Heimfahrt

3. - 12. Mai 2019

Frankfurt - Dresden

Geradelte Strecke: 690 km (Insgesamt 4594 km)

Wieder einmal geht eine Tour zu Ende!

Nach dem insgesamt 24-stündigen Flug hat uns leider die Heimat diesmal nicht mit dem von uns ersehnten schönen und sonnigen Wetter empfangen, sondern uns auf den restlichen 600 Kilometern von Frankfurt nach Dresden mit nahezu winterlichen Wettereskapaden geärgert - und das im Wonnemonat Mai. Doch wir haben uns nicht unterkriegen lassen und sind eine reichliche Woche nach unserer Landung nun auch in Dresden eingerollt.

oe5 11 1 oe5 11 1Inzwischen hatten wir auch Zeit gedanklich zurückzuschauen auf das, was wir am anderen Ende der Welt erlebt haben:

Mehr als ein halbes Jahr waren wir diesmal von zu Hause weg, etwa 4 Monate davon in Neuseeland, und soweit weg, wie noch nie zuvor. Wir sind mit sehr großen Erwartungen hierher gekommen - konnten sie erfüllt werden?

Zunächst unser Eindruck von Neuseeland als Radreiseland:

Es gibt im ganzen Land verbreitet mehrere landschaftlich erlebnisreiche und eigens für Radler angelegte Routen. Viele folgen ehemaligen Bahntrassen, aber es geht auch durch Flusstäler und  Bergregionen. Mit Asphalt oder Ähnlichem sollte man allerdings nicht rechnen. Die Wege sind fast immer Naturpisten oder geschottert. Auch die Profile sind manchmal so extrem schroff, dass sie eher einem hyperaktiven Mountainbiker, als einem vollbepackten Tourenradler gerecht werden und dann sehr aufwendig und kräftezehrend zu befahren sind.

Um weiter durchs Land zu kommen, müssen aber auch oft öffentliche Straßen benutzen werden und wehe, man hat nicht die Möglichkeit auf Nebenstraßen (die im Übrigen auch oft nicht asphaltiert sind) auszuweichen, dann hört der Spaß auf. Die Hauptstraßen sind zwar gut ausgebaut, verfügen aber selten einen benutzbaren Seitenstreifen oder gar über eigene Radspuren. Der Verkehr ist, bis auf ein paar Ausnahmen, nicht sehr dicht und würde eigentlich genug Platz für uns und die Autos bieten, doch leider ist der Fahrstil hier im Land sehr rabiat und hat uns oft verzweifeln lassen, denn viel zu häufig wurde uns nicht genug Sicherheitsabstand gewährt. Man ist hier einfach nicht an Radler auf den Straßen gewöhnt. Neuseeländer lieben das Fahrradfahren nur als Freizeitspaß, im Alltag findet das Rad kaum Verwendung. Vielleicht auch kein Wunder bei der Weitläufigkeit im Land, wo Läden und Arbeitsplätze meist in vielen Kilometer Entfernung aufgesucht werden müssen. Radwege im öffentlichen Verkehrsraum findet man nur in wirklich richtig großen Städten und diese könnte man an einer Hand abzählen.

Als radelnder Reisender erweckt man aber eine besondere Aufmerksamkeit und Interesse und man nimmt wahrscheinlich unter den vielen im Land Herumreisenden einen besonderen Stellenwert ein. Jedenfalls haben wir viel freundliches Feedback bekommen, wenn sich doch dies nur auch im Verkehr gezeigt hätte. Dabei sind sich die Kiwis der Gefahr auf der Straße durchaus bewusst, denn mehr als einmal wurden wir diesbezüglich bedauert.

Wenn man mit dem Rad unterwegs ist, kommt man nur schwer um wildes Campen drumherum und das ist in Neuseeland etwas kompliziert, zum einen nicht erwünscht und zum anderen, aufgrund der vielen eingezäunten Flächen, sehr schwierig. Wir haben es dennoch gemacht, doch häufig mit einem unguten Gefühl.

Und sonst:

Um es vorweg zu nehmen, Neuseeland ist tatsächlich ein wunderbares Land und ganz sicher eine Reise wert. Wir hatten eine schöne und interessante Zeit bei den Kiwis und sind froh, dieses Land kennengelernt zu haben. Doch unsere Erwartungen waren leider etwas zu hoch. Durch den Medienhype wird einem Neuseeland, als das Traumreiseziel schlechthin präsentiert und mit allerlei Superlativen nicht gespart. Zurückblickend auf unsere Reise finden wir das alles nun allerdings etwas zu sehr aufgeputscht.

Hier nun unsere gesammelten Erfahrungen mit 10 der verbreiteten Klischees über "Das schönste Ende der Welt":

"Die Landschaft Neuseelands ist einzigartig und schön."

Ja, das ist unumstritten. Hier bekommt man auf engstem Raum landschaftlich wirklich viel geboten. Berge mit Gletscher, Vulkane, tiefe Fjorde, urwüchsige Regenwälder, einsame Strände und schroffe Klippen, heiße Quellen, blubbernde Geysire und vieles mehr. Wir haben auch wunderbare einsame Natur erleben und genießen können.

Alles wirklich schön, doch, so wie das ganze Land, eben alles auch etwas kleiner, als Gleichartiges, das wir auf unseren Reisen schon zuvor zusehen bekommen haben, vieles davon auch vor der heimatlichen Haustür. Das wirklich Besondere des Landes ist eben: so viel Verschiedenes so konzentriert geboten zu bekommen, was natürlich beim langsamen Reisen mit dem Rad nicht ganz so auffällt. So blieb bei uns der richtig große Wow-Effekt leider aus.

Uns blieb auch nicht verborgen, dass die malerischen, sanften und grünen Hügel, die ja auch ein Aushängeschild des Landes sind, mitnichten ursprünglicher Natur sind, sondern das Ergebnis einer radikalen Abholzung, was natürlich den Eindruck sehr trübt.
Und dann sind da noch die unendlich vielen Zäune, fast alles ist eingezäunt, sogar Wälder.

"In Neuseeland gibt es mehr Schafe als Menschen.“

Die Landwirtschaft ist neben dem Tourismus die größte Einnahmequelle des Landes und ja, es gibt viele Schafe. Aber wir haben das Gefühl bekommen, dass mindestens genauso viele Kühe auf den unzähligen Weiden stehen. Zudem haben wir nicht selten auch skurrilere Tiere hinter den Zäunen zu sehen bekommen, die hier nun gar nicht herzupassen scheinen, wie Alpakas, Rehe und Strauße.

Die wilde Tierwelt des Landes beschränkt sich vorwiegend nur auf unspektakuläres Kleingetier, wie Hasen, Possum u. Ä., welche allerdings hier sehr unbeliebt sind, da sie, aufgrund mangelnder natürlicher Feinde, sich zu sehr vermehren und Schäden in der Natur anrichten.
Für eine Beobachtung der im Wasser lebenden Tierwelt vor den Küsten, wie Pinguine, Wale und Delfine war leider für uns nicht die richtige Reisezeit.

So bleibt für uns nur der Eindruck von einer großen Vogelvielfalt, welcher jedoch in Australien getoppt werden konnte.

"Neuseeland ist ein Paradies und unberührt von den Problemen der Welt."

So ein Paradies auf Erden gibt es wahrscheinlich nirgends und auch Neuseeland bleibt nicht von den vielen Zivilisationskonflikten verschont. Hier gibt es genauso viele, wie anderswo auch, wenn auch der erste Eindruck tatsächlich ein ausgesprochen friedlicher ist. Einer unserer Gastgeber, der bei der Polizei beschäftigt ist, hat uns ziemlich eindrücklich beschrieben, dass Diebstähle, Überfälle, Vergewaltigungen, Morde usw. hier genauso vorkommen, wie im Rest der Welt und zudem viel zu viele schwere Unfälle. Letzteres wundert uns gar nicht, nachdem wir den rasanten Fahrstil auf dem Inselstaat am eigenen Leib zu spüren bekommen haben.

Nun, und dann ist da auch noch das schreckliche Attentat, das während unserer Reise in Christchurch geschehen ist und viel Leid gebracht hat. Auch so was macht offenbar vor einem vermeintlichen Paradies nicht halt, sodass auch das abgelegene Neuseeland sich nicht aus der Weltpolitik heraushalten kann.

Und ist es ein sicheres Reiseland? Neuseeland ist ein modernes und hoch entwickeltes Land. Alles geht geordnet und geregelt zu, es ist ordentlich und sauber, für alles ist gesorgt, auch für Hilfe in einem Notfall, ganz, wie man sich das als verwöhnter Mitteleuropäer wünscht. Diesen Luxus genießt man natürlich gerne, doch braucht man dafür nicht extra um die halbe Welt zu fahren.

"Neuseeland, das Kiwiland."

Die Neuseeländer nennen sich selbst liebevoll "Kiwis". Anfangs dachten wir noch, dass dies nur ein aufgezwungener Spitzname ist, aber nein, die Bewohner sind stolz darauf.

Jedermann bekannt ist sicher die neuseeländische Kiwifrucht. Die gibt es hier auch tatsächlich. Wir haben sie jedoch nie auf Plantagen, sondern nur in den Supermärkten und danach auf unseren Tellern zu sehen bekomme. Im Übrigen zu recht hohen Preisen.

Und dann gibt es ja noch den Kiwivogel, das Wappentier des Landes, Namensgeber einer ganzen Nation, sowie der Ersatzname für die eben erwähnte und eigentlich chinesische Frucht. Das nationale Maskottchen scheint jedoch unsichtbar zu sein. Nicht einer, der von uns befragter Neuseeländer, hat in seinem Leben diesen einzigartigen Vogel in der Wildnis zu sehen bekommen (allenfalls im Zoo oder einer Aufzuchtstation) und so standen von vornherein auch für uns die Aussichten nicht günstig. Da wir ja aber der Natur nun wirklich nahegekommen sind, besonders in den, von dem Vogel bevorzugten Nachtstunden, hatten wir dennoch große Hoffnungen. Leider umsonst. Wir glauben aber, zumindest seinen markanten Ruf vernommen zu haben. Dennoch stellt sich die Frage, ob dieser Vogel überhaupt existierte oder ob er nur das Ergebnis einer großen Marketingkampagne ist. Viele Orte oder Gebiete werben mit dem Logo ein "Kiwi Country" zu sein, präsentieren den Vogel auf verschiedenartigste Weise und füllen die Souvenirregale mit kuscheligen Attrappen in allen Größen, aber eben leider nie in echt.

"Neuseeland, das Mittelerde der Hobbits.“

Seit der Verfilmung von "Der Herr der Ringe“, ist Neuseeland auch als "Mittelerde“ bekannt. Kein Wunder, die vielfältige und teilweise märchenhafte Landschaft ist geradezu dafür geschaffen, um in einer sagenumwobenen Fantasywelt zu spielen. Zudem ist der Regisseur ein gebürtiger Neuseeländer.

Für richtige Mittelerde-Fans ist es natürlich ein echtes Erlebnis, die berühmten Filmschauplätze zu erkunden. Allerdings gehören wir nicht zu dieser Fangemeinde. Wir haben zwar die Reise dafür genutzt, um uns an vielen Abenden, mittels Hörbuch, mit den erzählten Geschichten bekannt zu machen, aber sie konnten uns nicht wirklich in ihren Bann ziehen. So haben wir die, heute zu Touristenmagneten aufgemotzten, verschiedenen Drehorte im mythischen Auenland lieber den wahren Fans überlassen.

"Neuseeland ist ein teures Reiseziel."

Ja, das stimmt. Neuseeland ist kein Billigreiseland, das fängt schon beim Flugticket an. Wenn man dann jedoch im Land, so wie wir, unterwegs ist, durchaus erschwinglich.

Viele Waren müssen über weite Distanzen importiert werden und haben ihren Preis, doch auch manche einheimischen Produkte sind wunderlicherweise nicht viel günstiger. Allen voran die Milchprodukte sowie Obst und Gemüse. Woran das liegt, wissen nur Experten. Wenn man sich aber auskennt, und das sollte nach 6 Monaten eigentlich sein, auf teure und eingeführte Markenprodukte verzichtet und sich auch nicht, koste es, was es wolle, 100%ig gesund ernähren will, kommt man eigentlich ganz gut weg und findet sogar Dinge, die es bei uns sogar teurer gibt.

Mit dem Auto unterwegs zu sein ist auf keinen Fall günstig. Die Benzinpreise ähneln sehr den deutschen. Campingplätze gibt es in allen Preislagen: von umsonst bis teuer, und ebenso in allen Wohlfühlstandards: von idyllisch und praktisch bis ungemütlich und hässlich. Man muss sich eben im Vorfeld etwas informieren. Erfreulicherweise konnten wir auch zu erschwinglichen Preisen gute Unterkünfte beziehen und das ist, in diesen Breiten, mit seinen häufigen Wettereskapaden, Gold wert.

Was aber unumstritten die Reisekasse sehr belasten kann, sind die teilweise horrenden Eintrittspreise für Touristenattraktionen, so haben wir lieber auf vieles davon verzichtet und nach erschwinglicheren Alternativen Ausschau gehalten.

"Neuseeland und die Maori Kultur."

Die Bedeutung der Ureinwohner für das Land bekommt man natürlich zu spüren. Orte, Straßen, Berge und Flüsse tragen häufig zungenbrecherische maorische Namen. Auch sonst scheint die Sprache sehr verbreitet zu sein und soll sogar in den Schulen gelehrt werden.
Bei genauerem Beobachten fällt zwar auf, dass die weniger schicken Häuschen in den tristeren Vororten scheinbar häufiger von den Nachkommen der ersten Siedler des Landes bewohnt werden, dennoch wirken sie im öffentlichen und auch im Arbeitsleben viel mehr integriert, als zum Beispiel die Aborigines im Nachbarstaat.

Oft gibt es maorische Schnitzereien zu sehen, ansonsten ist von ihrer ursprünglichen Kultur im Alltag nicht viel zu spüren und man bekommt sie nur zu sehen, wenn man den angebotenen Touristendarbietungen beiwohnen würde, was wir nicht getan haben.

"Neuseeländer sind ausgesprochen freundlich und offen."

Das können wir durchaus bestätigen. Natürlich sind wir, durch unsere Art von Reisen, besonders dafür geschaffen, sehr nahe an die Bevölkerung eines Landes heran zu kommen, und wir sind tatsächlich vielen netten Kiwis begegnet.

Vor allem begeistert hat uns die große Gastfreundschaft der Warmshower-Mitglieder im Internet. Noch nie haben wir auf unsere Anfragen so viel Entgegenkommen zu spüren bekommen und sind so unvoreingenommen und herzlich aufgenommen wurden, wie hier. Wir geben zehn von zehn Sternen für die "warmen Duschen"-spender in Neuseeland. Die erlebte Großherzigkeit ist kaum zu überbieten.

Auch unterwegs ist man sehr offen an uns herangetreten, war neugierig und aufgeschlossen. Wir haben festgestellt, dass hier am A... der Welt ein recht reiselustiges Völkchen lebt, was durchaus bereit ist, trotz der großen Entfernungen, sich in der Welt umzuschauen und es scheint, als ob fast jeder schon mal in Deutschland oder zumindest in Europa war.

Das uns entgegengebrachte Verhalten steht allerdings in einem kleinen Widerspruch zu der Meinung, die durch die Medien verbreitet wird. Da wird ziemlich oft, über die Belastungen, die der Tourismus so mit sich bringt, geklagt.

"In Neuseeland kann man vier Jahreszeiten an einem Tag erleben."

Anders gesagt: In Neuseeland herrscht das ganze Jahr Aprilwetter! Das Klima ist schon sehr außergewöhnlich und bietet alles von tropisch bis alpin und zudem nahe beieinander. Diese Einzigartigkeit hatte allerdings für uns wenig Wohlfühlcharakter.

Dass die üppige grüne Landschaft natürlich nur entstehen kann, wenn es ausreichend Niederschlag gibt, ist eigentlich klar. Doch irgendwie haben wir das im Vorfeld verdrängt und mussten erst eines Besseren belehrt werden.

Dabei bedeutet "Aotearoa", die Maori-Bezeichnung für Neuseeland, "Land der langen weißen Wolke". Und ja, Wolken gibt es hier genug. Leider auch viel zu viele Regenwolken, die es uns, gerade zu Beginn der Reise, sehr schwer gemacht haben. Wir sind aber auch positiv überrascht worden, zum Beispiel mit ein paar durchgehend herrlich sonnigen Tagen an der Westküste der Südinsel. Dabei ist ausgerechnet diese Region normalerweise für ihr schlechtes Wetter verrufen. Auch die Herbstzeit hat uns unverhofft bestes Reisewetter beschert. Über die Sommermonate können wir nicht viel berichten, da wir diese im wiederum viel zu heißen Australien verbracht haben, doch zumindest der Anfang, der ja auf den Jahreswechsel fällt, wirkte vielversprechend.

Im Winter hier mit dem Rad unterwegs zu sein, finden wir so gar nicht verlockend und machen uns lieber vorher noch aus dem Staub.

"Neuseeland - das Ende der Welt."

Man braucht aber keine Angst haben herunterzufallen, denn  - es ist eingezäunt!