Chiapas

14. - 30. Januar 2020bikeroute

Frontera Corozal - La Trinitaria - San Cristobal - Tuxtla Gutierrez - Chahuites

Geradelte Strecke: 685 km (Insgesamt 2526 km)

Wenn wir gewusst hätten, was uns für ein Nervenkrieg bei der Einreise nach Mexiko erwartet, hätten wir vielleicht versucht, uns am guatemaltekischen Ufer festzukrallen und es uns mit der Überfahrt noch mal anders überlegt. So schippern wir aber ahnungslos mit einem der langen und schmalen Motorboote, die hier "Lanchas" genannt werden, über den Rio Usumacinta, der ziemlich breit und schnell zwischen den dschungelbedeckten Ufern dahinfließt und hier die Grenze zwischen Mexiko und Guatemala bildet.

Unmittelbar am Ufer auf der mexikanischen Seite warten mehrere Taxis auf übersetzende Passagiere und eine große Anzahl bunter Boote auf Touristen, die zu einer flussabwärts gelegenen und nur auf dem Wasserweg zugänglichen archäologischen Stätte wollen. Das interessiert uns aber nicht. Wir rollen stattdessen hinein in den kleinen Grenzort Frontera Corozal.

oe6 4 1 oe6 4 1Und das Einreisedilemma nach Mexiko beginnt - Teil 1:

Im kleinen Grenzkontrollgebäude werden wir von einer netten Frau empfangen, die uns sehr nett darüber informiert, dass es seit 2020, also seit genau 14 Tagen, eine neue Regelung zur Bezahlung der hier fälligen Tourismusgebühren gibt, die fällig sind, wenn man sich länger als 7 Tage im Land aufhalten will. Es dauert eine Weile, ehe wir das mühsam verstandene Spanisch endlich geordnet bekommen: Ab sofort müssen die Gebühren nicht mehr bei der Ausreise, sondern bereits bei der Einreise bezahlt werden. Na gut, dann machen wir das doch eben! Aber - erklärt uns die noch immer nette Beamte - das ist in diesem Ort nicht möglich, denn hier gibt es keinen Bankschalter und Barzahlung ist nicht gestattet.

Und jetzt? - fragen wir nun langsam verunsichert. Wir könnten nunmehr von ihr eine Aufenthaltsberechtigung von sieben Tagen bekommen (die gebührenfrei ist) und mit einem Formular nach Palenque fahren, dort die Gebühr bezahlen und danach wieder zu ihr zurückkommen, um dann den nötigen Stempel zu bekommen. Häh, was ist das denn für ein Schwachsinn. Palenque liegt mehr als 150 Kilometer im Landesinneren. Das wären 300 Kilometer für nichts und wieder nichts, nur um am Ende wieder an derselben Stelle zu stehen, wie zuvor. Wir sind nun nicht mehr ganz so nett, aber die Angestellte hat Verständnis für unseren Unmut. Auch die hier vorbeikommenden Rucksacktouristen, müssen sich schon sehr über diese Zumutung frustriert gezeigt haben.

Es gebe aber auch noch die Möglichkeit, innerhalb der sieben Tage einen anderen Grenzübergang anzusteuern und dann dort zu bezahlen. Auch umständlich, doch der nächste Grenzposten in Carmen Xhan befindet sich Richtung Südwesten und liegt nicht allzu weit weg von unserer ohnehin geplanten Route. Bis dahin sind es ebenfalls 300 Kilometer und die sind in sieben Tagen durchaus zu schaffen. Aber es geht durch die Berge. Wir werden also nicht mehr so schnell vorwärtskommen, wie bisher, und uns ranhalten müssen.

Die folgenden zwei Tage geht es noch einigermaßen zügig voran. Die Straße folgt im groben der sich hier schlängelnd verlaufenden Grenze. Dichter dschungelartiger Wald, Felder und Weideflächen wechseln sich ab. Erstaunlich, dass es hier trotzdem noch viele wilde Tiere zu geben scheint. Das Gedröhne der Brüllaffen ist noch immer oft zu hören.

oe6 4 1 oe6 4 1In Benemérito durchfahren wir den ersten größeren Ort in Mexiko. Die Straße ist gesäumt von Läden, vor allem das Obst- und Gemüseangebot ist überwältigend. Danach können wir für 70 km auf eine kürzere Nebenstraße ausweichen. Wir fragen vorher zur Sicherheit einen Militärposten, ob die Piste asphaltiert und sicher ist: Si, asfaltado! Si, seguro! - bekommen wir zur Antwort. Also biegen wir ab und - nach einem Kilometer endet der Asphalt! Die Straße ist nun eine löchrige Naturpiste. Erstaunlich häufig kommen Autos uns entgegen, die behutsam um die Löcher herumkurven. Doch der auskunftgebende Militärposten hatte recht. Die Straße ist im weiteren Verlauf tatsächlich meistens asphaltiert. Ab jetzt bekommen wir einen ersten Vorgeschmack auf die vor uns liegenden Berge, denn es geht nun in einem wilden Auf und Ab weiter. Ununterbrochen erklimmen wir kurze steile Anstiege und gleich darauf geht es wieder genauso steil hinunter, den nächsten Anstieg schon vor Augen. Leider kann man von dem Schwung der Abfahrten nicht profitieren, denn in den Senken ist die Piste stets in einem besonders üblen und zerfahrenen Zustand, sodass man voll abbremsen muss. Das ist nicht nur sehr kraftraubend, sondern auch schlecht für die Moral. Doch unsere Anstrengungen werden am Abend mit einem richtig schönen Übernachtungsplatz belohnt. In dem kleinen Ort Las Guacamayas hat man am Ufer des Flusses Lacantún, am Rande eines Naturschutzgebiets mit tropischen Dschungel, ein idyllisches Plätzchen für Reisende geschaffen. Als am Abend wieder mal, wie auch schon an den Tagen zuvor, ein Regenschauer niedergeht, genießen wir unser geschütztes Fleckchen unter einer Palapa.

oe6 4 1 oe6 4 1 oe6 4 1Leider ziehen diesmal die Regenwolken nicht wie bisher wieder ab, sondern hängen sich in den Bergen um uns herum so richtig fest und die bescheren uns an den nächsten 4 Tagen ein wirklich eklig trübes Regenwetter. Nun folgen wir wieder der parallel zur Grenze verlaufenden Hauptstraße weiter Richtung Westen. Die Straße ist gut und der Verkehr gering und noch können wir entspannt ohne große Steigungen dahinrollen. Ein Militärposten nimmt es diesmal sehr genau und winkt uns zur Seite. Zum ersten Mal müssen wir die Pässe herausgraben. Aber Letztenendes sind die etwas furchterregend aussehenden, so schwerbewaffneten Gestalten auch eher nur neugierig, als wirklich dienstbeflissen und zudem sehr freundlich.

oe6 4 1Die Berge um uns herum werden immer höher und die Straße pendelt ständig zwischen 300 und 500 Höhenmetern. Uns kleben die Klamotten nass am Leib, denn entweder werden sie vom immer wieder beginnenden Nieselregen oder bei den Anstiegen vom Schweiß durchtränkt. Aber noch sind die Temperaturen in einem angenehmen Bereich. Teilweise sind die Berghänge extrem steil und trotzdem werden auch diese hier und da gerodet, um ein paar Maispflanzen u.Ä. anbauen zu können. Und das alles in mühseliger Handarbeit.

oe6 4 1 oe6 4 1In diesem Gelände ist es schwer, eine ebene und geschützte Stelle fürs Zelt zu finden und so müssen wir uns zwei Nächte mit einem notdürftigen Platz hinter Weidezäunen, bzw. am Rand von Feldern begnügen. Vom vielen Regen ist alles triefend nass und schlammig, aber wir können echt nicht wählerisch sein.

So nach und nach treten wir uns auf 1500 Höhenmeter hinauf. Die Bergwelt um uns herum ist malerisch, trotz der diesigen und grauen Wetterlage. Noch wachsen viele Bananenstauden an den Hängen, doch je höher wir kommen, umso mehr prägen Pinienwälder die Umgebung. Es wird natürlich auch merklich kühler, doch das merkt man erst bei einem Halt. Das große Suchen in den Tiefen unserer Taschen beginnt. Irgendwo muss doch eine Jacke oder ein Pullover zu finden sein! Die Steigung pendelt ständig wohl so um geschätzte 10 Prozent, ist also noch fahrbar, aber trotzdem eine ziemliche Schinderei.

oe6 4 1 oe6 4 1Nachdem wir am letzten von 5 Tagen, seit unserem Grenzübertritt, fast nur bergauf gestrampelt sind, erreichen wir den Montebello Lakes National Park. Hier auf der Hochfläche in 1500 Meter Höhe hat sich so etwas wie ein Seengebiet gebildet, dass einige, vor allem einheimische Touristen anlockt. Dementsprechend erwartet uns am Tziscao-See, dem größten und tiefsten See im Naturschutzgebiet, eine recht gute Infrastruktur. Wir sind nicht scharf auf eine weitere Nacht im nassen Zelt und beziehen stattdessen eine, der zahlreich vorhandenen, geräumigen und vor allem trockenen Cabañas.

oe6 4 1Nur wenige Hundert Meter weiter befindet sich noch ein kleinerer See, die Laguna Internacional. Die Grenze zu Guatemala führt sehr fotogen mitten durch und zieht einige Schaulustige an. Das lässt natürlich die vielen Händler, die sich an den Zugängen niedergelassen haben, auf ein gutes Geschäft hoffen.

oe6 4 1Bis zum angestrebten Grenzort bei Carmen Xhan sind es nur noch zwanzig Kilometer und 300 Höhenmeter bergab, das schaffen wir auch am letzten Tag unserer siebentägigen Aufenthaltsfrist. Also genug Zeit, um uns gleich noch einen Ruhetag gönnen zu können, denn noch immer hängen dunkle Regenwolken über dem See und nichts kann uns aus der zwar kalten, aber wenigstens trockenen Hütte herausbringen. Wir verkriechen uns unter die bereitliegenden warmen Decken, hören dem Prasseln des Regens aufs Dach zu und können es uns gar nicht mehr vorstellen, dass wir noch vor wenigen Tagen die Nächte ohne Ventilator kaum ausgehalten haben. Nun erinnert uns ein Blick nach draußen eher an Norwegen, als an Mexiko.

oe6 4 1Am nächsten Tag erwartet uns dann die Fortsetzung des Einreisedilemmas nach Mexiko - Teil 2:

Auf unserer Fahrt zur Grenze in Carmen Xhan zeigen sich, zum ersten mal seit fünf Tagen, wieder größere Lücken in den Wolken, durch die es auch die Sonne mal wieder hindurch schafft. Wir sind etwas angespannt und bange, ob heute nun endlich die Einreiseformalitäten abgeschlossen werden können.

Das Büro der Einwanderungsbehörde liegt wieder unscheinbar zwischen den bunten Häuschen entlang der Straße. Es dauert nur einen kurzen Moment und wir stehen genauso bedeppert vor den Beamten, wie schon sieben Tage zuvor. Auch hier kann man uns, aufgrund mangelnder Bezahlmöglichkeit, nur sieben Tage gewähren und vertröstet uns, doch einfach zum nächsten Grenzübergang zu fahren. Der wäre doch nur eine Fahrstunde entfernt. Die Angestellte scheint keine Ahnung zu haben, denn die 100 Kilometer bis zur Frontera La Mesilla dürften schon mit einem Auto kaum in einer Stunde machbar sein und erst recht nicht mit dem Rad. Wir sind am Verzweifeln, haben jedoch keine Wahl und entscheiden uns, uns abermals eine siebentägige Aufenthaltsberechtigung ausstellen zu lassen.

Doch müssen wir uns zuvor eine weitere bürokratische Schikane gefallen lassen, denn wir werden genötigt zunächst Mexiko zu verlassen und nach Guatemala ein- und wieder ausreisen. Das bedeutet aber nicht einfach, mal schnell über die Grenze zu laufen, sondern zuvor müssen wir die Räder einen irre steilen Berg hinaufschieben. Doch Gott sei Dank (ironischerweise heißt der Grenzort in Guatemala genau so: Gracias a Dios), ist das guatemaltekische Grenzgebäude fast direkt am eigentlichen Grenzübergang und unmittelbar am höchsten Punkt und wir müssen nicht erst noch runter in den Ort. Der Beamte scheint etwas verwirrt über unser Anliegen, macht jedoch keine weiteren Probleme. Die einzige Bedingung ist aber, dass wir für etwa eine Stunde im Land bleiben müssen, wahrscheinlich kommt sonst die elektronische Erfassung durcheinander. Na das ist noch das geringste Übel. Wir warten einfach am Straßenrand und beobachten das Treiben auf der Straße. Zurück in Mexiko heißt es erst mal wieder Formulare ausfüllen, doch dann haben wir einen neuen 7-Tage-Zettel im Pass.

Der nächste Grenzübergang befindet sich an einer Hauptverbindung von Guatemala ins Zentrum Mexikos, dort müsste doch endlich was zu machen sein. Aber müssen wir jetzt wirklich noch mal 100 Kilometer entgegen unserer Route radeln? Als wir das Streckenprofil sehen: Es müssten zudem einige Höhenmeter bewältigt werden, entscheiden wir uns anders und steuern zunächst den 40 km entfernten Ort La Trinitaria an. Er liegt direkt an der Hauptstraße, die den Grenzort mit dem Landesinneren verbindet. Enttäuscht, dass wir das Einreiseproblem noch immer nicht gelöst haben, quartieren wir uns dort erst mal in einem Hotel ein und verbringen eine unruhige Nacht angesichts der Ungewissheit, was uns nun der nächste Tag bringen wird.

Am nächsten Morgen lassen wir Räder und unseren ganzen Krempel im Hotel zurück, stellen uns mit klopfenden Herzen an den Straßenrand und warten auf ein Colectivo, dass uns zum Grenzort nach Cuidad Cuauhtemoc bringen soll. Erst mal klappt alles ganz gut. Schon nach wenigen Minuten hält einer der Minibusse, die hierzulande die Straßen bevölkern und lädt uns ein. Spätestens als die Straße in vielen Serpentinen den Paso Hondo passiert, sind wir sicher, dass wir es richtig machen, diese Strecke nicht mit dem Fahrrad gefahren zu sein. Doch der Fahrer rast wie ein Henker, wir klammern uns an den Sitzen fest und sind echt erleichtert und froh, nach knapp 70 Kilometer Horrorfahrt endlich anzukommen. Nein also, da ist Radfahren weit ungefährlicher.

Nun folgt der Fortgang des Einreisedilemmas nach Mexiko - Teil 3:

Was uns dann im Grenzgebäude erwartet treibt uns fast in den Wahnsinn. Schnell sind unsere Hoffnungen auf ein einfaches Prozedere der Formalitäten verflogen. Nachdem wir an den anderen Grenzübergängen an dem planlosen und undurchdachten Einreisesystem hier gescheitert sind, stehen wir heute vor unverschämt korrupten Angestellten. Die wollen uns weismachen, dass wir für drei! Tage ausreisen müssen und dann erst wiederkommen dürfen, um eine längere Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Wir sind kurz vorm Nervenzusammenbruch und müssen uns stark beherrschen nicht die Fassung zu verlieren, wohlwissend, dass wir uns damit nur noch mehr reinreiten würden. Unsere Einwände, dass wir doch erst gestern am benachbarten Übergang nach einer kurzen Ausreise am selben Tag wieder einreisen konnten, beeindruckt niemanden. Auch unsere Erklärungen, dass wir mit dem Fahrrad reisen, unser ganzes Zeug zig Kilometer entfernt ist, und Bitten um Verständnis bleiben fruchtlos.

Stattdessen starten zwei Angestellte nach einer Weile einen Bestechungsversuch. Wenn wir bereit sind, zuzüglich zur allgemeinen Einreisegebühr, eine Strafe zu bezahlen (die natürlich nur in bar), wäre es auch am selben Tag machbar. Strafe? Für was denn? Aber wir sind mittlerweile fast am Ende mit den Nerven und beinahe bereit nachzugeben. Doch die Forderungen - man verlangt 500 Peso (fast 25 €) pro Person, sind dann so unverschämt, dass wir das entschieden ablehnen.

Wir wissen nicht wie weiter, tausend Gedanken rasen durch den Kopf. Sollen wir nachgeben und Schmiergeld zahlen? Sollen wir einfach ausreisen und zurückkommen und hoffen, dass dann ein anderer den Stempel in der Hand hat? Sollen wir zurückfahren und morgen einen neuen Anlauf starten? Sollen wir ..., sollen wir ...? Wir bleiben erstmal stur und einfach vorm Schalter stehen, auch als man uns rauswerfen will. Erstaunlicherweise kommen während der ganzen Zeit keine anderen Grenzgänger hinzu, obwohl dies ein ziemlich frequentierter Übergang ist.

Und plötzlich erscheint ein sehr wichtig aussehender Typ mit einer eindrucksvollen Uniform und die zwei anderen werden ganz kleinlaut. Wir erklären ihm unser Anliegen und er versteht gar nicht das Problem. Wir müssten eben schnell mal nach Guatemala und danach zurückkommen, am Bankschalter nebenan die reguläre Gebühr bezahlen und dann hätten wir die Reiseerlaubnis für 180 Tage. Wir versichern ihm, dass wir genau das auch machen wollen und somit übergibt er unsere Pässe dem Bearbeiter. Dem ist sein Frust über den entgangen Zuverdienst deutlich anzusehen und er kracht uns die Stempel mit solcher Wut in die Pässe, dass wir schon befürchten, sie könnten Schaden nehmen.

Schnell schnappen wir uns eines der bereitstehenden Taxis, und lassen uns die vier Kilometer bis zur Grenze fahren. Die dafür bezahlten 50 Pesos sind garantiert viel zu teuer, so wie der Fahrer strahlt. Der guatemaltekische Officer kann sich dann ebenfalls ein Grinsen nicht verkneifen, als er die vielen Ein- und Ausreisestempel bemerkt, von denen zwei sogar erst von gestern stammen. Aber schnell, höflich und korrekt werden wir abgefertigt und können heilfroh sein, dass Guatemala nicht auch noch irgendwelche Gebühren verlangt oder sonstige bürokratische Hindernisse bereit hält.
Um wenigstens den Anschein zu wahren, bummeln wir etwas die Straße entlang, wo sich dicht gedrängt Unmengen von Verkaufsbuden aneinanderreihen. Es herrscht ein wildes Gewimmel von Händlern, Käufern und dem vorbeifließenden Verkehr. Alles Mögliche wird angeboten, von Esswaren, über Klamotten bis zu Elektronikwaren. Aber wir sind viel zu angespannt, um uns wirklich für irgendwas zu interessieren.

oe6 4 1Nachdem wir nach einer knappen Stunde einen weiteren guatemaltekischen Ausreisestempel unserer Sammlung hinzugefügt haben, durchqueren wir wieder das schwere, eiserne Tor an der Grenzlinie und sind schon mal etwas erleichtert, denn aus den Nachrichten von vor zwei Tagen wussten wir, dass Mexiko einen Übergang weiter unten am Pazifik plötzlich geschlossen hatte, um einem Ansturm Tausender Flüchtlinge aus Honduras abzuwehren. Das würde jetzt gerade noch fehlen: mit nichts, zwischen aufgebrachten Migranten, vor geschlossenen Toren zu stehen. Um die Zeit noch etwas zu dehnen, gehen wir diesmal zu Fuß die Landstraße zurück. Solche verrückten "Extranjeros" hat man hier bestimmt noch nie gesehen.

oe6 4 1Zaghaft nähern wir uns wieder dem "Instituto nacional de migracion" von Mexiko, werden aber mutiger, als wir sehen, dass nunmehr eine Handvoll Touristen davor stehen und stellen uns dazu. Dann läuft alles, wie geschmiert. Nach dem Ausfüllen des nötigen Formulars, werden wir zum benachbarten Einzahlschalter, dem "Banjercito" geschickt und können dort die Gebühr von 575 Pesos/Person (knapp 28 €) sogar in bar bezahlen, was nun wiederum nicht verstehen lässt, warum das an den anderen Übergängen nicht auch möglich war! Es geht zurück zu unserem "Freund" mit dem Stempel, der sich nichts anmerken lässt und uns schnell und korrekt abfertigt - und endlich, endlich haben wir die 180 Tage Aufenthaltserlaubnis.
Wir sind jetzt erst mal total erleichtert diese Hürde endlich genommen zu haben und auch ein bissel stolz auf uns, dass wir der Korruption hier so tapfer Widerstand geleistet haben!

- glückliches Ende des Einreisedilemmas nach Mexiko!

oe6 4 1Wir suchen nach einem Colektivo, das uns zurückbringen soll. Diesmal ist der Fahrer nicht so ein Raser und wir kommen wohlbehalten wieder im Hotel in La Trinitaria an. Nun können wir uns also unbeschwert auf unsere weitere Tour durch Mexiko machen und uns endlich von der Grenze abwenden. Nur reichlich Hundert Kilometer sind es bis San Cristobal unserem nächsten großen Ziel, aber es erwarten uns mehrere lange Anstiege und mit Zwischenabfahrten gilt es um die 1500 Höhenmeter zu bezwingen.

Der nächste Morgen ist echt kalt, unter 10°C, doch der Himmel sieht gut aus, es scheint ein sonniger Tag zu werden. Nach 15 km passieren wir Comita. In der großen Stadt herrscht unheimlich viel Verkehr und wir sind froh, als wir sie hinter uns haben. Dann kommt der erste längere Anstieg und so geht es immer weiter in eine schöne Berglandschaft hinein. Die Straße hat nun durchweg einen schönen Seitenstreifen, aber es geht nur langsam vorwärts. Die Nacht verbringen wir in einem alten Steinbruch neben der Straße. Es ist die erste Nacht auf dieser Tour, in der wir so richtig tief in unsere Schlafsäcke kriechen müssen. Am Morgen hängt im Tal noch alles voll Nebel. Während in der Nacht so gut wie kein Auto mehr auf der Straße unterwegs war, geht bei Sonnenaufgang das Leben wieder los. Colectivos brausen vorbei und laden Fahrgäste aus den Ortschaften entlang der Straße ein. Oftmals liegen diese abgelegen und unsichtbar und ihr Vorhandensein ist dann nur anhand der sinnlosen riesigen Fußgängerbrücken zu spüren, die sich sehr aufwendig über die Straße spannen. Wir sind uns fast sicher, dass sich kaum jemand die Mühe macht, die zu benutzen, denn so dicht ist der Verkehr ja nun auch nicht. Warum also umständlich, wenn es auch einfacher geht.

oe6 4 1 oe6 4 1 oe6 4 1 oe6 4 1Nach einigen schönen schnellen Abfahrten ist wieder Schluss mit lustig. Es geht wieder hinauf. Leider gibt es nun keinen Seitenstreifen mehr und der Verkehr ist auch stärker. Plötzlich sind auch viel mehr Laster unterwegs. Die Straße windet sich hinauf, unterwegs einige Orte mit vielen Straßenverkaufsbuden. Davor stapeln sich Unmengen von verschiedenen Holzarbeiten, auch bunte Schaukelpferde und Holzautos.
Wenig später folgt ein großer Abzweig nach Osten, nach Palenque. Diese Straße ist in Radfahrerkreisen zu einer traurigen Berühmtheit geworden, als vor knapp zwei Jahren dort zwei Reiseradler Opfer eines Überfalls geworden sind. Seitdem versuchen die meisten Radler, wie auch wir, einen großen Bogen um sie zu machen.

oe6 4 1 oe6 4 1Bald darauf haben wir jedoch unser Ziel wohlbehalten erreicht und es geht hinein nach San Cristobal de las Casas. Ein riesiges Eingangsschild spannt sich über die Straße. Tja, so ein langer Stadtname braucht eben seinen Platz. Das Schild besagt ebenfalls, dass wir uns jetzt in 2120 Meter Höhe befinden und die Stadt genau 186 125 Einwohner hat. - Ob die die letztere Angabe regelmäßig aktualisieren? Es geht hinein ins Zentrum, durch kleine enge Sträßchen, an den sich niedrige Häuser dicht drängen und sich der Verkehr auf den vielen Einbahnstraßen hindurchquetscht. Wir sind froh, als wir endlich unsere Räder in dem kleinen Innenhof unserer gebuchten Unterkunft abstellen können. Hier richten wir uns nun für ein paar Ruhetage ein.

oe6 4 1 oe6 4 1 oe6 4 1 oe6 4 1San Cristobal ist ein quirliges Touristenstädtchen mit einer netten Atmosphäre. Auch hier peppen bunte Farbanstriche, die meist schlichte Architektur der Häuser nett auf. Hier und da zudem nett dekoriert oder mit Blumen geschmückt. Sehr schmale gepflasterte Fußwege säumen die Straßen, auf denen man höllig aufpassen muss, nicht zu stürzen, denn das Granitpflaster ist teilweise sehr rutschig. Das trübt den unbeschwerten Bummel durch die Stadt etwas. Doch direkt im Zentrum hat man ein paar Fußgängerpassagen geschaffen, in denen es sich besser "flanieren" lässt. Hier wimmelt es dann besonders in den Abendstunden von Touristen, die sich in den vielen Läden umschauen oder die zahlreichen Einkehrmöglichkeiten nutzen. Verwunderlich wie belagert die Sitzplätze der Gaststätten im Freien sind, denn nach Sonnenuntergang wird es in dieser Höhe doch unangenehm kühl.

oe6 4 1 oe6 4 1 oe6 4 1Das Straßenbild wird auch sehr durch die indigene Bevölkerung geprägt, die durch ihre traditionelle Kleidung, den weiten Röcken und ihren bunten Bündeln auf den Rücken besonders auffallen. Sie leben in den umliegenden Bergen und kommen in den Ort, um auf dem örtlichen Markt ihren Waren anzubieten, oder in den Gassen das eine oder andere handgearbeitete Teil an Touristen zu verkaufen. Was wir bisher in Mexiko noch nicht so massiv zu sehen bekommen haben, sind die Kinder, die versuchen das Einkommen ihrer Familien aufzubessern, indem sie die Touristen bedrängen ihnen kleine Dinge abzukaufen oder betteln. Da wird einem unübersehbar in Erinnerung gebracht, dass wir uns in Chiapas, dem ärmsten der mexikanischen Bundesstaaten befinden.

oe6 4 1 oe6 4 1 oe6 4 1 oe6 4 1 oe6 4 1Viele Sehenswürdigkeiten hat San Cristobal an sich nicht, selbst die Plaza erweist sich als eher unspektakulär. Über viele Treppenstufen gelangt man zur Kirche der Jungfrau Guadalupe, die zuoberst auf einem Hügel nahe des Zentrums thront und von der man einen schönen Blick auf die ringsum von Bergen flankierte Stadt hätte, wenn dieser leider nicht von vielen Bäumen verstellt wäre.

oe6 4 1 oe6 4 1Während der Tage in San Cristobal ergibt sich ein Zusammentreffen mit den Wohnmobil-Nomaden Yvonne und Alois (www.womo-nomaden.com). Nach einer flüchtigen Bekanntschaft vor fast drei Jahren in Marokko, hat sich im Laufe der Zeit eine Art mediale Brieffreundschaft gebildet. Seitdem haben wir uns nicht mehr aus den Augen verloren und unsere Reisen gegenseitig verfolgt. Hier in Mexiko kreuzen sich nun unsere Wege abermals und wir verbringen einen schönen, sehr interessanten und kurzweiligen Abend mit den Schweizern. Viele Erlebnisse werden berichtet und Erfahrungen ausgetauscht, man hat das Gefühl, sich schon ewig zu kennen. Also: "Hut ab!", mit so einem Wohnmobil durch Süd-und Zentralamerika zu reisen ist schon eine besondere Herausforderung. Mögen die beiden auch weiterhin ihr Nomadenleben genießen und vielleicht ergibt sich ja ein weiteres Wiedersehen irgendwo auf dieser Welt.

Nach drei entspannten Tagen machen wir uns wieder auf den Weg. Nach fünf Kilometer langen Anstieg können wir aus fast 2500 m Höhe einen letzten Blick zurück auf das im Tal gelegene San Cristobal werfen und sehen unzählige bunte Häuser, die ringsum an den umliegenden Hängen zu kleben scheinen. Wir benutzen zum ersten Mal für unsere Fahrt durchs Land eine der bezahlpflichtigen Fernstraßen, eine "Cuota". Netterweise werden auf ihnen Radfahrer geduldet, man muss nur bei den Mautstellen die Räder außerhalb der Lichtschranken herum schieben. Wider Erwarten handelt es sich dabei nicht unbedingt um eine vierspurige autobahnähnliche Straße, diese ist nur zweispurig, doch es gibt auch einen schönen breiten Randstreifen.

Zudem erwartet uns jetzt eine geradezu paradiesische Radelstrecke: Es geht 40 km! nur bergab. Nicht steil und man muss kaum bremsen. Nur ein paar wenige Raststellen, mit Imbissangeboten unterwegs. Hin und wieder eine große Bremsrampe, die LKW's mit defekten Bremsen vor Unheil bewahren sollen. Vermutlich sind diese umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen angesichts der teilweise etwas klapprigen wirkenden Vehikel von Nöten. Auf halber Strecke kommt uns ein Radler schnaufend entgegen. Der Engländer ist auf dem Weg von Seattle in den Süden. Der Arme schwitzt heftig und auch uns wird es zunehmend immer wärmer als wir von 2500 auf 500 Höhenmeter hinunterbrausen.

oe6 4 1Unten queren wir bei Chiapa de Corzo auf einer großen Brücke den Rio Grijalva, der sich im weiteren Verlauf eine über tausend Meter tiefe Schlucht in die Berge gegraben hat. Den Cañon de Sumidero kann man auf Bootstouren bestaunen, zu welchen Reiseagenturen ihre Kunden hierher bringen.
Wir fahren jedoch weiter in das 15 km entfernte Tuxtla Gutiérrez, der Hauptstadt des Bundesstaates Chiapas und auch das wirtschaftliche Zentrum der Region. Tuxtla ist eine, für mexikanische Verhältnisse sehr moderne Stadt ohne wirklichen Touristenschnickschnack. An der Zufahrt ins Zentrum haben viele große Firmen ihre Standorte. Die Straße ist mehrspurig und an jeder größeren Kreuzung regeln Ampelanlagen den Verkehr. Der viele Verkehr um uns herum nervt entsetzlich und in der Mittagshitze ist es kaum auszuhalten, denn hier unten im Tiefland zeigen die Temperaturen am Tag nun wieder mehr als dreißig Grad an. Gut, dass unser gebuchtes Zimmer im Zentrum eine Klimaanlage hat. Da Petra momentan sich körperlich nicht so richtig fit fühlt, legen wir in der recht gemütlichen Bleibe gleich noch mal einen Ruhetag ein. Die Unterkunft hat eine kleine Terrasse, von der man, vor allem bei Sonnenuntergang, einen schönen Blick über die Dächer der Stadt hat. Deutlich zu sehen, dass sie in alle Richtungen von Bergen umgeben ist, was darauf hinweist, dass die nächsten Anstiege nicht weit sind.

oe6 4 1 oe6 4 1Zum Glück rollt es nach dem Tag Erholung bei Petra wieder besser, dennoch wird der erste 20 Kilometer lange Anstieg eine Tortur. Nachdem wir nun das Bergland Chiapas überwunden haben, ist es hier auf der Seite zum Pazifik, im Gegensatz zur Ostseite zuvor, mit seinem grünen Dschungelgebieten, viel, viel trockener. Alle Flächen und Hügel präsentieren sich in tristen Braun- und Ockertönen, wirken sehr kahl und es gibt nur noch vereinzelte Büsche und Bäume. Seltsamerweise scheint momentan hier so was, wie Frühling zu sein, denn so manches Gestrüpp blüht und bringt etwas Farbe in die eigentlich verdörrt wirkende Gegend.

oe6 4 1Wir benutzen abermals eine Cuota. Hin und wieder gibt es einfache unbefestigte Rastplätze am Straßenrand, mit Mülltonnen und eine Telefonmöglichkeit in Form eines Funkmastes zum Absetzen eines Notrufes. Zudem finden sich dort auch immer eingemauerte Wassertanks. Diese müssen wir aber nicht benutzen, sondern finden andere Möglichkeiten zum Auffüllen unsere Wasserreserven. Einen Platz fürs Zelt zu finden, ist dann schon schwieriger, denn es gibt viel eingezäunte Weideflächen und Sichtschutz ist auch Mangelware. So bleibt uns für eine Nacht nur ein Platz wenige Meter neben der Straße und notdürftig hinter etwas Gestrüpp verborgen. Leider donnern auf diesen Straßen auch nachts noch einige Autos vorbei und der Verkehr kommt, nicht, wie sonst gewohnt, zum Erliegen.

oe6 4 1 oe6 4 1Am folgenden Tag nähern wir uns in einem lockeren Auf und Ab, nach und nach der Pazifikküste und überqueren dabei die Grenze von Chiapas zum nächsten Bundesstaat, nach Oaxaca. Zunehmend stehen jetzt Mangobäume auf den Feldern ringsum und auch an der Ortseinfahrt nach Chahuite prangt eine derartige, große in Stein gehauene und leuchtend gelbe Frucht. Willkommen in der Mangostadt! Auch im Ort stehen zwischen den Häusern diese Bäume, natürlich auch auf der Anlage eines kleinen Hotels, dass wir uns für die Nacht aussuchen. Ein Wunder, dass wir hier überhaupt eine nette Bleibe finden, denn viele Reisende dürften sich eigentlich nicht in diesen unscheinbaren Ort verirren.Ja, das ist was echt Tolles an Mexiko. Hier im Lande kann man vielerorts richtig gute Unterkünfte auch für den kleinen Geldbeutel finden, sodass wir ohne schlechten Gewissen uns doch öfter, als gewohnt am Abend ein bequemes Bett und eine schöne Dusche gönnen können. Eine echte Wohltat für unsere alten gestressten Radlerknochen.

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