26. August - 17. September 2017
Bratislava - Olomouc - Turnov - Dresden
Geradelte Strecke: 999 km (Isngesamt 9551 km)
Der August neigt sich dem Ende und unübersehbar auch der Sommer. Viele der Felder sind abgeerntet, die Obstbäume brechen unter ihrer schweren Last fast zusammen, erste trockene Blätter wehen über die Straße und die Nächte werden lang und länger und auch kälter. Doch am Tag läuft der Sommer nochmal zu Hochform auf und beschert uns Temperaturen von bis zu 30 °C - so mögen wir es!
Wir haben für Mitte September unsere Ankunft in Dresden angekündigt und somit bleiben noch etwa drei Wochen, um uns nun Richtung Norden unserem diesjährigen Tourziel zu nähern. In den vorherigen Tagen sind wir aufgrund des schönen Wetters und dem leicht zu radelnden Terrains schneller vorangekommen, als gedacht und somit bleibt genug Zeit für ein paar Umwege und Abstecher und auch um vielleicht noch den einen oder anderen sonnigen Biergartentag genießen zu können - Na zdravie!
Nur wenige Kilometer nach der österreichischen Grenze erreichen wir die slowakische Hauptstadt. In Bratislava überqueren wir ein letztes Mal die Donau und gelangen somit genau an den Punkt, von dem wir im Sommer vor zwei Jahren der Donau weitere mehr als 1000 km bis zur Engstelle, dem Eisernen Tor an der serbisch/rumänischen Grenze gefolgt sind. In diesem Jahr sind nun - nach 5 Tagen geordnetem Radeln im Pulk - weitere 400 Donauradwegkilometer hinzugekommen. Damit haben wir die Hälfte dieses Fernradweges abgeradelt. Vielleicht schaffen wir ja irgendwann auch noch die restlichen Kilometer.
Unterhalb der Burg von Devin, einem Vorort von Bratislava, mündet die March in die Donau. Nach einem letzten Erinnerungsfoto mit der Donau, folgen wir nun dem viel kleineren Flusslauf der Morava, wie die March hier in der Landessprache heißt. Sie bietet sich an, um somit die Slowakei und danach Tschechien von Süd nach Nord zu durchqueren und um dann in den tschechisch-polnischen Sudeten noch etwas Bergfeeling erleben zu können.
Anfänglich windet sich die Morava in vielen Bögen und Schlingen entlang der österreichisch/slowakischen Grenze. Zunächst ist die Landschaft geprägt von dichten urwaldähnlichen Auwäldern und später von Kanälen und kleinen Seen. Oft geht es über holprige aber schöne ruhige Wege. Viele Vögel tummeln sich auf den Flussauen und auch der Biber hat hier und da seine Spuren hinterlassen.
Nach zwei Tagen geht es im Dreiländereck über die tschechische Grenze. Schon seit einigen Kilometern ist uns die Region nicht mehr ganz unbekannt und wir fühlen uns langsam heimisch. Nachdem wir bei Lednice einen Campingplatz ansteuern, ziehen dunkle Wolken auf, die sich zu einem heftigen Gewitter entwickeln. Doch in der rustikalen einfachen SB-Campingplatzkneipe können wir das im Trockenen bei kaltem Bier und zünftigem tschechischen Essen in Ruhe aussitzen. Sogar ausreichend Steckdosen und prima Internet sind verfügbar. Ja, deshalb lieben wir dieses Land. Einfach, aber zweckmäßig - manchmal gilt eben doch: "weniger ist mehr". Obwohl die letzten tschechischen Ferientage und das schöne Wetter noch viele Familien zu Ausflügen herauslocken, geht es auf dem Zeltplatz erstaunlich ruhig zu und so genehmigen wir uns gleich noch einen Ruhetag auf selbigen, ehe wir wieder an die Morava zurückkehren und vorbei an Olomouce die polnische Grenze ansteuern.
Doch pünktlich mit dem letzten Augusttag verabschiedet sich auch das schöne Wetter und wird so unfreundlich, dass wir uns beleidigt in eine Unterkunft im tschechischen Petrov nad Desnou (Petersdorf an der Tess), einem kleinen unbedeutenden Ort im Osten der Sudeten, zurückziehen. Nach ein paar Tagen haben wir uns damit abgefunden, dass es jetzt mit dem Sommer vorbei ist und versuchen uns mit dem nun herrschendem herbstlichen "April"wetter abzufinden.
Es wird bergiger und nach den vielen Kilometern Flachstreckenradeln gibt es wieder längere Anstiege und auch wieder ungewohnt flotte Abfahrten. Es geht durch das Jeseniker Wintersportgebiet und in den Höhenlagen wird es uns dann schon mal ungemütlich kalt. Oft führt der Radweg über ruppige Feld- und Waldwege. In dieser Beziehung sind die tschechischen Radwegnetzbauer nicht zimperlich und machen keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Radmodellen. Egal ob Mountainbike, Stadt-, Trekking- oder Rennrad - hier werden alle über dieselben Wege gescheucht. Zuvor in der Schweiz hingegen waren die Wege strikt getrennt gekennzeichnet - aber ist das wirklich notwendig? - für uns nicht, trotz der Mühen hin und wieder.
Knapp 100 km hinter der polnischen Grenze erreichen wir im Norden des Eulengebirges den Ort Silberberg-Srebrna Gora. In vielen Serpentinen geht es hinauf auf den gleichnamigen Pass. Hier oben befindet sich die Gebirgsfestung Silberberg, einer der beliebtesten Ausflugsziele der Region. An unserem Besuchstag ist jedoch nicht allzu viel los. Sie soll eine der größten Festungsbauten in Europa sein - uns kommt sie allerdings gar nicht so groß vor. Doch die Art der Anlage mit ihren ungewöhnlichen Formen ist jedoch schon etwas Besonderes. Die Festung soll niemals von Feinden eingenommen worden sein, selbst Napoleon bemühte sich hier vergebens um Einlass. Doch wir erobern sie und während sich die Räder vor den Toren ausruhen dürfen, besichtigen wir die alten Gemäuer und das Gelände. Der Panoramablick über die umliegende Gebirgslandschaft ist trotz des etwas diesigem Wetters herrlich und wir durchstöbern die vielen Gänge der Kasematten. Die ursprünglichen Lager- und Wohnräume machen einen düsteren, kalten und feuchten Eindruck auf uns - nein, hier möchte man kein Soldat gewesen sein. Wir bevorzugen für unsere Übernachtung lieber eine Wiese auf einem nahen Hügel mit schönem Ausblick auf die Festung und das vorgelagerte Fort Ostrog (Fort Spitzberg).
Am folgenden Tag überwinden wir das Heuscheuergebirge und sind wieder zurück in der Tschechei. Im Wald neben der Straße können wir einige interessante Felsgruppen aus Sandstein erspähen. Das ist bestimmt ein lohnendes Wandergebiet - hier müsste man nochmal mit Wanderschuhen und Rucksack herkommen. Adersbach und seine Felsen, etwas weiter, kennen wir hingegen schon besser und einen weiteren Tag später erblicken wir die markante und uns sehr bekannte Silhouette der Burg Trosky. Die Burgruine auf den zwei steilen Basaltfelsen ist das Wahrzeichen des Böhmischen Paradieses. Hier haben wir schon an unzähligen Wochenenden Wander- und Radtouren unternommen - und es ist ein total vertrautes Gefühl wieder hier zu sein. Wir machen einem kurzen Stopp im Biergarten unterhalb der Burg und nutzen die vielleicht letzte Chance in diesem Jahr, um ein Bier im warmen Sonnenschein genießen zu können. Für die folgende Nacht lassen wir uns dann auf dem nahen Lagerplatz Svitacka nieder, auf dem es fast noch genauso rustikal zu geht, wie in den Vorwendezeiten: überall reichlich genutzte Feuerstellen, simple Sanitäranlagen und Tiefstpreise. Doch etwas hat auch hier die Moderne Einzug gehalten - es gibt mehr Gäste mit Wohnmobilen und in der Dusche gibt es jetzt einen Münzautomaten.
Anhaltender Regen weckt uns am nächsten Morgen. Da wir uns aber erst am folgenden Wochenende noch zu einem Treffen auf einem Campingplatz vor der deutschen Grenze verabredet haben, ziehen wir eben noch ein paar Tage in eine nette und vor allem trockene Unterkunft in Turnov und verbringen dort in aller Ruhe Petras Geburtstag.
Es sind noch knapp 100 km bis zu unserem Treffpunkt auf dem Campingplatz in Jetrichovice, nahe Hrensko. Wir kennen die Gegend bis in die abgelegensten Winkel - glaubten wir. Doch nun präsentiert uns die Routensuchapp eine Überraschung. Der Bahndammradweg zwischen Ceska Lipa und Ceska Kamenice ist uns noch unbekannt und eine super Alternative zu der früher benutzten Route über den Kamm des Böhmischen Mittelgebirges. Auf knapp 20 km radeln wir ungestört auf dem bestens ausgebautem Weg etwa 300 Höhenmeter hinauf bis zum Basaltfelsen Panska skala (Herrenhausfelsen). Die bis zu 30 m hohen orgelpfeifenähnlichen Säulen auf dem Hügel besichtigen wir hingegen nicht zum ersten Mal.
In Jetrichovice ist dann ein erstes Wiedersehen mit Freunden und Geschwistern und am molligen Feuer gibt es jede Menge zu erzählen - auch wenn der zweite Abend leider vom Regen boykottiert wird.
Nein, dieses Wetter macht es uns nicht schwer nun endgültig die Heimkehr anzutreten. Auch angesichts unserer mittlerweile maroden Ausrüstung ist dies eine gute Idee, denn kurz vor der Grenze bricht dann noch die Halterung von Petras Gepäckträger. Doch Glück im Unglück: eine umständliche Reparatur so kurz vorm Ziel bleibt uns erspart, denn nach einem Zwischenstopp in unserer Stammkneipe in Hrensko, ist das Gepäck schnell im Auto von Mathias Schwester verstaut. Die letzten Kilometer entlang der Elbe nach Dresden rollt Petras Radel unbeschwert und fast von allein. Am Abend werden wir dann von Mathias Vati im Haus freudig aufgenommen.
Nach genau 202 Tagen und 9559 Kilometern endet somit unsere diesjährige große Europatour. War sie zunächst zwar mehr oder weniger nur eine Notlösung, hat sie sich jedoch zu einer sehr interessanten und abwechslungsreichen Radreise entwickelt. Auch in Europa gibt es viele schöne Ecken und das vor allem nervlich entspannte Reisen, im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt, hat auch seinen Reiz. Die Reisezeit war genau richtig: März/April in Marokko boten sich zur Überbrückung bis zum radtauglichen europäischen Frühling regelrecht an, im Mai/Juni waren die Temperaturen in Portugal und Spanien dann perfekt und Juli/August die idealen Monate für die europäischen Berge. Auch wenn so manches entlang der Strecke uns nicht unbekannt war, haben wir viele neue Eindrücke sammeln können. Wir hatten eine schöne Zeit. In der Hoffnung schon bald wieder mit den Rädern unterwegs sein zu können, genießen wir zunächst erstmal einen gemütlichen Heimaturlaub und machen uns währenddessen daran neue Reisepläne zu schmieden.