Fazit zu unserer Indienreise
Wir sind wieder zu Hause. Fast sechs Monate waren wir diesmal auf Tour – mit den Fahrrädern unterwegs auf dem indischen Subkontinent.
Viel zu schnell sind wir, bei unserem Start zu dieser Reise, mitten hinein in die so andersartige Fremde katapultiert wurden, doch noch schneller haben wir uns auch wieder an die vertraute Heimat gewöhnt und die letzten Kilometer vom Flughafen in München nach Dresden, nach all den Entbehrungen der letzten Wochen, ausgiebig genossen. Dabei blieb auch genug Zeit, um auf das Erlebte noch einmal zurückzublicken.
Ja, wir hatten Respekt vor diesem Land und sind mit vielen Vorurteilen, positiven, als auch negativen, aufgebrochen. Was ist nun dran an den bekannten Klischees von Indien und was ist aus unseren Vorahnungen, die wir vor Beginn dieser Reise hatten, wahr geworden?
In unseren Erinnerungen wird Indien also nun das Land sein,
- in dem locker eine fünfköpfige Familie auf ein Motorrad passt, die Frauen sich in bunte Saris hüllen und sich die männliche Bevölkerung dem Kricketspiel hingibt.
- in dem in vielen unzähligen kleinen und großen, prächtigen und unscheinbaren Tempel der unübersehbaren Zahl an Göttern ausgiebig gehuldigt wird und in dem zwar weniger, aber unübersehbar auch Moscheen und Kirchen ebenso zum Leben dazugehören.
- in dem Kühe (und ihre Hinterlassenschaften) genauso zum Straßenbild gehören, wie die vielen anderen Verkehrsteilnehmer. Und das mit einer stoischen Gelassenheit, um die wir sie oftmals beneidet haben. Allerdings nicht um ihr heiliges Leben, denn das war meist alles andere als beneidenswert.
- in dem die allererste Verkehrsregel lautet: hupen, hupen, hupen und das dagegen liebliche Geklingel der Fahrradrikschas vom Aussterben bedroht ist.
- in dem, im krassen Gegensatz zum fast unerträglichen Tageslärm, in der Nacht überwiegend eine fast gespenstige Stille herrscht und eine erholsame Nachtruhe garantiert ist.
- in dem es unmöglich ist, sich der Kontaktfreudigkeit seiner Bewohner zu entziehen, man fast überall im Mittelpunkt des Interesses steht, unverhohlen und vor allem ausdauernd angestarrt und natürlich ausgiebig fotografiert wird, wir jedoch nie unfreundliche Begegnungen erlebt und uns nicht ein einziges Mal unsicher gefühlt haben.
- in dem Höflichkeitsfloskeln keinerlei Bedeutung haben und alle auf Fragen mit dem typischen Kopfschaukeln reagieren und es uns bis jetzt nicht gelungen ist, die verschiedenen Nuancen eindeutig als "ja", "nein" oder "vielleicht" zu deuten.
- in dem wir unterwegs viele, viel zu viele Menschen in Lebensumständen gesehen haben, die für Europäer kaum vorstellbar sind, wir jedoch, im Gegensatz dazu, erstaunlich wenig mit Bettlern konfrontiert wurden und in dem die glitzernde moderne Luxuswelt irgendwie fehl am Platz wirkt.
- in dem der Müll ganz selbstverständlich mitten auf der Straße und auch schon mal einfach aus dem Fenster entsorgt wird und uns oftmals nicht anderes übrig blieb, als unseren Abfall einem der bereits vorhanden Berge hinzuzufügen, da es keine anderen Möglichkeiten gab. Doch haben wir auch die kleinen Bemühungen gespürt, die diesen Zustand verbessern sollen.
- in dem man damit rechnen muss, dass einem schon mal vor die Füße gespuckt oder gerotzt wird und man das nicht persönlich nehmen darf, sondern man sich fast ein bissel dafür schämt ein Taschentuch zu benutzen, denn das wiederum wirkt hier unhygienisch. (In Nepal war dieses Verhalten übrigens noch viel ausgeprägter.)
- in dem man den viel berüchtigten Delhi Belly (indischen Reisedurchfall), nicht von vornherein fürchten muss und von dessen Symptomen wir glücklicherweise so gut wie verschont wurden. Etwas Vorsicht war schon angebracht, aber übertrieben haben wir es damit keinesfalls.
- in dem die ach so gerühmte regionale Küche uns so gar nicht befriedigen konnte, uns viel zu scharf war und nachdem wir ausgiebig auf sie angewiesen waren, uns nun sicher sind, als Vegetarier absolut nicht zu taugen.
mit diesem Slogan wird für das Land geworben. Ob nun unglaublich, unerhört oder fantastisch - jede Übersetzung von "incredible" trifft für Indien zu.
Indien ist interessant aber auch extrem und war eine ganz besondere Erfahrung, nur schwer zu vergleichen mit all unseren vorherigen Reisen. Die Tour hat uns sehr gefordert. Nicht unbedingt körperlich, auch wenn unterwegs einige Kilogramm auf der Strecke geblieben sind, aber mental. Es ist schwer sich auf dieses Land, besonders auf die Menschen einzustellen und es ist uns bedauerlicherweise nicht immer gelungen.
Müssten wir diese Tour noch einmal von vorn angehen, würden wir alles genauso wieder machen. Die Reisezeit war optimal: außerhalb der Regenzeit und in den nicht zu heißen Monaten, jedoch hätten wir uns gern noch etwas mehr Zeit gewünscht, um auch das südlichere Kerala noch erkunden zu können. Wir würden auch wieder dieselbe Reiseroute nehmen: erst der etwas anstrengendere dichter besiedelte Norden, dann der Süden.
Unsere gemachten Erfahrungen dürften im Einzelnen ganz sicher abweichen, von denen, die ein Rucksacktourist oder ein Reisegruppenmitglied macht. Mit dem Fahrrad hat man immer eine andere Sichtweise auf ein Land und in Indien, trifft dies bestimmt um so mehr zu.
4 Monate sind zu kurz, um Indien wirklich zu verstehen. Lediglich ein wenig an der Oberfläche konnten wir kratzen und so ein paar Eindrücke bekommen, die wir nun nicht mehr missen wollen.
Ob wir irgendwann zurückkehren werden? Schwer zu sagen, ausschließen tun wir es nicht, aber auch nicht planen.
Unmöglich ist eben nichts in diesem Land.