22. Oktober - 16. November 2018
Aukland - Tairua - Waihi - Paeroa - Rotorua - Whanganui
Geradelte Strecke: 1069 km
Ja, nun haben wir uns also auf den weiten Weg nach Neuseeland gemacht, um nun auch diesen Bereich der Welt kennenzulernen. Und es ist wirklich sehr weit. Würde man von hier eine gerade Linie durch den Erdmittelpunkt ziehen, käme man in Südspanien heraus. Viel weiter von Deutschland entfernt geht es also nicht. Es sei denn, man wöllte sich im Pazifischen Ozean umsehen. Aber das würden wir nun wirklich nicht so interessant finden. Also haben wir hier unser Ende der Welt erreicht.
Unser Reiseplan ist wie immer nur sehr grob. Aufgrund der für uns umständlichen Visabedingungen (welche wir im vorherigen Beitrag schon erläutert hatten) haben wir jedoch von vornherein in Betracht gezogen, dass wir nach der 3-monatigen visafreien Aufenthaltsdauer dem benachbarten Australien einen Besuch abstatten könnten, um danach erneut in Neuseeland einzureisen.
Diese Entscheidung wurde uns nun, dank der "netten" Angestellten auf dem Frankfurter Flughafen, schneller als gedacht abgenommen. Weitere Überlegungen haben uns nun nahe gebracht, dass 6 Monate für Neuseeland eine reichlich bemessene Reisezeit ist, denn das Land ist gar nicht so groß, wie angenommen. Seine Fläche beträgt gerade mal 3/4 der von Deutschland - komisch aus der Ferne kam es uns irgendwie größer vor.
Wenn wir nun also ohnehin nach Australien fliegen müssen und zudem gerade sowieso in der Gegend sind, warum also den Nachbarstaat nicht gleich etwas genauer begutachten? Also machen wir Nägel mit Köpfen, verschieben unsere Flugdaten nochmals und haben nun einen überschaubaren Reiseplan für das nächste halbe Jahr auf der Südhalbkugel:
Zunächst werden wir etwa 3 Monate, bis Anfang nächsten Jahres durch Neuseeland radeln und ab Mitte Januar für etwa 10 Wochen durch Australien touren. Ende März kommen wir nach Neuseeland zurück und werden die Reise in Ruhe ausrollen lassen, ehe dann Anfang Mai unser Flug zurück auf die andere Seite der Welt ist. Doch bis dahin ist noch viel Zeit ....
Nun machen wir uns also erst mal auf, um das Land der Kiwis kennenzulernen. Hier heißen nicht nur die uns bekannten Früchte und der hier lebende Vogel, das Nationalsymbol des Landes so, sondern auch die Einwohner selbst nennen sich so. Alle Welt schwärmt von diesem Teil der Erde in den höchsten Tönen - wir sind gespannt.
Erwartungsvoll schieben wir, nach der glücklich überstandenen Einreiseprozedur (siehe ebenfalls vorheriger Beitrag), unseren Gepäckberg aus dem Aucklander Flughafen. Es ist Mittagszeit und strahlender Frühlingssonnenschein empfängt uns. Zu unserer großen Überraschung steht extra für die angereisten Fahrradfahrer eine eigens eingerichtete Zusammenbauecke bereit. Wir sind wirklich schon viel herumgekommen, doch so wurden wir noch auf keinem Flughafen willkommen geheißen. Hier scheint man ein Herz für Radreisende zu haben. In aller Ruhe schrauben wir nun unsere treuen Reisegefährten wieder richtig zusammen, schwingen uns auf die Sättel und rollen hinein ins Land.
Doch nach der etwa 40-stündigen Reisezeit (inklusive Fahrt von Dresden nach Frankfurt und Wartezeiten in Frankfurt und Bangkok) sind wir hundemüde und sehnen uns nach einem ruhigen Plätzchen, um den versäumten entspannenden Schlaf nachzuholen, denn daran war während der Anreise kaum zu denken. Wir inspizieren noch kurz in einem nahen Supermarkt das örtliche Angebot, bunkern die ersten neuseeländischen Dollar in unseren Taschen und machen uns auf die Suche nach einem Platz für unser Zelt, denn die 20 km ins Zentrum Aucklands wollen wir erst morgen in Ruhe angehen.
Entlang der Küste erstreckt sich der Ambury Regional Park, hier müsste doch was zu finden sein. Doch wir tun uns schwer mit der Platzsuche, denn noch wissen wir nicht genau, wie die Neuseeländer hinsichtlich des Wildcampens ticken - ach, wie einfach war dies doch in Skandinavien, auf unserer Tour zuvor.
Endlich findet sich etwas, versteckt hinter Büschen. Wir können es kaum erwarten, dass die Sonne untergeht und wir das Zelt aufbauen können. Noch bevor unsere Köpfe auf die Kissen gesunken sind, fallen uns die Augen zu.
Als wir fast 12 Stunden später aus einem komatösen Tiefschlaf erwachen, steht die Sonne schon hoch am Himmel. Nun aber schnell zusammenpacken. Die 11 Stunden Zeitunterschied (in wenigen Tagen, nach Ende der Sommerzeit in Deutschland, werden es sogar 12 Stunden sein) scheinen mühelos überwunden, von Jetlag keine Spur.
Nun steuern wir Auckland an. Sie ist die größte Stadt des Landes und befindet sich auf einer schmalen Stelle im nördlichen Zipfel der Nordinsel. Wir rollen durch einen Vorort nach dem anderen.
Während eines kurzen Fotostopps hält ein Radler neben uns. Der Aucklander Phil ist selbst begeisterter Tourenradler und trainiert gerade für seine bevorstehende Afrikareise. Er bietet uns an, uns auf den Weg in die Stadt zu begleiten.
Dazu muss nun aber zunächst der fast 200 m hohe Hügel des One Tree Hills (Ein Baum Berg) überwunden werden, die Spitze eines ehemaligen Vulkans. Im Gegensatz zu seinem Namen sehen wir auch ohne genauem Nachzählen mehr als einen Baum, denn es geht durch eine parkähnliche Gegend hinauf. Ganz nach oben kommen wir aber nicht, denn der Zugang ist mit unseren Rädern schlecht machbar.
In und um ein Ausflugslokal tummeln sich trotz des Vormittags mitten in der Woche viele Besucher in der Sonne. Doch bei genauerem Hinsehen bemerken wir, dass dies überwiegend Eltern mit Kleinkindern und Senioren sind. Phil möchte uns zum Lunch einladen, doch wir lehnen ab, da wir ja gerade erst gefrühstückt haben und die Gastfreundschaft auch nicht überstrapazieren möchten. Doch wir willigen ein, eine kleine Pause zu machen und um uns gemeinsam etwas auszutauschen. Es ist natürlich schön, so schnell die Bekanntschaft eines Einheimischen zu machen und sehr interessant. Unser neuer Bekannter, dessen Vorfahren übrigens, einige Generationen zurück, aus Deutschland stammen, bringt uns noch ins Zentrum bis vor die Tür unserer gebuchten Unterkunft. Danke für das herzliche Willkommen hier im Land, Phil!
Wir lassen uns nun 2 Tage Zeit, um uns in Ruhe an das Land zu gewöhnen und um natürlich auch Auckland etwas kennenzulernen.
Ein Ausflug führt uns dabei auf den Mount Eden. Wie auch schon der One Tree Hill ist er ein ruhender Vulkan und mit knapp 200 m Höhe der höchste Aussichtspunkt der Stadt. Von einem grasbewachsenen Kraterrand hat man eine schöne Aussicht auf das Panorama Aucklands und die umgebende Küstenregion mit dem "Auckland Volcanic Field“ - vielen weiteren Vulkanhügeln. Echt schöne Gegend.
Auckland ist eine Millionenstadt, doch irgendwie kommt sie gar nicht so rüber. Zunächst scheint sie nur aus idyllischen Vororten zu bestehen, mit meist bungalowartigen Häuschen und kleinen Rasenflächen davor. Im unmittelbaren Zentrum geht es dann aber doch etwas enger zu und die glitzernden Glasfassaden der Häuser ragen weit hinauf. Alles wird jedoch vom Skytower getoppt, einem Aussichts- und Fernmeldeturm im Zentrum der Stadt, der aus nahezu jedem Winkel der Stadt zu sehen ist.
Doch auch das Stadtzentrum macht einen entspannten Eindruck auf uns. Natürlich gibt es hier unzählige Shopping- und Einkehrmöglichkeiten. Doch der Verkehr rollt gelassen durch die Straßen, kaum etwas von der eigentlich üblichen Großstadthektik zu spüren.
In unserer Unterkunft herrscht ein buntes Backpackerleben. Viele der überwiegend jungen Gäste sind mit einem Work- and Travelvisa für längere Zeit im Land. Die meisten von ihnen stammen aus Deutschland.
Nach drei Nächten verlassen wir Auckland und radeln Richtung Süden aus der Stadt heraus. Es geht durch große grüne Parks, mit riesigen Bäumen - wie viele Vögel es hier gibt. Es zwitschert und zirpt in jeder Ecke. Viele Töne dabei, die es so in unseren Breiten nicht zu hören gibt (allenfalls in Zoos).
Wir kommen wieder am Flughafen vorbei und stoppen noch mal kurz, um uns mit einer SIM-Karte fürs Handy für den Notfall etwas unabhängiger von WLAN-Zugängen zu machen. Noch eine Weile folgen wir entlang der Einflugschneise und über uns donnern im Minutentakt, die an- und abfliegenden Maschinen. Auckland hat den größten und wichtigsten Flughafen des Landes.
Der Linksverkehr im Land ist kein Problem, dies konnten wir ja zuletzt in Indien ausgiebig üben. Doch schnell bekommen wir auf den Hauptstraßen zu spüren, dass es die Neuseeländer eilig haben und schnelle Autos besitzen. Wir werden zwar akzeptiert, doch man bremst nur ungern ab. Nicht angenehm, denn häufig gibt es keinen Randstreifen. Unser großes Ansinnen für die kommende Zeit wird es daher sein, jede Möglichkeit zu nutzen, um auf Nebenstraßen auszuweichen, auch wenn dabei ein Umweg in Kauf zu nehmen sein sollte.
Die erste Möglichkeit zum entspannten Radeln bietet sich an der Firth of Thames. Sie ist eine große Bucht südlich des Hauraki Golfs, die auf die Coromandel-Halbinsel an der Ostküste führt. Entlang der Küste windet sich ein Rad- und Wanderweg fernab des Straßenverkehrs. Vor uns ragen die dicht bewaldeten Berge der Halbinsel auf. Rechts erstreckt sich weites eingezäuntes Farmland, auf dem, im Gegensatz zum Klischee, dass es hier von Schafen wimmeln muss, momentan allerdings Kühe in der Überzahl sind. Links liegt das Wattgebiet der Bucht mit niedrigen Mangrovenwäldern und einem schmalen recht feuchten Streifen Wiese dazwischen - wahrscheinlich ein Paradies für Vögel, denn die tummeln sich unüberhörbar reichlich. Hier findet sich auch für die Nacht ein Fleckchen fürs Zelt, wo sich jedoch bei Einbruch der Dunkelheit ein gewaltiger Regenschauer über uns ergießt. Es schüttet wie aus Eimern und unser nagelneues Zelt muss eine erste harte Bewährungsprobe bestehen. Wenn der Regen mal kurz nachlässt, hört man das nahe Meer recht bedrohlich tosen, doch am Morgen ist der Spuk vorbei, wenn dieser sich dennoch sehr grau und trübe zeigt.
Nun geht es vorbei an dem, der Bucht namensgebenden ehemaligen Goldminenort Thames zunächst weiter entlang der Küste und hinauf auf die Halbinsel. Ein Strand reiht sich entlang der schroffen Küste an den anderen. Dazwischen immer mal wieder Ferienhaussiedlungen und uns wenig ansprechende Ferienparks, in dem sich Hütten und Wohnmobile aneinanderreihen. Ein beliebtes Erholungsziel der Neuseeländer, Auckland liegt in Adleraugensichtweite auf der anderen Seite des Hauraki Golfs.
Doch schon bald biegen wir in das bergige Innere der Halbinsel ab und befinden uns schlagartig in einer anderen Welt. Dichter Regenwald umgibt uns. Farne, die wie Palmen in die Höhe raken und uralt aussehende riesige Bäume. Eine recht verlassene und geschotterte Piste führt uns so nach und nach hinauf auf den bis zu 900 m hohen zerklüfteten Gebirgszug, der sich der Länge nach über die Coromandel-Halbinsel erstreckt. Wenn es der dichte Bewuchs zulässt, ergeben sich auch schon mal schöne Ausblicke auf die unter uns in der Ferne liegende Bucht.
Leider macht der Regenwald seinem Namen alle Ehre, denn je höhere wir kommen, um so feuchter wird es. Nach einer Nacht in der Höhe, für die wir nur mit Mühe in der undurchdringlichen Wildnis einen Platz für unser Zelt finden, geht es am nächsten Tag wieder hinunter an die gegenüberliegende Ostküste.
Schon einige Male haben wir auf unseren Reisen das Angebot von Mitgliedern der WarmShowers-Internetseite nutzen können, welche Radreisenden eine Unterkunft und wie der Name schon sagt, warme Duschen zur Verfügung stellt. Nette Bekanntschaften haben sich schon daraus ergeben. Doch mussten wir auch feststellen, dass so manches Mitglied sich scheinbar aus einer Laune heraus irgendwann mal angemeldet und dieses dann offensichtlich wieder vergessen hat, sodass schon manche unserer Anfragen unbeantwortet blieb. Doch diesmal haben wir auf Anhieb Glück. Mary und Dave heißen uns in ihrem Heim in Pauanui an der Ostküste herzlich willkommen. Auch Dave ist ein begeisterter Radreisender und so einige Touren haben ihn auch schon nach Europa verschlagen. Wir verbringen einen schönen interessanten Abend mit den Beiden. Unglaublich diese Gastfreundschaft - Danke Dave und Mary!
Nun geht es aber hinein ins Zentrum der Nordinsel, in die Kulisse für Tolkiens mythische Mittelerde und der vermeintlichen Heimat der sagenhaften Hobbits. Eine regnerische Fahrt führt uns vorbei an Waihi einer weiteren Goldminenstadt. Wunderlich aussehende Hügel zieren die Gegend. Kein Wunder, dass man hier Fantasyfilme dreht. Dann können wir abermals auf einen eigens angelegten Radweg ausweichen, der auf einer stillgelegten Bahnstrecke verläuft. Auch hier kommen wir an den Überresten einer Goldmine vorbei.
Welcome to Hobbiton - so begrüßt ein Schild am Ortseingang von Matamata die Einfahrenden. Der Ort ist die Ausgangsstation für den Besuch des außerhalb der Stadt gelegenen Geländes, das als Drehort für die Trilogie "Der Herr der Ringe" diente und seit der Verfilmung eine Touristenattraktion darstellt. Die Touristeninformation mitten im Ort ist natürlich werbeträchtig in einer nachgebauten Hobbit-Behausung untergebracht. Doch das ist schon alles, was wir von dem Touristenspektakel mitbekommen, denn das Filmgelände, einschließlich der nicht geringen Eintrittspreise, überlassen wir den wahrhaften Fans und lassen es einfach links liegen (oder war es rechts?), zudem ergießt sich in gerade diesem Moment mal wieder einer der nun schon bekannten neuseeländischen Schauer über uns, der diesmal auch noch sehr unangenehme Hagelkörner auf uns niederprasseln lässt - brr ... Ausgerechnet jetzt sind wir auch noch gezwungen eine der Hauptstraßen zu benutzen und die Autos und Laster donnern nur so an uns vorbei. Schnellst möglich fliehen wir wieder auf die nächste geeignete Nebenstraße. Nein, also Neuseelands Hauptstraßen sind ein Himmelfahrtskommando für Radler.
Am nächsten Morgen dann mal wieder ein völlig unschuldig aussehender strahlend blauer Himmel über uns - als könnte er kein Wässerchen trüben. Doch das nehmen wir ihm nun schon lange nicht mehr ab. Inzwischen hat nun aber der November begonnen, ein weiterer Frühlingsmonat in diesen Breiten. Der Sommer naht, vielleicht bringt er ja nun endlich etwas beständiges Wetter mit.
Rotorua ist unser nächstes Ziel. Leider führt der Weg dorthin auch einige Kilometer über einen Highway und noch dazu mit einem längeren Anstieg. Es gäbe zwar eine Alternativroute auf einer Nebenstraße, doch laut Internet ist die seit ein paar Jahren gesperrt und es finden sich keine Infos, ob sie für Radler geeignet ist. Was also tun?: Das Risiko eingehen und diese Nebenstrecke ansteuern, um dann womöglich umkehren zu müssen und mehrere Kilometer umsonst gefahren zu sein, oder gleich auf der Hauptstraße bleiben und wohl oder übel den Verkehr in Kauf nehmen? An der Kreuzung, wo wir uns entscheiden müssen, beobachten wir eine Weile den Verkehr - einladend wirkt es nicht. Nun gut, versuchen wir es also mit der Umfahrung.
Die berüchtigte, nach unseren Vorinformationen gesperrte Leslie Road entpuppt sich zunächst, als eine herrlich ruhige Straße. Ein Auto hält neben uns und macht uns darauf aufmerksam, ja nicht die Räder allein zu lassen, es würden hier viele Diebstähle passieren, warnt uns aber auch, dass die Straße weiter nach Rotorua sehr schlecht wäre, aber wohl möglich - das klingt ja schon mal beruhigend.
Zunächst erwarten uns aber die am Wegesrand liegenden Blue Springs. Das herrlich türkisfarbene Wasser, der sehr ergiebigen Quelle, schlängelt sich durch feuchtes grünes Weideland, an dessen Verlauf man einen teilweise auf Holzstegen befindlichen Wanderweg errichtet hat. Doch wir machen nur einen kurzen Abstecher zum Wasser, das sogar in Flaschen als Trinkwasser abgefüllt wird. Bis hierher sind wir noch in Gesellschaft anderer Ausflügler und Reisender. Doch ab nun wird es einsamer.
Wenig später hält abermals ein Auto und die Insassen berichten, dass kein Durchkommen nach Rotorua wäre. Nun werden wir doch unsicher. Bald darauf endet der Asphaltbelag und aus der Straße wird nun eine Schotterpiste. Es geht stetig bergauf. An einer Durchfahrt steht ein Schild mit dem Vermerk, dass die Straße gesperrt ist. Doch noch ist alles bestens, zwar unbefestigt, doch meist gut zu befahren. Die Berghänge um uns herum wirken kahl, werden aber offensichtlich großflächig aufgeforstet.
Dann überholen uns in dieser Einöde zwei Radler. Das Pärchen aus Halle ist auf 4-monatiger Neuseeland-Australientour. Auch sie haben dieselben Weginformationen wie wir und sind nicht sicher, was uns noch erwartet. Doch das meiste der Strecke haben wir ja bisher ohne Probleme geschafft. Was soll jetzt noch passieren?
Und dann wird der Weg aber doch noch eklig. Zunächst geht es einige 100 m sehr schlammig zu. Riesige Pfützen müssen umfahren werden und letztendlich, kurz vorm Ende der Piste, versperren quer über dem Weg verlaufende Aufschüttungen und ein Graben das Fortkommen. Die zwei Hallenser haben aber schon das Terrain gecheckt und meinen es wäre möglich das Hindernis zu umrunden. Gemeinsam schieben wir, uns gegenseitig helfend, die Räder vorbei und gleich dahinter sind wir wieder auf einer richtigen Straße unterwegs. Da sind wir also doch gut durchgekommen und trotz der kleinen Widrigkeiten am Schluss, ganz bestimmt entspannter, als auf dem Highway. Alles richtig gemacht!
Nun geht es zügig und viel bergab auf Rotorua zu. Schon bald ist das Ufer des gleichnamigen Sees erreicht und wir steuern die dort gebuchte Unterkunft an. Die liegt in einem ruhigen Vorortwohngebiet in einem der hier typischen kleinen Wohnhäuser, welches wir uns die folgenden drei Tage mit anderen Gästen teilen. Mal wohnen, wie die Kiwis - warum nicht auch diese Erfahrung mal machen.
Rotorua ist ein sehr touristisch geprägter Ort. Selbst im Zentrum sind die geothermischen Besonderheiten des Gebietes unübersehbar. Hinter dem einen oder anderen Gartenzaun quellen ein paar Dampfwolken hervor, die vielen Unterkunftsmöglichkeiten werben mit Thermalpools und an jeder Ecke werden Touristen mit einem umfangreichen Angebot an Bespaßungen angelockt. Die reichen von adrenalingeladenen Unternehmungen, wie z. B.: Speedbootfahren oder Bungee-Jumping, über kostspielige Rundflüge bis zu kulturellen Maori-Veranstaltungen.
Der Rummel ist nix für uns. Wir genießen stattdessen die Ruhetage und machen ein paar kleinere Ausflüge zu den im Stadtgebiet zugänglichen kleinen Geysiren, dampfenden Seen und blubbernden Schlammlöchern und verschaffen uns bei einer kleinen Wanderung hinauf auf einen der Hügel einen Überblick über die Gegend. Nachdem wir nun aber schon vor ein paar Jahren derlei Naturgewalt viel spektakulärer im Yosemitepark in Amerika bestaunen konnten, kann uns dieser Ort nun wirklich nicht richtig in seinen Bann ziehen. Aber dafür kann er ja nichts.
Also schwingen wir uns wieder auf die Räder und setzen unsere Fahrt Richtung Süden fort. Auf kleinen Wegen und ruhigen Straßen erreichen wir etwa 30 km entfernt von Rotorua den Kerosene Creek, einen Bach, der auch durch natürliche heiße unterirdische Quellen erwärmt wird und in dem man baden kann. Der von jedem frei zugängliche und mitten in einer herrlich grünen dschungelähnlichen Umgebung gelegene Badeplatz lockt natürlich so einige an. Dennoch hält sich der Ansturm in Grenzen. Manche kommen auch einfach nur zum Gucken, auch die Badenden halten sich meist nicht lange auf. Es gelingt uns die Räder auf dem unwegsamen Zugang zum Bach nahe genug heranzuschieben, sodass wir beide uns ausgiebig in dem badewannenwarmen Wasser entspannen können. Herrlich!
Auch auf den weiteren Kilometern kommen wir immer wieder an kleinen und größeren Tümpeln vorbei, aus denen Dampfwolken emporsteigen. Auch so manche Weide, nennt einen Thermalpool sein eigen. Ob das die Vierbeiner zu schätzen wissen?
Uns schlagen nun aber so langsam die vielen Zäune im Lande aufs Gemüt. Alles scheint eingezäunt zu sein. Wohin man sieht: Überall Zäune, die sich kreuz und quer durch unnatürlich freie, hügelige Weidegebiete ziehen. Manchmal verläuft ein Radweg zwischen zwei Weiden und man ist zu beiden Seiten flankiert von übermannshohem Draht und Holzstecken. Da fühlt man sich ja wie in einem Hochsicherheitstrakt beim Ausgang.
So richtig stören tun diese "Käfige" bei der Suche nach einem Übernachtungsplatz. Aufgrund der immer größer werdenden Zahl von campierenden Touristen, hat Neuseeland in den letzten Jahren die Gesetzgebung extrem verschärft, was das freie Campieren betrifft. Empfindliche Strafen warnen alle, die dagegen verstoßen. Doch richten sich diese Restriktionen gegen die allgegenwärtigen kleinen und großen Wohnmobile, die hier im Land herumkurven. Für unsereins finden sich hingegen kaum eindeutige Informationen. Auch andere Radler berichten auf ihren Internetseiten kaum über entsprechende Erfahrungen. Ob die alle von einem öffentlichen Zeltplatz zum nächsten tingeln? Doch selbst wenn wir das wöllten, was natürlich so gar nicht unserer Art zu reisen ist, ist einfach nicht immer am Abend ein entsprechender Platz in der Nähe. Erst recht nicht, wenn man etwas abseits der üblichen Touristenwege unterwegs ist. Die überall verbreiteten Schilder "Privat Proberty" (Privateigentum) werden so langsam für uns zum Albtraum.
Dennoch gelingt es uns, mit mal mehr und mal weniger Aufwand, Abend für Abend zum Teil recht schöne Plätze zu finden, wo uns am Abend die Vögel ein Gute Nacht Lied zwitschern. Und zugegeben: hin und wieder finden sich auch wirklich nett angelegte offizielle Plätzchen, und wenn diese dann auch noch zur freien Verfügung stehen, lässt uns das wieder etwas versöhnlicher stimmen.
Weiter geht es von einem Radweg zum nächsten, die gibt es im Land tatsächlich zahlreich, doch sind die selten auf die Ansprüche eines Reiseradlers ausgelegt. Lose geschottert oder über Naturpfade geführt, schlängeln sie sich durchs Gelände. Wir vermuten, dass einige der Schlenker und das viele Auf und Ab extra als besonderer Kick für die Mountainbikefahrer eingebaut wurde. Einen schwer bepackten Radler allerdings kann dies mit der Zeit auch deprimieren, wenn man so scheinbar kaum vom Fleck kommt. Und dann gibt es auf den Wegen ja noch die netten verschlossenen Tiergatter, neben denen extra schmale Engstellen es uns unmöglich machen, diese ohne umständliches Gepäck Ab- und Aufladen zu passieren. Einmal gilt es auch eine lange Hängebrücke zu überqueren, auf denen kaum das leere Fahrrad Platz findet. Nein, langweilig wird das Radeln hier nicht!
Wir nähern uns dem Timber Trail. Diese insgesamt über 80 km lange Fahrradstrecke zählt wahrscheinlich zu den bekanntesten Fahrradstrecken hier. Im ersten Abschnitt führt der Wegverlauf auf fast 1000 m Höhe. Da sich das neuseeländische Wetter gerade mal wieder von seiner schlechtesten Seite zeigt, würden wir gern diesen Bereich umfahren. Unsere Karte sagt uns, dass dies auf einer Wald- und Wiesenpiste möglich sein könnte. Richtig eindeutig ist dies aber nicht und so fordern wir mal wieder unser Glück heraus.
Und fast scheint es, dass auch diesmal alles gut ausgeht. Doch dann, nach 10 km und einer mühsamen Stunde will uns eines der verhassten "Privat Proberty" - Schilder die Weiterfahrt verbieten. Nur wenige Hundert Meter trennen uns noch vom angestrebten Zugang zum Trail. Eine Umkehr kommt einfach nicht infrage. Also schnell die Räder ans andere Ende des weitläufigen Privatgeländes bugsiert, wo uns ein verschlossenes Gatter nötigt, alles einzeln hinüber zu heben.
Gerade noch rechtzeitig befindet sich alles jenseits des Zauns, als sich von den etwas entfernt stehenden Wohngebäuden ein Auto rumpelnd nähert. Eine Frau springt heraus, macht erst mal ein paar Fotos von uns und beginnt dann aufs Heftigste zu schimpfen. Ein total hysterischer Wortschwall bricht über uns herein. Wir hätten auf ihrem Privatgrundstück nichts zu suchen und das so unverschämt nur die Deutschen sind, die wären die Schlimmsten, Kiwis würden so was nie tun und wir sollten sofort wieder zurückfahren. Wie es sich also anhört, sind wir nicht die Ersten, die sich diese Unverschämtheit getraut haben.
Wir sind bemüht freundlich zu bleiben und würden ja gern erklären, wieso es zu diesem Missverständnis gekommen ist, dass man vielleicht nicht erst am Grundstück Verbotsschilder aufstellt, sondern vielleicht schon am Beginn des zuführenden Weges, da kaum jemand nach der mühsamen Anfahrt einsichtig wieder umkehren würde. Doch die Frau hat für unsere Beweggründe kein Ohr und erst recht kein Verständnis. Sie regt sich so auf, dass wir uns schon um ihr Wohlergehen sorgen. Natürlich fahren wir nicht zurück - was hätte das jetzt auch noch für einen Sinn, dann würden wir ja abermals ihr Territorium betreten - sondern machen uns auf den Weg und lassen die Frau, noch immer schimpfend stehen. Ihr bleibt nun zur Erinnerung ein Foto, von zwei im Regen stehenden Radlern (die sich jenseits ihres Besitzes befinden) und uns dieser Bericht, über eine ganz besondere Begegnung, die leider unserer ohnehin schon etwas vermiesten Meinung zum Land noch mehr trübt.
Am folgenden Tag genießen wir dann aber, bei inzwischen mal wieder freundlicherem Wetter, die zweite Hälfte des Timbertrails. Und ja, seine Popularität ist berechtigt.
Es geht hinein in die Tiefen des neuseeländischen Regenwaldes. Verschlungene Pfade führen durch dichte Vegetation, manchmal schafft es kaum ein Lichtstrahl auf den Waldboden.
Der größte Teil dieses Abschnitts führt auf der ehemaligen Strecke einer Schmalspur-Waldbahn die Mitte des letzten Jahrhunderts den Transport aus dem Wald zum nahen Sägewerk ermöglichte. Viele Infotafel berichten über diese Zeit, ehrfurchtsvoll betrachten wir die Schwarz-Weiß-Fotografien, bis wir irgendwann feststellen, dass die Kinder auf den Bildern, etwa das gleiche Geburtsjahr, wie wir haben. Tja, Neuseelands Geschichte ist eben noch sehr jung (- oder sind wir schon so alt?).
Besonderes Highlight des Trails sind die vielen, vielen (über 30) Hängebrücken, die über tiefe Schluchten und Abgründe führen. Die Längste ist 140 m lang. Wenn man da schaukelnd darüber rollt und von der Mitte aus in mehr als 50 m Tiefe auf einen reißenden Fluss blickt, kann einem schon bissel mulmig werden.
Ein schönes Erlebnis, wenn auch diese Strecke eher für Mountainbiker gedacht ist. Einigen begegnen wir, doch trotz seines Bekanntheitsgrades und des Wochenendtages geht es unterwegs sehr entspannt zu.
Nach drei Tagen durch größtenteils abgeschiedene Gegenden, haben wir die Wahl der Qual, denn aus dem bergigen Innenland der Nordinsel hin zur Westküste, gibt es gleich mehrere Radwegmöglichkeiten. Wir entscheiden uns für eine offensichtlich wenig frequentierte, den Fishers Track, denn er führt teilweise auf kaum ausgefahrenen Pfaden und Wiesenwegen entlang von Berghängen. Auch hier eine herrliche Landschaft um uns herum. An seinem Ende werden wir mit einem Blick auf die, leider etwas wolkenverhangenen, schneebedeckten Gipfel der Vulkane des Tongariro-Nationalparks belohnt.
Nun steuern wir die Westküste an. Ein Großteil des Weges dorthin folgen wir dem Whanganui River, der zum gleichnamigen Mündungsort an der Tasmansee fließt. Ein schönes kleines Sträßchen führt entlang des Flusses, der sich in unzähligen engen Flussschleifen in Tälern durch den Regenwald windet. Es geht ununterbrochen auf und ab. Das Gebiet ist nur dünn besiedelt und die wenigen kleinen Ansiedlungen haben manchmal merkwürdige Ortsnamen: Jerusalem, London oder Athen ... Eigentlich sind die meisten Namen von Orten oder Straßen maorischer Abstammung und wir tun uns mit ihnen sehr schwer, weil sie alle irgendwie ähnlich klingen: Pipiriki, Ruatiti, Piropiro und doch etwas von unserer gewohnten Sprachmelodie abweichen.
Nun haben wir schon 4 Tage Sonnenschein am Stück, wir können unser Glück kaum begreifen. Doch aufgrund des Ozonlochs über der Antarktis ist die UV-Strahlung in Neuseeland besonders aggressiv und lässt uns die Sonne nur mit Vorsicht genießen.
Am letzten Abend, bevor wir Whanganui erreichen, bescherrt uns Neuseeland eines dieser Camperglücksmomente. Einfach so, neben dem Sträßchen im Flusstal, eine kleine Zeltwiese und Hinweisschilder, die uns eindrücklich auffordern diese zu benutzen. Ein einfaches Toilettenhäusel, ein Wasserhahn und paar Sitzmöglichkeiten - mehr brauchen wir nicht, um einen friedlichen Feierabend nach einem Radeltag zu genießen. Später rollt noch Lukas auf seinem Rad herzu. Mit ihm radeln wir gemeinsam am nächsten Tag die restlichen 40 km zu unserem nächsten geplanten längeren Zwischenstopp in Whanganui. Auf halben Wege geht es nochmal hoch hinaus aus dem Flusstal, ein letzter Blick zurück auf die Strecke und dann ab in das kleine Städtchen, wo auf uns ein gebuchtes Zimmerchen für ein paar Ruhetage wartet.