4. Juli - 17. Juli 2018
Kristiansand - Rysstad - Oltedal - Tau - Sand - Odda - Voss
Geradelte Strecke: 763 km (Insgesamt 1346 km)
Wir sind nicht das erste Mal in Norwegen. Vor ein paar Jahren waren wir schon mehrmals auf Paddeltouren im Lande unterwegs. Dabei ging es während der An- und Abfahrten mit dem Auto unter anderem auch bis ans Nordkap und auf die Inseln der Lofoten. Diesmal sind wir nun mit den Rädern da und wollen uns im Süden des Landes umsehen.
Etwas wehmütig schauen wir beim Verlassen des dänischen Fährortes Hirtshals auf das bisher so herrliche Sommerwetter zurück. Was wird uns nun diesbezüglich im Norden erwarten? Für gutes Wetter ist er ja nicht unbedingt bekannt. Aber wir haben vorgesorgt und 2 Liter Rum zum Aufwärmen im Gepäck. Die See ist ruhig, an Bord ist dagegen etwas mehr Hektik - Ferienzeit und somit Hochbetrieb.
Doch schon nach reichlich 2 Stunden haben wir die Nordsee überquert (obwohl: ein bissel Ostseewasser dürfte dabei auch unterm Kiel geplätschert haben) und legen in Kristiansand im norwegischen Südzipfel an. Zu unserer großen Freude herrscht auch hier nichts als eitel Sonnenschein und hochsommerliche Temperaturen. Also alles Bestens.
Wir schwingen uns auf die Räder und strampeln munter hinein ins Land. Gleich geht es auf und ab und wir bekommen, nach den langen Flachstreckenetappen zuvor, seit langem mal wieder zu spüren, wie es sich anfühlt wieder Steigungen unter den Rädern zu haben. Doch noch sind sie gemäßigt und wir ja schon warmgefahren.
Wir folgen dem Fahrradweg durch das Setesdal Richtung Norden. Es geht durch ausgedehnte Wälder, wobei wir mit der ebenfalls durchs Tal gehenden Nationalstraße immer mal wieder das Ufer der Otra wechseln. Hin und wieder verbreitert sich der Fluss auch mal seenartig und ist dann mit kleinen Inseln bestückt. Wir fühlen uns pudelwohl in dem herrlich grünen Land.
Unser erstes großes Ziel in Norwegen ist das Kjerakplateau hoch oben über dem Lysefjord. Dazu heißt es nun unweigerlich Höhenmeter zu strampeln. Nach drei Tagen verlassen wir dazu das Setesdal und biegen in Richtung Westküste ab. Ein Hinweisschild macht uns darauf aufmerksam, was uns erwartet: 800 Höhenmeter und bis zu 10% Steigung. Doch alles ist auf 20 km verteilt - geht also. Zur Mittagszeit haben wir die höchste Stelle erreicht und machen in über 1000 m Höhe Rast auf einem kargen Hochplateau. Keine Bäume mehr, aber viele kleine Seen und Schafe. So nach und nach verlieren wir danach wieder einige Höhenmeter. Nach reichlich 40 km erreichen wir Suleskard, einen Ferienort in den Bergen und verlassen zunächst die Hauptstraße, um zum Ausgangspunkt unserer angestrebten Wanderung zum Kjerak zu gelangen. Es geht nun nochmal heftig auf und ab und das hintereinander weg. Für die 20 km brauchen wir 3 Stunden! Unterwegs treffen wir Daniel aus Kopenhagen. Der Flachlanddäne fühlt sich scheinbar in den Bergen wohl und rast mit kurzen Pausen immer wieder an uns vorbei.
Die Straße ist sehr schmal und man muss schon sehr aufpassen, wenn einem Autos oder gar Wohnmobile begegnen. Zum Glück können die auch nur langsam fahren, denn wenn sich zwei von ihnen begegnen fängt das große Rangieren an, um aneinander vorbei zu kommen und auch wir werden gebührend respektiert. Um uns eine traumhafte Landschaft und wir verbringen die folgende Nacht in der wilden Einsamkeit. Nur das Gebimmel der herumziehenden Schafe ist zu hören. Obwohl, so verlassen ist es gar nicht, denn wir bemerken irgendwann, dass in der Nähe ein kleines Wohnmobil sich ebenfalls für die Nacht eingerichtet hat. Na Platz ist ja genug.
Am nächsten Morgen verstecken wir die Räder neben der Straße zwischen kleinen Felsen und Gestrüpp, schnüren die Schuhe fester und machen uns auf den Weg zum berühmten Kjerakplateau. Zunächst geht es einen steinigen schmalen Pfad hinauf und wieder hinab zu einem kleinen See. Hier stoßen wir auf den Hauptwanderweg, der vom großen Parkplatz etwas weiter unten herführt. Nun geht es in Gesellschaft vieler weiterer Ausflügler weiter. Die hohe Anzahl ist erstaunlich, denn die Tour entpuppt sich als ziemlich herausfordernd. 500 m Höhenunterschied müssen überwunden werden und das in teilweise sehr unwegsamen Gelände. Einige Zwischenabstiege zermürben zusätzlich. Die Anstiege sind teilweise sehr steil und mit Ketten gesichert oder führen über in den Fels gehauene Stufen. Im Fjord hängt eine dicke Nebeldecke, hier oben herrscht jedoch strahlender Sonnenschein und man meint über den Wolken zu wandeln. Lange führt der Weg über eine felsige Hochfläche, in Sichtweite der Abbruchkante und vorbei an ein paar Schneefeldern. Hier verteilt sich die Wanderschar zunächst weitläufig, um sich jedoch bald darauf wieder zu vereinen und um sich gemeinschaftlich auf einem engen Weg zwischen Felsen zum Ziel der Tour durchzuquetschen. Und punktgenau hat sich nun der Nebel unter uns spurlos aufgelöst und der Ausblick auf den über 1000 m tiefer liegenden Fjord kann ungetrübt genossen werden - soweit man in dem dichten Gewimmel auf der kleinen ebenen Felsenfläche neben dem Kjerakbolten überhaupt einen freien Platz findet. Für die Meisten ist der kleine spektakulär in einer Spalte eingeklemmte Felsen die Hauptattraktion. Brav wartet man in einer Schlange, um sich dann in luftiger Höhe fotografieren zu lassen. Dabei wird natürlich auf das bestmögliche fotogene Motiv Wert gelegt und es ist erstaunlich, wie einfallsreich die Leute, selbst in dieser schwindelerregenden Position, sein können. Das ist durchaus nicht ungefährlich. Auch Mathi wagt den Schritt auf den Felsen, allerdings ohne großes Brimborium - so was ist nicht sein Ding.
Etwas abseits auf dem Plateau hat man dann aber mehr Ruhe, um die schöne Aussicht zu genießen. Steil fallen die Felsen ab und die Boote unten im Fjord sind kaum zu erkennen. Eine echt sehenswerte Gegend und noch dazu bei traumhaftem Wetter - der mühsame Anmarsch hat sich durchaus gelohnt. Jedoch auch der Abstieg ist nicht weniger anstrengend und er scheint sich endlos zu ziehen. So sind wir froh, endlich wieder bei den Rädern anzukommen, die unversehrt in ihrem Versteck uns erwarten. Etwas erschöpft von der ungewohnten Tour zu Fuß verbringen wir eine weitere Nacht in der einsamen Gegend.
Die Straße würde für uns unten am Fjord in einer Sackgasse enden. Zwar gibt es die Möglichkeit, mit einer Fähre zur Küste zu gelangen, doch lässt man sich diese Touristentour gut bezahlen. Wir verzichten und radeln stattdessen im bekanntem Auf und Ab, aber diesmal mit Rückenwindunterstützung, wieder zurück zur Hauptstraße und von dort im großen Bogen weiter zur Fjordmündung bei Stavanger. Dabei rollt es zur Abwechslung mal lange bergab, denn es geht wieder hinunter auf Meereshöhe.
Nach einer ersten kurzen Fährfahrt in Norwegen, gelangen wir dann zum Ausgangspunkt unserer nächsten geplanten Wandertour. Der Lysefjord hat nämlich auch noch in Mündungsnähe ein Highlight zu bieten: Den Preikestolen, der Touristenmagnet in Südnorwegen schlechthin. Diesmal lassen wir die Räder auf dem Parkplatz zwischen den zahlreichen Autos zurück und sind froh, dass wir nicht motorisiert hier sind, denn die Gebühren sind happig (z.B.: 20 € für einen PKW) und alternative Abstellmöglichkeiten gibt es nicht.
Auch hier ist eine regelrechte Völkerwanderung unterwegs. Nun ja, es ist Ferienzeit und das Wetter perfekt. Fast in Reih und Glied stapfen die Massen bergan. Etwa 400 Höhenmeter müssen bezwungen werden und so manch Einer scheint hier echt seine Kondition bis aufs Äußerste auszureizen und quält sich voran.
Es geht zunächst noch durch Wald über steinige Pfade hinauf und später auf Holzbohlen durch eine moorige Ebene. Dann wird es richtig steil und man steigt über Felsstufen weiter nach oben. Die Vegetation wird wieder karger und weiter oben werden ein paar kleine Badeseen von den Vorbeikommenden zur Erfrischung genutzt. Häufig bieten sich herrliche Ausblicke. Eigentlich ein schöner Weg, wenn er nur nicht so überlaufen wäre. Ausweichmöglichkeiten gibt es kaum, zudem kommen einem auf dem schmalen Weg auch noch die bereits erfolgreichen und abgekämpften Gipfelstürmer auf ihrem Rückweg entgegen. Alles etwas nervig, wenn man nicht in seinem eigenen Trott vorwärts kommen kann.
Doch dann ist es geschafft. Entlang einer atemberaubenden Abruchkannte erreicht man den Preikestolen (norwegisch für Predigtstuhl). Natürlich auch hier ein buntes Gewimmel, logisch wo sollen die Massen auch sonst abbleiben. Man hat sich dicht an dicht zur wohlverdienten Rast niedergelassen und genießt das Gipfelglück und natürlich die Aussicht. Auch hier gibt es ein beliebtes Fotomotiv über dem Abgrund, für den man sich gern anstellt. Es gelingt uns etwas abseits und erhöht einen Felsabsatz zu erklimmen und somit mit etwas Abstand das Treiben zu begutachten.
Nun ja, über den Rückweg gäbe es nicht viel zu berichten, genauso nervtötendes Trotten im Pulk, wenn da nicht völlig ungewohnt am gerade noch sommerlichen Himmel ein paar dunkle Wolken ihre feuchte Last auf uns entladen würden - der erste Regen seit Tourstart vor 2 1/2 Wochen. Doch er hält nicht lange an, als wir wenig später in Nähe des Parkplatzes unser Nachtlager aufschlagen, ist der Spuk schon wieder vorbei. Also noch immer kein Grund, um unseren Rumvorrat hervor zu holen. Obwohl..., vielleicht..., ein ganz kleines Schlückchen..., auf den Gipfelsieg...!?
Die folgende Woche geht es immer weiter entlang der Fjordroute Richtung Norden. Obwohl sie bei Touristen sehr beliebt ist, lässt es sich meist angenehm radeln. Oft gibt es Radwege oder wir können auf ruhige Nebenstraßen ausweichen. Mehrere Wasserfälle werden passiert und südöstlich von Bergen durchfahren wir ein Gebiet mit vielen Obstplantagen. Sicher selten in dem eigentlich so rauen Klima des Landes. Hochsaison für Kirschen, doch angesichts der Preise lehnen wir dankend ab und stürzen uns stattdessen auf die übervollen Himbeersträucher am Wegesrand. Wir können nur schwer widerstehen, müssen ständig anhalten und kommen kaum noch vorwärts.
Ein Fjord folgt dem nächsten. Einer eindrucksvoller als der andere. Mittendrin kleine Inseln und so manche von ihnen bewohnt. Dann flattert natürlich munter die Nationalflagge über der typisch roten Holzhütte. Eine einzigartige und schöne Landschaft.
Steile Felswände säumen die Ufer, an denen sich die Straße entlang schlängelt und dort wo kein Platz für sie ist, geht es durch Tunnel. Und nicht wenige von ihnen liegen auf unserem Weg, doch zum Glück sind die wirklich langen für Fahrräder verboten und es gibt Umgehungen. Hier hat man dann absolut seine Ruhe und wir nutzen die Stellen gern zum Pause machen oder auch mal für ein Nachtlager.
Müssen wir jedoch einen Tunnel durchfahren, ist dies mit den Rädern immer ein heikles Unternehmen und stets graut es uns davor. Selten bieten sie Ausweichstellen und genügend Platz. Zudem sind wir lichttechnisch nur notmäßig ausgestattet. Die Autofahrer sind hier aber ausgesprochen rücksichtsvoll. Nicht selten tuckert man ewig lange hinter uns her, um uns ja nicht in die Quere zu kommen und das manchmal länger als wirklich nötig und als uns lieb ist.
Ab und zu überspannen gigantische Brücken die tiefen Gewässer oder man gelangt per Fähre hinüber. Erfreulich, dass die Räder meist kostenlos transportiert werden.
Wir steuern den kleinen Touristenort Sand an, um dort abermals eine Fähre zu benutzen und müssen bestürzt feststellen, dass wegen eines Straßenneubaus der Betrieb eingestellt wurde. Dumm nur, dass die dazugehörige Brücke 15 km entfernt ist und noch dazu in der Richtung, aus der wir gerade gekommen sind. Zudem krönt die Strecke ein 300 Höhenmeter-Anstieg, der nun auf dem Rückweg abermals bezwungen werden muss. Da kann einem schon mal kurz das Lachen vergehen. Wenigstens kommen wir so in den Genuss, rein zufällig in Sand die preisgekrönte Fußgängerbrücke Høsebrua zu bewundern. Schön, na ja, eher bissel unheimlich, weil man auf der kleinen Brücke nur über ein großlöchriges Gitter auf den zwar nicht sehr großen, aber ziemlich reißenden Fluss darunter blickt.
Nach reichlich 2 Wochen radeln entlang der Küste biegen wir in Voss zunächst wieder ins Landesinnere ab und fahren hinein in die Berge. Der Rallarvegen ist unser nächstes Ziel.