14. Februar - 6. März 2020
Oaxaca - Puebla - Cuernavaca - Toluca
Geradelte Strecke: 623 km (Insgesamt 3661 km)
Nachdem wir nun so viel Zeit in den abgelegenen Bergen vor Oaxaca vertrödelt haben, wollen wir jetzt wieder ein paar Kilometer mehr machen und nutzen für die Weiterfahrt Richtung Norden die Cuota - die mautpflichtige Hauptstraße.
Während der Ruhetage in Oaxaca haben wir uns ausreichend von den anstrengenden Tagen zuvor erholen können, sodass wir eigentlich glauben, nun wieder flotter vorwärtszukommen. Jedoch haben wir nicht wirklich damit gerechnet, dass uns auch diese Etappe sehr fordern wird, obwohl doch nun eine schöne asphaltierte Strecke vor uns liegt. Tja, Mexiko ist nicht nur riesengroß, sondern auch sehr hoch - Berge gibts hier noch und noch. Etwa zwei Drittel des Landes bestehen aus Gebirgen und dem Hochland. Wenn wir das vorher gewusst hätten ....
Nach drei Tagen ständigem Auf und Ab, wobei das Auf eindeutig überwiegt und mancher Anstieg einfach nicht enden will, haben wir uns so nach und nach wieder auf über 2000 m Höhe hinaufgekurbelt. Die Berge sind erst mal weit auseinandergerückt und die Umgebung ist sehr trocken. Hier und da stehen ein paar Büsche und dazwischen zunehmend mehr Kakteen. Nur vereinzelt sieht man, zwischen den ansonsten verlassen aussehenden Weideflächen, Häuser. Wer will in dieser unwirtlichen Gegend auch leben? Endlose Einöde, soweit das Auge reicht.
Das meiste Leben in dieser Region spielt sich eindeutig auf der Straße ab. Anfangs war sie noch vierspurig, doch nun ist sie auf zwei Spuren zusammengeschrumpft. Es gibt einen breiten Randstreifen, der aber zugleich den langsam fahrenden Fahrzeugen, als Ausweichspur dient, um die anderen Fahrzeuge nicht am Überholen zu hindern. Viele Laster sind auf der Strecke unterwegs, doch wir können mit großer Beruhigung im Rückspiegel beobachten, wie diese, bei unserem Auftauchen, brav im großen Bogen an uns vorbei donnern. Daumen hoch! - für die, auch hier, noch immer wirklich sehr rücksichtsvollen mexikanischen Autofahrer. Zwischendurch erfreuen ein paar großflächige Aufforstungen mit Nadelbäumen etwas das Auge, auch wenn sie nur ein kleiner optimistischer Wink sind, auf die Zukunft, dieser, durch Raubbau stark in Mitleidenschaft genommenen Natur.
Dann kommen die Berge zunehmend wieder näher und die Straße windet sich zwischen ihnen hindurch. Einige Brücken erleichtern uns glücklicherweise das Passieren von Tälern. Nun folgt zur Abwechslung mal eine richtig lange Abfahrt, die zwar herrlich entspannend ist, jedoch auch etwas zermürbend, denn wir wissen zu genau, dass wir die eben verlorenen Höhenmeter abermals wieder hinauf strampeln müssen. Irgendwo unten im Tal passieren wir unbemerkt die Grenze zum nächsten Bundesstaat, nach Puebla.
Plötzlich stehen die Hänge, rings um uns, voller Kakteen. So was haben wir noch nicht gesehen. Alle Hügel igelartig gespickt mit riesigen Säulenkakteen, die hoch hinaufragen. Ja, das ist Mexiko, wie man es klischeehaft kennt. Wenn man genauer hinschaut, lassen sich auch noch andere Kakteenarten erkennen. Auch diese überdimensioniert, kein Vergleich mit der häuslichen Kakteenzucht in der Heimat.
Eine erste Vulkanspitze taucht in der Ferne auf. Ist er das oder ist er das nicht? Doch er ist es: Der Pico de Orizaba ist mit einer Höhe von über 5600 m der höchste Vulkan Nordamerikas sowie der höchste Berg Mexikos. Obwohl die Entfernung bestimmt noch um die 100 km betragen dürfte, ist er immer deutlicher zu erkennen. Wir nähern uns nun also dem transamerikanischen Vulkangürtel, der von immerhin mehr als 20 rauchenden oder inaktiven Vulkanen geformt wird, von denen gleich mehrere über 5000 m hoch sind. Der Orizaba gilt seit über 100 Jahren als inaktiv. Macht ja nichts, eindrucksvoll sind diese spitzen Vulkanberge allemal.
In regelmäßigen Abständen passieren wir die Straßengebühr-Bezahlstellen. Wir schieben dann jedes Mal die Räder brav hinter den Lichtschranken herum, da das Durchfahren dieser, das einzige Problem für die Kassierer darstellen würde. Einmal geraten wir versehentlich dabei auf eine Abbiegespur - werden aber umgehend auf den rechten Weg eingewiesen und dafür wird dann auch mal, extra für uns, der übrige Verkehr kurz gestoppt, damit wir sicher wieder auf die richtige Bahn gelangen. Ein anderes Mal schaltet man bei unserem Auftauchen auch mal kurzerhand die Lichtschranke ab und erspart uns so das umständliche Umschieben der Anlage. An einigen Stellen irritieren uns Radfahrverbotsschilder am Straßenrand etwas. Wir tun aber so, als hätten wir sie nicht bemerkt. - Hoffentlich kommen wir damit durch! Aber schließlich können wir ja nicht wirklich Spanisch, das müsste doch auf Verständnis stoßen. Und woher sollen wir auch wissen, dass man auf Autobahnen nicht Radfahren darf? Wir sind doch schließlich Ausländer und fremd im Land! Also Ausreden haben wir schon mal genug zur Hand. Doch wir bleiben weiterhin unbehelligt. Polizei- und Straßenüberwachungsfahrzeuge fahren grüßend vorbei und auch eine größere Polizeikontrolle winkt uns gelassen durch.
In diesem Bundesstaat gibt es an den Kontrollstellen der Mautstraßen fast immer kleine Rastplätze mit immer gleichartigen sehr guten Sanitäranlagen sowie einheitliche kleine Läden, um die sich diverse, meist mobile Essen- und Verkaufsstände gruppieren. So können wir an den Nachmittag bequem unseren Wasservorrat für das Nachtlager auffüllen und in den Läden uns dann und wann auch mal ein frisches Feierabendbierchen besorgen, auch wenn die Preise hierfür deutlich höher sind, als gewohnt.
Die Einsamkeit in der Umgebung, macht das Auffinden eines Übernachtungsplatzes etwas leichter, auch wenn das bergige Gelände dazu einige mühsame Schiebearbeit verlangt, um zu einem ebenen Plätzchen zu gelangen. Dann müssen wir uns auch schon mal durch dichtes Gestrüpp mit hartnäckigen Dornen kämpfen. Das reinste Himmelfahrtskommando für die Reifen. Doch gehen diese Ausflüge zum Glück gut aus. Obwohl wir uns somit auch ein Stück weg von der Straße entfernen und oft einen schönen Ausblick genießen können, dem Verkehrslärm entkommen wir kaum. Besonders unangenehm ist es an den Stellen, wo die Laster an Gefällen lautstark ihre Motorbremse einschalten. Leider ebbt auf diesen Straßen auch in der Nacht der Verkehr nur wenig ab.
In diesen Höhen sind die Temperaturen viel milder, als in den Tieflagen - sie bleiben deutlich unter der 30 °C-Marke. Wobei es in der Sonne, vor allem an den Anstiegen, noch immer zu Schweißausbrüchen kommt. Sucht man sich jedoch für die Pausen ein schattiges Fleckchen, kann es schnell zu kühl werden. Mit einer verlässlichen Regelmäßigkeit kommt am Abend stets heftiger Wind auf, sodass wir beim Zeltaufbau aufpassen müssen, dass nichts davon fliegt. Doch kaum liegen wir in den Schlafsäcken, beruhigt er sich wieder und einer ungestörten Nachtruhe stände eigentlich nichts im Wege - wenn da nur nicht der Verkehrslärm wäre. In der Dunkelheit sieht man dann ringsum hier und da ein paar Lichter aufblinken - also scheint also doch jemand in dieser Ödnis zu wohnen.
Nach 5 Tagen ist, nach einem fast 40 km langen Anstieg über 1000 Höhenmeter hinauf, endlich der höchste Punkt (zumindest vorerst) in 2400 m Höhe erreicht. Nach einer richtig kalten Nacht, rollt es mal in einem etwas höheren Gang über eine weite Ebene, auf der es nun auch wieder mehr Felder gibt. Auf unserer rechten Seite ist noch immer der Vulkankegel des Orizaba zu sehen, doch links taucht nun auch der Popocatépetl auf, allerdings von einem dicken Dunstschleier umgeben. Fälschlicherweise wird oft er, als höchster Berg von Mexiko genannt. Jedoch ist er um etwa 160 m etwas niedriger als der Pico de Orizaba.
Plötzlich ist die Straße gesperrt. Wir rollen an den wartenden Autos vorbei und erkennen den Grund: Ein Auto hängt im Straßengraben und man versucht es zu bergen. Wir wollen nicht warten und weichen an der nahen Straßenbrücke über Pfade auf die benachbarte freie Landstraße aus. Als wir auf der Brücke die Mautstraße queren, sieht man, dass man inzwischen erst mal die Bergungsarbeiten wieder aufgegeben hat.
Wir folgen dennoch weiter der kleineren Landstraße. Der Straßenbelag ist ziemlich brüchig und der Verkehr nicht wenig. Wir passieren einige unansehnliche Orte. Dazwischen viele Felder, auf denen scheinbar Erntezeit herrscht. Viele Sombreros beugen sich über die Pflanzen und laufend tuckern voll beladene Laster an uns vorbei und ziehen markante Duftfahnen hinter sich her. - Es ist eindeutig die Saison für Zwiebeln und Lauch.
Die schlechte und dicht befahrene Landstraße ist kein Genuss. Zudem behindern uns, bei den Ortsdurchfahrten, immer wieder die vielen "Topes". Das sind Bremsschwellen zur Verkehrsberuhigung, die im ganzen Land zahlreich zu finden sind. Die Art und die Höhe sind verschiedenartig. Mal sind es brutal steile Betonwälle, dann sind sie mal wieder etwas breiter und flacher. Mal sind sie farbig markiert, mal nicht. Ein anderes Mal bestehen sie aus mehreren neben- und hintereinander angeordneten, großen, rutschigen, halbrunden Eisenkugeln. Warnschilder dazu werden scheinbar willkürlich aufgestellt und sind genauso vielgestaltig, wie die betreffenden Objekte. So kann das Schild schon mal aus Pappe bestehen und handgeschrieben sein, oder auch mal gänzlich fehlen. Mit großer Sicherheit sind sie an den Ortseingängen und Kreuzungen zu finden, jedoch können sie auch aus dem Nichts, plötzlich vor einem auftauchen und das im Abstand von nur wenigen Metern. Mit stoischer Gelassenheit scheinen die Autofahrer diese Hindernisse hinzunehmen, obwohl es manchmal schon wehtut zu hören, wenn der eine oder andere darüber schrammt. Beliebt sind die Bremsschwellen, die auch mal mit "Reductores de Velocida" ausgeschildert sind, bei den vielen Straßenhändlern, die mit Vorliebe direkt in ihrer Nähe ihre Stände aufbauen, in der Hoffnung, dass, wenn die Fahrer ohnehin abbremsen müssen, sie vielleicht gleich noch nebenher einen kleinen Einkauf tätigen.
Wir arbeiten uns also über Hunderte von diesen Bodenwellen und sind irgendwann dann so genervt, dass wir doch wieder auf die Autopista ausweichen. Nun sind wir aber zunehmend auf den zubringenden Hauptstraßen Richtung Mexiko Stadt unterwegs und der Verkehr wird immer dichter. Da hilft es dann auch nicht mehr, dass die Straße nun wieder vierspurig, plus Randstreifen, ausgebaut ist. Der Lärm und die Abgase sind schier unerträglich und wir haben, im wahrsten Sinne des Wortes, die Nase voll.
Bei einer Zwischenübernachtung in Tepeaca wollen wir uns für die kommenden anstehenden Ruhetage ein nettes Zimmerchen buchen. Da in unserer Unterkunft kein Internetzugang ist (obwohl es erst zugesichert war), suchen wir am Abend im Zentrum ein Internetcafé auf. Es fühlt sich sehr nostalgisch an. Das waren noch Zeiten, als wir in solchen Lokalitäten unsere gesamte Reisekommunikation abgewickelt haben - ist noch gar nicht so lange her. Es ist erstaunlich, hier in den Orten überhaupt noch so was zu finden, denn natürlich ist auch in Mexiko schon längst das Smartphone-Zeitalter angekommen.
Einen Tag später passieren wir Puebla, die Hauptstadt des gleichnamigen zentralmexikanischen Bundesstaates. Wir fahren mitten durch das alte historische Zentrum und wenn der Verkehrsfluss durch die vielen ampelgeregelten Kreuzungen ausgebremst wird, haben wir sogar etwas Muse, das ausgesprochen nette Flair der Stadt zu bewundern. Viele gut erhaltene bunte Kolonialbauten mit kleinen schmiedeeisernen Balkonen reihen sich entlang der Straße.
Wir steuern aber geradewegs das sich anschließende, westlich gelegene Cholula an. Dieser Ort zieht mit seiner berühmten Pyramide, viele Touristen an und die dazugehörige Infrastruktur macht ihn ideal für ein paar Ruhetag. Das historische Zentrum wird von einem Hügel überragt, der auf den ersten Blick so gar nicht nach einem, von Menschen erschaffenen, Bauwerk aussieht, denn er ist nahezu ringsum zugewachsen. Nur ein kleiner Teil, der ehemaligen Tempelanlage, ist bisher wieder freigelegt worden und für Besucher zugänglich gemacht. Ein breiter Aufgang führt hinauf auf die oberste erhaltene, ehemalige Pyramidenpattformen, auf der eine kleine Kirche thront.
Von hier oben hat man einen wunderbaren Ausblick auf den Ort und die Umgebung und auch auf den, nun nur noch weniger als 50 km entfernten, Popocatépetl und seinen ebenfalls über 5000 m hohen Nachbarvulkan Iztaccíhuatl, die beide durch einen Pass verbunden sind. Am Tag hüllen sich die Gipfel meist in trübe Nebelschwaden, doch in den Morgen- und Abendstunden bekommt man sie dann in ihrer ganzen Pracht zu sehen, inklusive der regelmäßigen Fumarolen des Popocatépetl, den Ausstößen von Dampf und Gas, die ein Anzeichen für eine derzeitige Aktivitätsphase darstellen. Immerhin gilt er als einer der aktivsten Vulkane Mexikos.
Unterhalb der Pyramide geht es lebhaft touristisch zu. Rund um den Zócalo, so nennt man in Mexiko den zentralen Platz eines Ortes, gibt es viele Läden, Restaurants und Cafés, und auf dem Platz selbst befindet sich ein kleiner Park, mit vielen Bäumen. Die Bänke im Schatten sind tagsüber sehr begehrt.
In einem, der vielen kleinen Restaurants in den Arkadengängen an der Plaza, treffen wir uns an einem Abend mit dem Münchner Radler Wolfgang. Er hatte uns im Internet gefunden und uns angeschrieben, als absehbar war, dass sich unsere Wege kreuzen würden. Wie immer, gibt es bei solch einem Zusammentreffen viel zu erzählen. Wolfgang ist vor etwa einem dreiviertel Jahr in Alaska gestartet, kommt also aus der Richtung, die noch vor uns liegt. Es ist spät und das Lokal räumt schon die Tische zusammen, als wir aufbrechen und sich unsere Wege wieder trennen. Mal sehen, wo man sich mal wieder sieht?
Als wir durch die dunklen Straßen zurück zu unserer Unterkunft laufen, wird uns bewusst, dass wir es uns vor unserer Reise niemals vorgestellt hätten, jemals in Mexiko nachts durch die Gegend zu wandeln. Werden wir jetzt etwa leichtsinniger? Gleich wird es uns etwas unwohler. Doch wir kommen unbeschadet in unserem Zimmer an und nicht einen Moment haben wir uns wirklich unsicher gefühlt.
Es ist Sonntag, als wir am nächsten Morgen, nach 3 Ruhetagen, Cholula wieder verlassen. Viele Kirchgänger sind unterwegs und aus manchem kleinen Gemeinderaum, der nicht selten sehr improvisiert wirkt, hört man stimmgewaltige Gesänge. Es ist im ganzen Land unübersehbar, hier wird der Glaube noch aktiv gelebt.
Nachdem wir einige kleine, diverse Vororte passiert haben und dem Popcatepetl noch mal sehr nahekommen, der sich zum Abschied sogar mal tagsüber fast ohne Sichttrübung präsentiert, düsen wir auf der Autobahn Richtung Westen und fahren in einen neuen Bundesstaat hinein. Adiós Puebla, ab jetzt geht es durch Morelos. Dabei umkurven wir Mexiko Stadt südlich in einem kleinen Bogen. Wir haben keinen Bock, uns mit dem Rad in die Großstadt zu stürzen und haben beschlossen, sie auf dieser Tour auszulassen, obwohl sie vermutlich auch ein paar sehenswerte Ecken zu bieten hätte.
Erstaunlich viele Radler nutzen den Sonntag zu einem Ausflug auf der Autobahn. Das scheint eine beliebte Freizeitbeschäftigung zu sein. Auch kleine Gruppen sind unterwegs und wir werden oft euphorisch gegrüßt.
Es gibt keine guten Zeltmöglichkeiten entlang der Piste und so stoppen wir am Abend kurzerhand an einem 24 Stunden Motel. Wir bekommen, für einen erfreulich günstigen Preis, ein hübsches großes Zimmer mit eigener Garage für die Räder. Wir bezahlen natürlich für die ganze Nacht und man bringt uns noch eine warme Decke, was ansonsten wahrscheinlich nicht Standardzubehör zu sein scheint. Abendessen kochen wir in der Garage und während in der Zwischenzeit die anderen Gäste eifrig an- und wieder abreisen, zieht in der folgenden Nacht hingegen erstaunliche Ruhe ein.
Nach einem weiteren sehr anstrengenden Radeltag mit steilen Anstiegen erreichen wir am folgenden Tag Cuernavaca, die Hauptstadt des Bundesstaates Morelos. Die Stadt selber ist eigentlich gar nicht sehr groß (etwas kleiner, als Dresden), doch erscheint sie einem riesig. Man weiß gar nicht, wo sie eigentlich anfängt, denn zuvor müssen wir auf einer lauten verkehrsreichen Straße zig Vororte passieren, ehe wir irgendwann, zwischen den vielen stinkenden Autos und Bussen, immer wieder gestoppt von Ampeln, ins Zentrum geschwemmt werden.
Wir haben in den zurückliegenden Tagen nun mittlerweile so viel Dreck und Abgase einatmen müssen, dass uns Halsschmerzen und Husten zu quälen beginnen. Besonders Mathias´ Fitness beginnt zu leiden. Er fühlt sich schlapp und hat kaum genug Kondition, um die ständigen Anstiege zu bewältigen. So bleiben wir einen Tag in der Stadt, versuchen uns zu erholen und inspizieren etwas das ausgesprochen quirlige Zentrum.
Bevor wir unsere Fahrt dann fortsetzen können, macht sich erst mal noch der Neukauf einer Luftpumpe notwendig, denn wir befürchten, dass unsere alte demnächst ihren Dienst quittieren wird. Das Ventilgewinde ist mittlerweile so abgenutzt, dass es nicht mehr richtig greift. Die ganze Konstruktion war eh ständig Anlass von Problemen und es ist an der Zeit, die Pumpe endlich zu entsorgen. Doch immerhin, hat sie uns fast 5 Jahre treu durch die Welt begleitet und sich den Ruhestand verdient. Nach etwas Sucherei findet sich dann auch ein kompetenter Laden, in dem wir das Passende, eine Doppelhubpumpe, finden. Für 390 Pesos (18 €) nicht unbedingt ein Schnäppchen - Hauptsache sie funktioniert auch verlässlich. Bisher sind wir, in den zurückliegenden reichlich drei Monaten, von 5 Plattfüßen behelligt worden, doch das richtige dornige Mexiko liegt ja auch erst noch vor uns.
Wir verlassen die Stadt nordwestwärts und aus dem Zentrum heraus, geht es nun wieder stetig bergan. Je höher wir kommen, desto nobler sehen die Grundstücke aus. Cuernavaca ist, wegen des gemäßigten Klimas, ein beliebtes Wochenend- und Feriendomizil, sodass einige gut betuchter Mexikaner dort ihre Zweitwohnung oder ein Ferienhaus haben. Auffällig große, von hohen Mauern oder Zäunen umgebene, Anwesen säumen die Straße und ab und zu erhascht man einen Blick auf die dahinterliegenden, grünen, parkähnlichen Gärten und villenartigen Häuser - ein in Mexiko eher ungewöhnliches Bild. Hier oben scheint es also noch gute Luft zu geben.
Zwanzig Kilometer später und fast 1000 m höher verlassen wir den kleinen Bundesstaat Morelos schon wieder und fahren in den um vieles größeren Bundesstaat México hinein, die Region, die die mexikanische Hauptstadt umgibt.
Der Verkehr hat zwar spürbar nachgelassen, doch von einem ruhigen Bergsträßchen kann man eigentlich nicht sprechen, denn regelmäßig begegnen uns nun bunt geschmückte Autos, Pick-ups, Busse und Laster. Ganze Kolonnen von Pilgerfahrzeugen kommen uns entgegen, dekoriert mit Blumen, Girlanden, heiligen Bildnissen und Reliquien sowie Plakaten. Das hat Ähnlichkeit mit den geradelten Kilometern auf dem Jakobsweg vor 3 Jahren. Da waren wir auch gegen den Strom unterwegs und alle kamen uns entgegen. Doch hier sieht man nur auf seltenen Passagen Pilger zu Fuß oder auch mal mit Rad. Allesamt haben kaum oder gar kein Gepäck dabei. Das wird in einem der vielen Begleitfahrzeuge transportiert. Und wenn es bergauf geht, scheinen viele ohnehin den motorisierten Transport vorzuziehen. Wer kann es ihnen verdenken, denn ihre Ausstattung ist wirklich bescheiden. Nichts von Hightech-Ausrüstung zu sehen. Wir bekommen heraus, dass sie, zum derzeitigen Beginn der Fastenzeit, auf dem Weg zum Wallfahrtsort Chalma sind.
Anfangs umgeben uns noch dichte und recht einsame Waldgebiete. Doch je höher wir kommen, um so weniger werden die Bäume und die Landwirtschaft hat wieder den Vorrang. Auf manchen Feldern stehen in Reih und Glied Kakteen - wer braucht denn so was? Nun geht es auf einem hoch gelegenen Plateau weiter, zwischen Hügeln hindurch und durch einige Ortschaften. Das Niveau steigt immer weiter an, sodass wir knapp 3000 Höhenmeter erreichen. Bei einer Rast kommen zwei Radler vorbei, die bei unserem Anblick von den Rädern springen. Nach dem ersten "Woher?" und "Wohin?", erzählen uns Jose und Alberto ganz aufgeregt, dass sie auf dem Rückweg von ihrer Pilgertour sind, was man aber auch der Aufschrift auf ihren gleichartigen T-Shirts entnehmen kann. Drei Tage haben sie für die gesamte, fast 150 km lange Strecke durch die Berge gebraucht und das auf Rädern ohne Gangschaltung und mit sehr lavede aussehenden Bremsen.
Wir hingegen kommen nur viel langsamer vorwärts und brauchen ebenfalls 3 Tage für nicht mal 100 km. Trotzdem wir uns viel Zeit lassen, muss sich Mathias sehr schinden, denn an den Anstiegen geht ihm gnadenlos die Puste aus. - Das ist doch nicht mehr normal!? So sind wir sehr erleichtert, als wir endlich die dicht besiedelte Ebene von Toluca, der Hauptstadt des Bundesstaates, erreichen.