur schwer das Rad beherrschen lässt. Dann wird es aber besser und schon bald ist Wanaka erreicht.
Wir haben uns in den letzten Tagen bemüht eifrig Kilometer zu machen, da wir befürchteten, dass uns aufgrund der vielen Regentage, die uns seit Beginn der Tour zu teils ungewollten Zwangspausen verdonnert haben, die Zeit bis zu unserem geplanten Australienflug in Christchurch Mitte Januar zu knapp wird. Nach 14 fleißigen Radeltagen gönnen wir uns aber nun ein paar Ruhetage in einer Hütte auf dem Zeltplatz am Seeufer im Ortszentrum von Wanaka. Wir liegen wieder gut im Plan und hoffen auf eine entspannte Zeit über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel.
Wir wünschen auch Euch eine schöne Weihnachtszeit und erholsame Feiertage.