10. Mai - 4. Juni 2017
Barrancos - Evora - Lissabon - Fatima - Vila Real - Valenca
Geradelte Strecke: 1254 km (Insgesamt 3994 km)
Wir staunen nicht schlecht, als an dem kleinen unbedeutendem Grenzübergang von Spanien nach Portugal ein Kontrollposten um unsere Ausweise bittet. Dachten wir doch jetzt in der EU grenzenlos reisen zu können. Der Beamte redet aufgeregt auf uns ein, doch wir verstehen ihn nicht. Es fallen die Wörter „Pope“ und „Fatima“, doch was die Beiden miteinander zu schaffen haben, bleibt uns ein Rätsel. Doch egal, wir fahren nun hinein nach Portugal - Neuland für uns beide - und wir sind gespannt.
Zunächst gleicht es dem spanischen Andalusien zuvor sehr. Zäune, Zäune ...., doch etwas ist anders, hier haben die Kühe teilweise riesige Hörner. Vielleicht doch nicht so schlecht, dass zwischen uns Zäune sind!? Die nächsten Tage sind sehr unbeständig und bringen immer mal wieder kurze Schauer, die wir jedoch noch einigermaßen unbeschadet überstehen und trotzdem auch viele sonnige Momente genießen können. Dennoch scheint es für die Jahreszeit nicht typisch zu sein, denn man berichtet uns, dass die Bauern Sorge um die Wein- und Olivenernte haben. Doch nach den Berichten über die derzeitigen Wetterkapriolen in Deutschland empfinden wir das alles noch als recht harmlos.
Wir durchfahren die Region Alentejo Richtung Atlantik, eine weite grüne Ebene, mit großen Feldern und Olivenbäumen. In regelmäßigen Abständen passieren wir kleine Orte mit niedrigen weißen Häusern, die sich eng entlang der Straßen aneinanderreihen. Oft thronen darüber die Überreste einer Burganlage, die vor allem Mathias zum Erforschen anlocken. Eine nutzen wir auch für ein schönes Nachtlager im Schutz der Mauern.
Doch dann erwischt es uns doch. Wir steuern Evora an und die letzten 20 km vor unserem Etappenziel durchweicht uns heftiger Regen bis auf die Haut. Wie zum Hohn hört er aber bei Erreichen des Ortes wieder auf. Doch die Sonne ist noch zu zaghaft, um uns wieder zu trocknen und so sind wir heil froh, schon bald unser gebuchtes Zimmer beziehen zu können.
Wir verbringen zwei Tage in der, laut Reiseführer, schönsten Stadt der Region. Die meisten Attraktionen liegen innerhalb der alten Ortsmauern und es gibt eine Anzahl historischer Stätten zu sehen. Dazu gehören unter anderem die Säulen eines romanischen Tempels und die Anlage eines Aquädukts. Zahlreiche Kunsthandwerksläden und Restaurants locken die nicht wenigen Touristen an. Wir streifen etwas durch die schmalen, mittelalterlichen Kopfsteinpflasterstraßen, ohne dass uns jedoch die Stadt besonders in ihren Bann zieht und genießen einfach nur unsere Ruhetage. Hier erfahren wir in den Nachrichten, dass in diesen Tagen der Papst in Portugal weilt und sich mit hunderttausend Gläubigen im Pilgerort Fatima trifft. Aha, jetzt verstehen wir die Aufregung am Grenzübergang. Doch wo eigentlich liegt Fatima?
Unser nächstes Ziel ist die Hauptstadt Lissabon und so geht es schnurstracks Richtung Westen zur Atlantikküste. Doch von schnur- kann eigentlich nicht die Rede sein, denn es geht im Zickzackkurs durch die Gegend und von -stracks auch nicht, denn bei unseren Bemühungen, die Hauptstraßen zu umgehen, landen wir unweigerlich auf, zwar ruhigen, aber unbefestigten Pisten, die uns ganz schön durchrütteln. Zudem klettern die Temperaturen nun wieder auf portugiesisch typische über 30°C.
Von Süden kommend führt über das hier bis zu 10 km breite Mündungsdelta des Rio Tejo in den Atlantischen Ozean nur eine Autobahn nach Lissabon und zwar über die riesige Vasco da Gama Brücke - die längste Brücke Europas. Nichts für Radfahrer und so bleibt für uns nur die Benutzung einer Fähre. Doch damit läuft alles, wie geschmiert. Das Abfahrtsterminal ist sehr modern, das Schiff auch, mit extra Stellplatz für die Räder, die übrigens umsonst transportiert werden. Die Fähre macht ganz schön Fahrt, aber es dauert trotzdem eine ganze Weile, ehe wir mitten im Zentrum der Großstadt anlegen. Ein kurzes Stück können wir dann noch entlang des Ufers radeln, ehe wir hinein ins Großstadtgewimmel müssen und da kommt auch schon das erste Hindernis - ein Fußgängertunnel mit vielen Treppen - das überwunden werden muss. Auch die Weiterfahrt ist sehr mühsam. Enge Straßen mit viel Verkehr und dazu steile Anstiege. Nein, fahrradfreundlich ist die Stadt ganz bestimmt nicht. Doch dann stehen wir an einem tollen Aussichtspunkt auf die Stadt, ein Fotostopp ist fällig. Absolut präsent ist auch hier die gewaltige Brücke die sich nicht nur über den Fluss, sondern gleich noch über die tieferen Stadtteile spannt.
Der große Zeltplatz der Stadt ist nicht billig. Er liegt zwar auf einem schönen grünen Gelände, doch für einfache Zeltler, wie uns, gibt es nur eine schnöde Wiese und der ununterbrochene nervige Lärm einer nahen mehrspurigen Straße ist unüberhörbar. Mit einem Bus gelangt man nach einer halbstündigen Fahrt ins Zentrum. Dies ist recht überschaubar. Vom Ufer aus breitet sich die Stadt an mehreren Hügeln empor und ja, sie hat diesen häufig beschriebenen besonderen Charme. Die Altstadt wird auch hier von engen Gassen geprägt und durch die steilen Straßen rattern emsig teilweise über 100 Jahre alte Straßenbahnen, die ja das Hauptaushängeschild der Stadt sind. Dazu gibt es noch einige Kabelbahnen und Aufzüge, die die Überwindung der Anstiege erleichtern sollen. Doch neben vielen schmuck renovierten Gemäuern bleibt uns auch die teilweise marode Bausubstanz nicht verborgen. Und auch das unheimliche Verkehrschaos macht sicher die Stadt für die hier Lebenden nicht sehr attraktiv.
Lissabon selber hat nur etwa eine halbe Million Einwohner, also etwa wie Dresden, doch im Großraum leben mehr als 2 Millionen. Das bekommen wir auf unserer Weiterfahrt zu spüren, denn es braucht noch einige Kilometer Radelei, ehe wir die vielen "Vororte" hinter uns lassen können. Zumindest hat man hier hin und wieder an die Radfahrer gedacht und eigene Radwege angelegt. Und wir bekommen zum Abschied, abermals einen Aussichtspunkt an der Strecke präsentiert.
Im Nordosten der Stadt gelangen wir wieder an das Ufer des Rio Tejo. Auch hier breitet sich der größte Fluss der iberischen Halbinsel dermaßen aus, dass man glaubt an einem Meer zu stehen. Ab jetzt folgen wir nun ein Stück dem portugiesischen Jakobsweg. Und da sind sie auch schon die Pilger, wie sie wacker mit ihren Rucksäcken bepackt in der gleichen Richtung, wie wir unterwegs sind. Man grüßt sich und plötzlich sind auch die Portugiesen viel aufgeschlossener. Kamen sie uns zuvor im Südosten des Landes noch sehr zurückhaltend und verschlossen vor, denn dort ist es oft passiert, dass unser Gruß regelrecht ignoriert wurde, werden wir nun oft auch von ihnen herzlich gegrüßt. Und auch das Land selber gefällt uns immer besser. Die Präsenz an Zäunen hat deutlich nachgelassen und die Suche nach schönen Nachtlagern ist einfacher. Der Weg wechselt zwischen kleinen Straßen und Wiesenpfaden, durch Felder hindurch, auch mal entlang einer Hauptstraße und durch kleine und größere Orte. Ein Stück geht es auch mal über Holzstege durch ein Naturreservat. Hin und wieder sind wir gezwungen uns auch mal vom Wege zu trennen und lieber einen Umweg auf der Straße zu machen, denn öfter soll für die Überwindung von Gleisen ein Bahnübergang mit viiiielen Treppen genutzt werden oder es geht steil auf schmalen Pfaden über Hügel. Da hat man eindeutig nicht die pilgernden Radfahrer bedacht. Auch wenn die Ausschilderung auf dem weniger bekannten Ableger des berühmteren spanischen Jakobsweges teilweise eher bescheiden ist und wir oft schon genau hingucken müssen, um auf dem Weg zu bleiben, ist es unübersehbar: hier lang geht es auch nach Fatima.
Nach drei Tagen stehen wir dann im größten Pilgerort Portugals, mitten auf dem größten Kirchenvorplatz der Welt. Es ist genau eine Woche her, dass der Papst hier vor abertausenden von Gläubigen zwei Hirtenkinder heilig gesprochen hat, denen vor genau 100 Jahren beim Viehhüten die Jungfrau Maria erschienen sein soll. Auch an unserem Besuchstag - einem Sonntag - herrscht ein tüchtiges Gewimmel. Begrenzt wird der Platz an einem Ende von einer gewaltigen und imposanten Basilika und an dem anderen von einem sehr futuristisch aussehendem erst 10 Jahre altem Kirchenneubau. Von außen wirkt er wie ein zu groß geratenes rundes Toilettenhäuschen und von innen wie ein gewaltiger Hörsaal. 9000 Menschen sollen darin Platz haben, also wenn man ein bissel zusammen rutscht, alle Einwohner Fatimas. Bescheidener dagegen fällt die kleine Erscheinungskapelle am Rande des Platzes aus. Vom Anfang des Platzes bis zu ihr rutschen einige Gläubige sehr mühsam auf Knien, über einen besonders markierten Weg, um ihren Gebeten besonderen Nachdruck zu verleihen. Daneben gibt es noch drei große Feuerräume, vor denen man auf dem in der Sonne aufgeheiztem Platz geduldig in einer Reihe wartet, um dann ganze Bündel von Kerzen zu verbrennen. Alles in allem ein mächtiges Spektakel. Aus dem einsamen Bauerndorf von damals ist inzwischen eine richtige kleine Stadt geworden. Die vielen Besucher kurbeln den Tourismus tüchtig an und so gibt es in der Umgebung des Platzes viele Herbergen und Hotels und natürlich die unvermeidlichen Souvenirstände. Uns ist der Trubel zu viel und wir flüchten auf einen Hügel am Rande der Stadt, um uns dort unser Nachtlager zu suchen. Am Abend liegen wir dann im Zelt und sinnieren darüber, wie es uns wohl ergangen wäre, wenn wir unversehens bereits in den Tumult der Heiligsprechung vor einer Woche geraten wären!
Hinter Fatima verlassen wir den Jakobsweg. Viele Eukalyptuswälder prägen nun die Umgebung. Mathias hat, eher durch Zufall, auf der Karte eine Ecopista entdeckt - auch die Portugiesen haben nämlich stillgelegte Bahnstrecken zu Radwegen ausgebaut - und so steuern wir die Ecopista da Dao an, die einen großen Teil des Weges dem gleichnamigen Fluss folgt. Fast 50 km rollen wir dann auf zunächst blau, später grün und zum Schluss rot gefärbten Asphalt zwei Tage entspannt dahin. Auf halber Strecke verkriechen wir uns in der Nähe eines Ortes für die Nacht hinter eine kleine Kapelle. Hin und wieder sind die alten Bahnhofshäuschen zu kleinen Restaurants hergerichtet. An einem steht auf einem Nebengleis eine sehr gut erhaltene Lok nebst 2 Hänger, in die man hineinklettern und besichtigen kann.
Weiter geht es auf ruhigen Straßen immer schön auf und ab in den Norden des Landes und wir erreichen ein riesiges Weinanbaugebiet. Hier also gedeiht der bekannte Portwein. Und das hast du noch nicht gesehen: alle Hänge rings um die Schlucht des Rio Douro sind voller steiler Weinterrassen. Zwischendurch mal ein paar Olivenbäume ansonsten nichts als Wein. Manche Terrassen sind traditionell mit Steinmauern befestigt, um das Abrutschen zu verhindern. Andere schlängeln sich auch serpentienenähnlich hinauf bzw. hinunter. In dieser trockenen und warmen Gegend gedeiht ein süffiges Tröpfchen, den auch wir kosten und als lecker befinden. Auch wenn wir nebenbei bedauern, dass hier eine Menge Wald verschwinden musste, um Platz für die vielen Rebstöcke zu machen. Noch sind an den Sträuchern nur winzigste Trauben zu erkennen, aber ein paar Kirschbäume am Wegesrand sind schon erntereif und wir haben Mühe, uns von deren Genuss wieder loszureißen. Später bekommen wir bei einem Stopp in einem Ort sogar ein Beutelchen voll geschenkt - also doch nett, die Portugiesen.
In Vila Real machen wir auf einem Zeltplatz einen Ruhetag. Die Plätze im Land sind meist schön gelegen, im Grünen und haben einen guten einfachen und bezahlbaren Standard. Die modernen Sanitäranlagen lassen nichts zu wünschen übrig, hin und wieder hat man Internetverbindung (zumindest in Nähe der Rezeption) und jetzt, außerhalb der Hochsaison geht es auch noch recht beschaulich zu. Die meisten Gäste sind natürlich Wohnmobilreisende, doch hin und wieder reist man auch mit Zelt und selten, aber ab und zu kommt auch mal ein Radler, wie wir vorbei.
Drei Tage später erreichen wir den Peneda-Gerês Nationalpark, der sich im Norden Portugals entlang der Grenze zu Spanien erstreckt und der einzige Nationalpark des Landes ist. 4 Tage tingeln wir von Zeltplatz zu Zeltplatz - wild zelten ist hier natürlich verboten und in einem Nationalpark machen auch wir so was nicht. Nun wird es auch wieder richtig bergig und wir bezwingen in diesen Tagen viele Höhenmeter. Die Anstiege sind teilweise so steil, dass wir mächtig ins Schwitzen kommen. Es geht im Wechsel durch üppig grünes Gebiet mit wunderschönen Tälern und vorbei an schroffen kargen Bergen und Felsen. Mehrere Flüsse und Bäche mit Talsperren und Stauseen durchkreuzen die Berge. Auch einen Wasserfall gibt es zu bestaunen. In regelmäßigen Abständen geht es durch mal kleinere, mal größere Bergorte in denen schmale steile und kurvige Kopfsteinpflasterwege sich zwischen den alten noch traditionellen Häusern aus Steinquadern winden. In jedem Ort sieht man noch alte Steinspeicher zur Lagerung des Getreides das auf den kleinen terrassenartigen Feldern angebaut wird. Sie wurden auf Stelzen errichtet um so das Getreide gegen Nager und Fäulnis zu schützen und sind auch heute noch in Gebrauch. Außerhalb der touristischen Highlights ist die Gegend sehr verlassen und nur wenig Verkehr unterwegs. Auf dem Zeltplatz hinter dem letzten zu überwindenden fast 1000 m hohen Pass sind uns die Temperaturen nicht mollig genug - auch kein Wunder in dieser Höhenlage und so rollen wir schon bald auf einer fast 20 km langen sanften Abfahrt wieder hinunter in wärmere Gebiete und steuern Valenca an, die Grenzstadt zu Spanien.
3 1/2 Wochen haben wir Portugal von Süd nach Nord durchfahren - mehr als 1000 km - und können dieses Land als Fahrradreiseland sehr empfehlen. Dabei haben wir die Fahrt durch das ruhigere Hinterland bevorzugt und um die touristischen, sicher sehenswerten Gebiete entlang der Algarve und des Atlantiks aber einen großen Bogen gemacht. Doch, auch wenn es auf unserem Weg an wirklich richtig großen Highlights fehlte, hat uns das Radeln Spaß gemacht. Es fanden sich fast immer ruhige Straßen, auf denen es sich entspannt fahren ließ. Sahnehäubchen dabei waren natürlich die mehreren, mal kürzeren - mal längeren, Ecopistas, die zum Radweg ausgebauten stillgelegten Bahntrassen. Die Portugiesen haben ein Faible für Picknickplätze, die zum Rasten einladen und auch die Lagerplatzsuche am Abend war entspannt. Viele befestigte Quellen am Wegesrand boten bei den teils hitzigen Temperaturen Erfrischung und fast jeder kleine Ort verfügte über eine Einkaufsmöglichkeit.
Die Pastel de Nata - die portugiesischen Blätterteigtörtchen mit Puddingfüllung werden wir sicher vermissen. Die müsst Ihr unbedingt probieren, wenn Ihr mal hier vorbeikommt - lecker!
Beim Überfahren der Grenze ins spanische Galicien knacken wir die 4000 km - Marke unserer gesamten Tour.